Worms in Rheinhessen

2. Das Ende des deutschen Kaiserreiches

Max von Baden auf dem Weg zum Reichstag, 3. Oktober 1918[Bild: Bundesarchiv [CC BY-SA 3.0 DE]]

Nachdem am 29. September 1918 die Oberste Heeresleitung unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff die militärische Niederlage des Deutschen Reiches eingestanden und einen sofortigen Waffenstillstand verlangt hatte, ernannte Kaiser Wilhelm II. am 3. Oktober 1918 Max von Baden zum Reichskanzler einer neuen Regierung.[Anm. 1] Am 28. Oktober 1918 wurde durch die Änderung der Reichsverfassung der Übergang von der konstitutionellen zur parlamentarischen Monarchie vollzogen. Dies bedeutete, dass nun sowohl der Reichskanzler mit seiner Regierung als auch die militärische Kommandogewalt des Kaisers der parlamentarischen Kontrolle des Reichstags unterlag.[Anm. 2] Aber diese sog. „Oktoberreformen“ konnten nur eine rein formelle Parlamentarisierung bleiben, solange sich nicht die alten Eliten, besonders das Militär und die Bürokratie, zu ihr bekannten. Dies war augenscheinlich nicht der Fall, denn die Zustimmung dieser Kreise zu Reformen war der Tatsache geschuldet, dass eine vernichtende militärische Niederlage bevorstand.[Anm. 3] Der zum monarchistischen Beamtenapparat gehörende Staatssekretär Paul von Hintze bekannte: „,Die Revolution von oben‘ sei für ihn und seine Auftraggeber ,das Mittel‘ gewesen, […] der Revolution von unten vorzubeugen‘, denn ,von oben in Szene gesetzt, sollte sie einen Übergang bilden, die Umstellung von Sieg auf Niederlage tragbar machen‘. “Folglich sollten nun die Mehrheitsparteien des Reichstags (Sozialdemokraten, Zentrum und Liberale ) in der Regierung Max von Badens die Verantwortung für die militärische Niederlage und die zu erwartenden harten Waffenstillstandsbedingungen übernehmen. Die Militärführung unter Hindenburg und Ludendorff stahl sich aus der Verantwortung. Mit den „linksstehenden Parteien“ müsse „das Odium dieses Friedenschlusses“ stets verbunden sein, so Ludendorff. Auf die Truppen könne man sich nicht mehr verlassen, da die „Armee schwer verseucht […] durch das Gift spartakistischer und sozialistischer Ideen“ sei.

Nachdem die neue Regierung am 4. Oktober 1918 auf Drängen der OHL ein Waffenstillstandsgesuch an den amerikanischen Präsidenten Wilson gerichtet hatte und daraufhin US-Außenminister Lansing am 23. Oktober die deutsche Kapitulation sowie die Abdankung des Kaisers forderte, sah sich Wilhelm II. gezwungen, Ludendorff zu entlassen.[Anm. 4] Dieser trat alsbald inkognito die Flucht nach Schweden an. Der Reichskanzler sah sich aufgrund der Lansing-Note dazu veranlasst, Wilhelm II. zum Thronverzicht aufzufordern. Stattdessen floh der Kaiser auf Anraten und mit Hilfe der OHL ins Hauptquartier nach Spa.[Anm. 5] Dies bedeutete, dass sowohl die Militärführung als auch der Kaiser trotz formaler Einführung der parlamentarischen Monarchie diese Entwicklung rückgängig machen wollten. Nach dem Urteil Hans-Ulrich Wehlers war dies „das Liebäugeln mit dem Staatsstreich“. In völliger Fehleinschätzung der Lage löste außerdem die Seekriegsleitung am 29./30. Oktober durch ihren Befehl an die Flotte, zu einem letzten Kampf gegen England auszulaufen, die Revolution in Gang. Dieser eigenmächtige Befehl war eine Anmaßung gegenüber der politischen Führung. Die Folge war die offene Meuterei und Befehlsverweigerung der Matrosen, die zu einer Kettenreaktion führte, insofern sich der Aufstand von Norddeutschland aus rasch auf das ganze Land ausbreitete und in allen größeren Städten Fuß fasste. Durch die Vereinigung mit den Arbeitern bildeten sich fast überall Arbeiter- und Soldatenräte.[Anm. 6] Die SPD-Führung unter Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann forderte mehrfach den Rücktritt des Kaisers, da sonst die Revolution unvermeidlich sei. Auf eigene Faust gab daraufhin Max von Baden die Abdankung Wilhelms II. bekannt und übergab die Regierungsgeschäfte an Ebert. Scheidemann rief von der Terrasse des Berliner Reichstags die Deutsche Republik aus, der Kaiser floh ins holländische Exil. Aus der revolutionären Bewegung ging am 10. November 1918 die Interimsregierung des Rates der Volksbeauftragten unter dem Vorsitz Friedrich Eberts hervor. Dieser „Rat“ bestand aus jeweils drei Mitgliedern von SPD und USPD. Seine Basis bildeten die Arbeiter- und Soldatenräte, die die Regierung des Rates der Volksbeauftragten bestätigten und somit legitimierten.[Anm. 7]

Die Monarchien im Reich und in den deutschen Ländern waren gestürzt. Ebert und seine Kollegen mussten in der Phase des Übergangs bis zur Wahl einer verfassunggebenden Nationalversammlung, die so bald wie möglich stattfinden sollte, gravierende Probleme lösen. Dazu zählten vor allem die Verhütung einer Hungersnot durch die Sicherung der Lebensmittelversorgung, die Demobilmachung der vielen von der Westfront zurückströmenden Soldaten und das Ringen um die politische Zukunft Deutschlands.[Anm. 8]

Anmerkungen:

  1. Vgl. Winkler, Der lange Weg nach Westen (2002), Bd. 1, S. 363ff. Zurück
  2. Ebd., S. 366. Zurück
  3. Vgl. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte (2008), Bd. 4, S. 174-197. Zurück
  4. Winkler, Der lange Weg nach Westen, Bd.1, S. 366. Zurück
  5. Vgl. im Folgenden Wehler, S. 182-195. Zurück
  6. Vgl. dazu den Beitrag von Silke Olbrisch im vorliegenden Band. Zurück
  7. Wehler, S. 194. Zurück
  8. Vgl. dazu den Beitrag von Margit Rinker-Olbrisch im vorliegenden Band. Zurück