Hachenburg im Westerwald

Von der Uhrmacher-Dynastie Roetig zu den Bonn

Das Uhrmacherhandwerk hat in Hachenburg eine lange Tradition. Wohl seit Beginn des 18. Jahrhunderts machte sich die Uhrmacherfamilie Roetig einen Namen in der Stadt.

Johann Albert wurde im Jahr 1718 geboren und ist der erste bezeugte Hachenburger Uhrmacher dieses Namens. Er war mit Anna Christina Bitzer verheiratet. Vermutlich ist die im Prager Museum für Technologie befindliche Cercle-Tournant-Uhr ein Werk Johann Alberts. Von ihm stammt wohl auch die Standuhr (1783) mit dem Signaturschild „JA Rötig 1783“, die sich im Besitz der Familie Bonn befindet. Johann Albert starb 1787 und hinterließ sechs Kinder.[Anm. 1]
Johann Anton Roetig wurde am 11. Januar 1750 in Hachenburg geboren. Er war zunächst bei der Fa. Kinzig & Co. in Neuwied tätig und galt dort als Spezialist für Flöten- und Harfenwerk in Musikuhren. Er heiratete in Neuwied Magdalena Manderscheid. Nach der Schließung der Firma Kinzig zog Johann Anton um 1780 zurück in seine Heimatstadt Hachenburg und eröffnete dort eine Uhrmacherwerkstatt. Von ihm sind Bodenstanduhren (Neuwieder Uhren) erhalten, die er für Bürgerfamilien fertigte. Den hohen Stellenwert seiner Handwerkskunst verdeutlicht die Tatsache, dass im Jahr 1782 der Grafen zu Wied eine "Uhr à la Franklin" für 16 Reichsthaler bei ihm kaufte. Außer "ordinairen Wanduhren" fertigte er komplizierte Spieluhren mit Flöten und Saiteninstrumenten. Johann Anton starb am 10. Oktober 1800 im Alter von 50 Jahren.
Sein Sohn Friedrich Wilhelm war am 28. Mai 1782 in Hachenburg geboren worden. Er heiratete am 31. Juli 1810 Maria Magdalene Lorsbach. Auch er war als Uhrmacher und Optiker tätig, eine zu dieser Zeit häufig anzutreffende Berufskombination. Er soll 1830 ein Knieharmonium geschaffen haben, von dem ein Torso im Schlossmuseum (heute Landschaftsmuseum) aufbewahrt worden ist.[Anm. 2]
Eine Besonderheit seines handwerklichen Könnens stellt die Fensterpendeluhr dar, die er 1805 in Hachenburg für sein Wohnhaus am Markt fertigte, das gleichzeitig auch seine Werkstatt beherbergte.
Bei diesem sog. Freischwinger bilden Pendel, Pendelgewicht und Uhrwerk eine funktionelle technische Einheit. Die Uhr zeigt vorne und hinten auf einem Ziffernblatt die Zeit an. Sie hat ein sog. 8-Tage-Werk, d.h. die beiden Federhäuser müssen alle acht Tage aufgezogen werden.[Anm. 3] Die "Roetig-Uhr" gilt aufgrund ihrer Ausführung und Entstehungszeit als weltweit einmalig und steht unter Denkmalschutz. Als das Fachwerkhaus aus dem Roetigschen Besitz in andere Hände kam, hielten sich zunächst Gerüchte, dass die Uhr verkauft werden sollte. Doch entsprechende Befürchtungen bestätigten sich nicht. 1992 wurde die Uhr zur Handwerkerausstellung nach Koblenz ausgeliehen. Heute gilt sie als ein Wahrzeichen der Stadt und ein Denkmal für die traditionsreiche Uhrmacher- und Handwerkerkunst.[Anm. 4] Das kostbare Schnitzwerk mit dreistufigem Fächerornament, das die Fensternische umgibt, in der sich diese wunderbare Uhr befindet, wurde um 1900 gefertigt.
Hachenburgs berühmtester Uhrmacher starb am 30. Juni 1861 in seiner Heimatstadt. Sein Sohn Friedrich Emil (geb. 14.3. 1814) setzte die Tradition der Familie fort. Er heiratete am 9. Oktober 1854 Anna Katharina Rößgen. Als Uhrmacher beschäftigte sich Friedrich Emil vor allem mit der Herstellung von Kleinuhren. Er brachte das Kunststück fertig, ein Uhrwerk in einen Preußischen Taler einzubauen. Friedrich Emil stellte auch Sägeuhren her. Die Schwerkraft ließ diese, an einer senkrechten Zahnstange befestigten Uhren, langsam nach unten gleiten und blieben auf diese Weise in Gang. War das Werk unten angelangt, schob man es wieder nach oben und die Uhr war wieder aufgezogen. Zwei dieser Sägeuhren, eine fertige und eine unvollendete sollen noch lange Jahre in Hachenburg aufbewahrt worden sein. Sie befinden sich heute in Privatbesitz. Friedrich Wilhelm lebte von seiner Geburt bis zu seinem Tod am 28. April 1863 in Hachenburg.
Friedrich Wilhelm hinterließ einen Sohn Friedrich Joseph (geb. 1857), der die Familientradition aufrecht erhielt, bis er 1927 einundsiebzigjährig und ohne Kinder zu hinterlassen in Hachenburg starb.
Sein Vermögen wurde durch die Inflation aufgezehrt und alles was er sonst besaß, wurde durch Erbstreitigkeiten zersplittert. Seine Bibliothek und vor allem die verbliebenen Uhren wurden während des 2. Weltkrieges zerstört.
Die Hachenburger Uhrmachertradition setzte Ludwig Bonn fort, der sein Handwerk bei Friedrich  von der Pike auf gelernt hatte. Er übernahm Teile der Werkstatt und gründete sein eigenes Unternehmen. Ihm folgten Karl Ludwig und sein Sohn Andreas Bonn, sodass heute das Bonnsche Uhrmacher- und Brillenhandwerk in der Wilhelmstraße in der 3. Generation in Hachenburg vertreten.[Anm. 5]

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.


Anmerkungen:

  1. Beide genannten Arbeiten könnten auch von seinem Sohn Johann Annton stammen. Viele Angaben zum nachfolgenden Abschnitt verdankt der Autor Karl Ludwig Bonn, der seine noch unveröffentlichen Forschungen zur Hachenburger "Uhrmachergeschichte" bereitwillig zur Verfügung gestellt hat. Zurück
  2. Nach Auskunft von Karl Ludwig Bonn lässt die Verarbeitung des Instruments (auch die Tastengröße, kleine Häkchen an den Seiten) vermuten, dass es auswechselbares Teil einer Spieluhr gewesen ist. Zurück
  3. Vgl. Struif, Zeitspuren S. 146 und 149 zur Funktionsweise. Zurück
  4. WWZ vom 11.01.1993. Zurück
  5. Lübke; http://www.uhrenhanse.de (19.7.2009); http://www.uhrmacherverzeichnis.de (19.7.2009); Kwasnik/Trautmann, Denkmäler S. 20. Der Uhrenverkauf 1782 nach Lübke, der einen inzwischen verschollenen Beleg aus dem Archiv zu Wied benutzte. Zurück