Hachenburg im Westerwald

Die Hachenburger Gemarkung

Mit der Gründung des Ortes Hachenburg wuchsen die um den Siedlungskern angelegten Wiesen, Felder, Heiden sowie die für die Holzgewinnung und Schweinmast genutzten Waldflächen zu einer Gemarkung zusammen. Zur Unterscheidung einzelner Bereiche der Gemarkung entstanden neben älteren geographischen Bezeichnungen die Flurnamen. Diese Entwicklung beginnt während des 14. Jahrhunderts[Anm. 1] und setzt sich im 15. Jahrhundert fort. Ein gewisser Abschluss der Entwicklung war gekommen, als am 20. Juni 1567 die Hachenburger Gemarkung (Mark) erstmals ausdrücklich genannt wurde.[Anm. 2]
Die genauen Kenntnis der Gemarkungsverhältnisse war für die Bewohner von essentieller Bedeutung. Nur so war es möglich, Besitz- und Rechtsverhältnisse sowie die Grenzverläufe festzulegen und zu bewahren. Die Zeitgenossen kannten sich in der Gemarkung bestens aus und gaben ihre Kenntnisse mündlich an die jüngere Generation weiter. Immer wieder wurden Gemarkungsbegehungen unternommen. Eine solche Inspektion entlang der Hachenburger Gemarkungsgrenze ist 1479 bei Marienstatt überliefert. An ihr nahmen Vertreter der Abtei, des Grafen Gerhard und des Landgerichtes teil.[Anm. 3]
Kurz nach der großen Pestepidemie 1636 zogen der gräfliche Schultheiß Hans Gerhard Birckenbeuel, Stadtbürgermeister Antonius Frantz (Frautz?) sowie die Schöffen Bernhardt Enspelern und Caspar Pack und Peter Graseiffen (?) (Fraseisen?) durch die Gemarkung. Von der Stadtgemeinde waren acht Herren mit dabei.[Anm. 4] Grund der Begehung war, dass während der Seuche vor allem ältere Bürger gestorben waren, und den jungen Leuten die Gemarkungsverhältnisse erklärt werden mussten.

Gemarkungsbeschreibung 1637

Da man gesehen, wie unsicher es war, allein auf eine mündliche Überlieferung der Rechtsverhältnisse zu vertrauen, fertigte Stadtschreiber Johann Henrich Heldt 1637 "eine richtige, beständige und gewissenhafte Beschreibung" der Gemarkung an, die er aus den Stadturkunden, den schriftlichen Dokumenten und anderen Unterlagen zusammenstellte.[Anm. 5]

Heldts Beschreibung begann: "Angefangen von dem Eisenweg, welcher von der Nistermühle herauf zum Wetterkreuz (wetterkreütz) zugeht, nach Fischborn zu, welcher Weg dann jederzeit von den Alten der Eisenweg genannt wurde. Dieser Weg war die Grenze, über den hinaus die Hatterter und Müschenbacher nicht berechtigt sind, ihr Vieh zu hüten. Sollten sie das trotzdem tun, laufen sie Gefahr, ihr Vieh gepfändet zu bekommen [...] [Anm. 6]

Weitere Begehungen im 17. Jahrhundert

Den Hachenburgern ging es bei solchen Begehungen nicht nur um eine Bestandsaufnahme, sondern vornehmlich auch darum, die Weidegerechtigkeiten gegenüber den Nachbargemeinden abzugrenzen.
Ein weitere Gemarkungsbegehung ist 1690 überliefert. An ihr nahmen Oberforstmeister von Knoch, Amtsverwalter Johann Wilhelm Grün und Oberjäger Thomas Schmidt teil. Damals ging des um einen Streit zwischen der Stadt Hachenburg und angrenzenden fürstlich-nassau- und gräflich-kirchbergischen Dörfern und Kirchspielen.[Anm. 7]
Bei der Begehung am 2. Juni 1752 war man erneut bemüht, jungen Mitbürger mit den komplizierten Verhältnissen vertraut zu machen. Am Gang beteiligt waren der Rat, 20 Bürger und 15 junge Hachenburger. Man sah sich gemeinsam die Grenzsteine an. Im Wald wurde ein zünftiges Mittagessen mit Weck und Branntwein eingenommen und abends traf man sich zum Abendessen.[Anm. 8]
1753/1754 besah man sich zusammen mit den Vertretern aus Alpenrod und Marienstatt einen strittigen Grenzbereich an.[Anm. 9] Am 28. September 1762 ist eine Begehung bezeugt, an der wie üblich 20 junge Bürger teilnahmen. Auch in diesem Jahr wurde das Ereignis mit einem Abendessen auf Kosten der Stadt angeschlossen.[Anm. 10]

Absteinung der Gemarkung

Wann die Hachenburger begannen, ihre Fluren abzusteinen, ist nicht bekannt. Angesichts der zahlreichen Weidestreitigkeiten mit den Nachbargemeinden Hattert, Müschenbach, Korb, Alpenrod und Gehlert, darf man aber annehmen, dass zumindest Teile der Gemarkung seit dem 14. Jahrhundert durch Grenzsteine kenntlich gemacht worden waren. Als es 1393 in einer testamentarischen Verfügung heißt in der Seilbach nyder dem steyn[Anm. 11] könnte dies ein erster Hinweis auf einen Gemarkungsstein sein. Ausdrücklich genannt werden Absteinungen aber erst 1707, als man erfährt, dass das Feld unten uff der Holtzbach abgesteinet war.[Anm. 12] 1734/1735 werden zwei (neue?) Steine zwischen Hachenburg und Alpenrod gesetzt.[Anm. 13] Als man um 1800 eine Begehung der Gemarkungsgrenzen zwischen Hachenburg und Gehlert vornahm, fing man oben an der Marr an der herrschaftlichen Brunnenleitung an, wo ein gehauener Trunnstein stand, welcher das Hachenburger und Marienstädter Eigentum schied. Er war gegen Osten mit H.B., gegen Norden mit "H.B." und gegen West mit "M.H." bezeichnet. Bei der herrschaftlichen Brunnenkammer stand ein in gleicher Weise beschrifteter Stein.[Anm. 14]
Als man 1794 nach fast 100 Jahren eine komplette Gemarkungsbegehung vornahm, um die Terminey-, Hut und Triftgrenzen festzulegen,[Anm. 15] wurden besondere Grenzpunkte mit "rauhen Steinen" gekennzeichnet. Wenn es nötig wurde, wollte man diese durch gehauene Steine ersetzen. Abgesteint wurde nach festem Maß durch den herrschaftlichen Förster Ludwig Müller aus Kroppach. Gebräuchlich war damals die Rute, deren 144 auf einen Morgen gehen, jede 16 Schuh, und jeder Schuh 12 Zoll rheinisch enthält. Umgefallene Steine wurden wieder aufgerichtet, verkommene und alte wieder ergänzt. Die vollkommen neu gesetzten Steine wurden unter Zeugen mit zwei zueinander passenden Stücken eines Sandsteins gekennzeichnet, und bei jedem Stein die Farbe des beigelegten Sandsteins vermerkt. Alle Steine wurden mit schwarzer Farbe fortlaufend nummeriert. Aufgezeichnet wurden sowohl die Ziffern, unter denen die Steine in den seit der letzten Grenzbeschreibung von 1699 geschlossenen Verträgen benannt worden waren, als auch jene Nummern, mit denen die Steine dieses Mal bezeichnet wurden. Auch die Entfernung der Steine der 186 Steine voneinander wurde penibel festgehalten.[Anm. 16]

Vermessung der Gemarkung und Einführung von Lagerbüchern

Mitte des 18. Jahrhunderts hielt der Fortschritt auch in der Hachenburger Gemarkung Einzug, als man dazu überging, die Gemarkung genau vermessen zu lassen. Zunächst nahm 1762/63 Landmesser Türck, Präzeptor der Altstadt, Vermessungsarbeiten am herrschaftlichen Schafhof vor.[Anm. 17] 1765/66 vermaß Landmesser Staat die Gemarkung und trug die Werte in ein Lagerbuch ein. Die Sache war aufwändig, der Landmesser erhielt 169 Gulden. Bongeroth band das Lagerbuch für 4 ½ Gulden.[Anm. 18] Dieses erste (?) Lagerbuch konnte bisher nicht aufgefunden werden.[Anm. 19] 1788 war für Vermessungsarbeiten in der Stadt seit vielen Jahren Präzeptor Schäfer zuständig.[Anm. 20] Am 7. Oktober 1791 beschloss das Stadtgericht, die vielen Stadtgüter, die nirgends beschrieben waren, nebst den Anliegern in das Lagerbuch eintragen zu lassen. Die Arbeiten wurde den Herren Sartor, Rudolph und Häusser übertragen.[Anm. 21]

Größe der Gemarkung

Die Stadt Hachenburg hat mit 1327 ha eine ungewöhnlich große Gemarkung. Dies erklärt sich zum Teil daraus, dass die Fluren der ehemaligen Siedlungen Arfelden, Alte Hof und Horhausen und der ursprünglich wohl ebenfalls selbständigen Siedlungen Kleeberg, Brendershof und Derschen der Gemarkung zugeschlagen wurden.
Von den 5.464 Morgen der Gemarkung waren 1828 insgesamt 2.030 Morgen Wald, 488 Morgen Driesch und Weide, 77 Morgen waren "steriles Land" oder wurden von Wegen eingenommen. 17 Morgen und 7 Ruthen umfasste der mit Gebäuden bedeckte Bereich der Stadt. Genutzt wurden 1828 insgesamt 1.833 Morgen als Acker, als Wiesen 909 und als Garten 110 Morgen. Schon daraus ist zu entnehmen, welche Bedeutung der Acker- und Gartenbau für die kleine Ackerbürgerstadt hatte.[Anm. 22]
1997 bestand die Gemarkung aus 6.894 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche, 8.370 ha Wald, 255 ha Wasserflächen, 1.470 ha Bau- bzw. Verkehrsfläche und 244 ha Grünflächen 244 ha.

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.


Anmerkungen:

  1. Am 14. Juli 1393 wird neben dem Hirzbach und dem Korber Weg, ein Stück Land "in der Rodenbach" genannt das "Aple"-Stück erwähnt (Brommer, Inventar S. 4 Nr. 11). Zurück
  2. Brommer, Inventar Nr. 125. Zurück
  3. Struck, Cistercienserkloster Nr. 1228 und 1232 zum 11.10.1479. Zurück
  4. Es waren Stadtschreiber Johann Henrich Heldt, Hans Gerhardt Bierbrauer, Clauß Schropf, Hans Erber Grün, Peter Stutger, Thomas Kreidt (Kindt?), Theiß Grißbach (Geißbach) und Anastasius Hoffman (HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 fol. 81). Zurück
  5. HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 fol. 57-82: Söhngen S.85. Vgl. Gensicke, Geschichte S. 52.  Zurück
  6. So ist dies 1617 mit einem Hammel geschehen, den die Hatterter dann auslösen mussten, ebenso der Hatterter Schöffe Godert, dem am 24.4.1630 beschieden wurde, dass er über den Eisenweg und den alten Graben nicht hüten dürfe. Auch der Mühlbacher Gemeinde war es nicht erlaubt, jenseits des Eisenweg ihr Vieh zu hüten. Auch sie sind deswegen schon mehrfach gepfändet worden] Und weiter berichtete Heldt: Die Holtzbach, wie auch langß das Rothe Kleb herauf biß wiederumb an den Orth bei dem seiffen untig Kathrinen Wießgen. Um diesen Weg gebe es keinen Streit, fügt Heldt hinzu, also sei es unnötig ihn näher zu beschreiben. Und weiter: Die Corber haben mit ihrem Vieh nur eine Durchtrifft obigt Hellts Wäldgen. [...] Die Bürgerschaft hat niemals gelitten, dass die Alpenröder die Schneidershecken zu Hainen verteilt oder in Geisfeldern zum Wald geschneiselt. [...] Vorn am Rothen Kleb hat die Stadt jederzeit oben an den Wiesen am fuhrweg und der holen einen Schlag gehabt und gehalten, davon zum Wahrzeichen noch der Pfeiler in der Erde steht. Der Schlag war demnach 1637 schon nicht mehr vorhanden. Obigt des Pastors Hoff, in der Straß, hat die Stadt jederzeit einen Schlag gehalten, der Bürgermeister den Schlüssel gehabt und in Notfällen schließen lassen, nicht nur wegen des Zolles, sondern auch, dass den Bürgern nicht schade an ihren Früchten geschehe.ANM>HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 pag. 57-82 zu 1637). Zurück
  7. HHStAW Abt. 340 Nr. 1183 b fol. 2 und fol. 18v. vom 10.5.1690. Zurück
  8. Söhngen S. 143. Zurück
  9. Söhngen S. 144. Zurück
  10. Söhngen S. 152f. Ähnliches spielte sich bei einer Begehung im Jahr 1773/74 ab (Söhngen S. 162). Zurück
  11. Brommer, Inventar Nr. 12. Zurück
  12. Söhngen S. 125 zum 22.4.1707. Zurück
  13. Söhngen S. 130.  Zurück
  14. HHStAW Abt. 342 Nr. 901 zu 1794, 1802-1804. Zurück
  15. Beschreibung der Stadt Hachenburg, Terminey-, Hut und Triftgrenzen, wie solche am 27.6.1794 und folgende Tage von Magistrat, Bürgerschaft und den angrenzenden Dorfgemeinden begangen worden. (HHStAW Abt. 342 Nr. 931). Zum letzten Mal sei die Gemarkung – so heißt es - am 26.5.1699 "offiziell" begangen worden. Anwesend waren die für die Gemarkung zuständigen städtischen Beamten, sowie ältere und junge Bürger der Stadt. Zurück
  16. LHAKo Best. 620 Nr. 1338. Vgl. die Grenzbeschreibung vom 1794 zwischen Hachenburg und Marienstatt (HHStAW Abt. 342 Nr. 931). Zurück
  17. Söhngen S, 154. Zurück
  18. Söhngen S. 156. Zurück
  19. LHAKo Best. 620 Nr. 2153ff. Erhalten sind im Landeshauptarchiv Koblenz die Lagerbücher der Stadt Hachenburg zwischen 1860-1864. Überliefert sind auch einige Forstlagerbücher. Zurück
  20. Söhngen S. 178. Zurück
  21. Söhngen S. 180. Zurück
  22. HHStAW Abt. 1001 Nr. 634; Gensicke, Geschichte S. 54. Zurück