Hachenburg im Westerwald

Prozessionen und Wallfahrten in Hachenburg

Seit frühester Zeit veranstaltete die Kirche Prozessionen und Wallfahrten zu verschiedenen Zielen. Dies änderte sich 1560 mit dem Einzug der Reformation in Hachenburg. Jetzt bekämpfte man den "Aberglauben" der Baptistischen Kirchen undt Kloster als abscheuliche abgotterei  und stellte namentlich Wallfahrten an gewisse Oerter unter Strafe.[Anm. 1] Im Zuge der "Rekatholisierung" Hachenburgs nach 1636 unter dem katholischen Grafen Salentin Ernst hielten dann Prozessionen wieder Einzug in das Stadtleben.

Prozession nach Marienstatt

Im Jahr 1463 hören wir das erste Mal davon, dass es üblich war, zweimal im Jahr eine Prozession nach Marienstatt zu veranstalten. Am 29. Juni (Peter- und Paulstag) und am 28. Oktober (Simon und Juda) machten sich die Wallfahrer mit dem hilligen sakramente auf den Weg zum Kloster. Die Stadt stiftete jeweils zu Ehren unßer leben frauwen eine Wachskerze, die sog. Stadtkerze.[Anm. 2] Während die Prozessionstage keinesfalls festgelegt waren,[Anm. 3] blieb die Stadtkerze selbstverständlich.[Anm. 4]
Die Prozession nach Marienstatt wurde nach dem Einzug der Reformation im Jahr 1560 auf Druck der protestantischen Grafen aufgegeben,[Anm. 5] lebte aber mit der "Rekatholisierung" Hachenburgs wieder auf.
Das schnelle wieder selbstbewusste Auftreten der Katholiken löste bei der protestantischen Bevölkerung Unwillen aus. Als die Patres des Klosters am 6. Juni 1656 eine solche Prozession nach Marienstatt planten, trafen sie sich nicht wie bisher vor der Stadt, sondern zogen mit "fliegenden Fahnen" durch die Stadt. Als Graf Salentin Ernst davon erfuhr, tadelte er die Patres heftig und bedrohte sie mit Ausweisung. Er war wohl mit der Prozession einverstanden, nicht aber mit einer Präsentation, die den 1648 beschlossenen Religionsfrieden stören konnte.[Anm. 6]

Lichtmess-Prozession

In Hachenburg ist eine Prozession mit dem hl. Sakrament am 2. Februar 1496 überliefert.[Anm. 7] An diesem Tag wurde das alttestamentarisch begründete Reinigungsfest der Maria (Purificatio Marie) bzw. Lichtweihe (Lichtmesse) gefeiert. An diesem Tag wurden die Kerzen für die Kirchen geweiht, auch brachten die Leute Kerzen für den häuslichen Gebrauch in die Kirche, um sie segnen zu lassen. Mit diesen Kerzen wurde in der dunklen Jahreszeit das Gebetbuch beleuchtet, zuweilen auch mit schwarzen Wetterkerzen Unwetter abgewehrt.

Prozession zur Bartholomäuskirche

Im 15. Jahrhundert zogen die Bürger der Stadt Hachenburg am 24. August (Bartholomäustag) in feierlicher Prozession mit dem hl. Sakrament von der Katharinen- zur Bartholomäuskirche in der Altstadt.[Anm. 8]. Im Jahr 1495 fand diese Prozession am 19. August, dem Laurentientag, statt.[Anm. 9] 1511 ist diese Prozession für den 2. Mai (Speer- und Kronentag) überliefert.[Anm. 10]

Fronleichnamsprozession

Im Jahr 1463 wird erstmals von der Fronleichnamsprozession berichtet. Die Bürger gingen in der Prozession myt unßerm herren Gode um die Stat[Anm. 11] und verrichteten ihre Gebete an den vier Heiligenhäuschen [siehe dort] und erhielten dort den Segen. Der Graf und seine Mannen, die Bruderschaft [siehe dort] die Schöffen, der Schultheiß und der Bürgermeister nahmen an der Prozession teil. Am Nachmittag fand ein Volksfest statt, bei dem auch die Priester anwesend waren. Sie erhielten aus der Stadtkasse ihren Wein bezahlt.[Anm. 12]
1559 gingen die Hachenburger, vorerst zum letzten Mal, mit der Fronleichnamsprozession.[Anm. 13] Mit der "Rekatholisierung" Hachenburgs wurde auch die Fronleichnamsprozession zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt wieder ins Leben gerufen. In Erinnerung an die ehemaligen Heiligenhäuschen gestaltete Gehlert einen ersten Altar, Altstadt den zweiten, Nister den dritten und Hachenburg den vierten Altar.[Anm. 14]
Die Fronleichnamsprozession findet ehute noch statt. Eine Prozession führt auch heute noch von Marienstatt aus nach Marienthal.[Anm. 15]

Prozession nach Marienthal am Himmelfahrtstag 1708

Am Himmelfahrtstag pflegte die Hachenburger Gemeinde eine Prozession zum Kloster Marienthal zu veranstalten. Nach einer Unterbrechung während der Reformation fand vielleicht schon im späten 17. Jahrhundert, mit Sicherheit aber im 18. Jahrhundert wieder eine Prozession an Himmelfahrtstag statt. Dabei kam es zu einem Vorfall, der landesweit Aufsehen erregte.
Aus einem Brief der Gräfin Sophie Amalie vom 21.5.1708 ist zu erfahren, dass es am 17. Mai 1708 bei der Prozession nach Marienthal im Dorf Eichelhardt zu einem schweren Zwischenfall kam. Katholische Geistliche, Mitglieder des Konvents des Klosters und andere Prozessionsteilnehmer waren gewaltsam in Eichelhardt eingedrungen. Dort scheinen sie die Einwohner mit schlägen und schelten tractiret [zu] haben. Außerdem hätten sie, so der spätere Vorwurf, die Eichelhardter mit ihren wehenden Fahnen und ihrem lautem Gesang gegen sich aufgebracht. Was war geschehen?
Die Prozession bestand aus 300-400 Mann, die mit vier Fahnen und unter lautem Singen nach Marienthal zogen. Dabei benutzen sie nicht den Weg, sondern man marschierte quer durch ein Kornfeld. Der Besitzer, Johann Schumacher, protestierte und sagte der Gesellschaft, sie solle nicht durch sein Korn laufen, schließlich sei ganz in der Nähe ein breiter Weg. Da sei einer aus der Hachenburger Truppe auf ihn zu gesprungen und habe gesagt, er solle seinen Hut abnehmen. Offensichtlich ließ Johann sofort die Fäuste sprechen, floh dann aber nach Eichelhardt. Etliche Prozessionsteilnehmer setzten ihm nach, stellten ihn und schlugen ihn blutig. Andere Hachenburger drangen dann offensichtlich in den Ort ein und verprügelten, was ihren Weg kreuzte. Wer sich nicht verkriegen können, hette müßen haar laßen, berichtete ein Augenzeuge. Auch Frauen, Kinder und alte Männer seien geschlagen worden. Es seien sogar Steine geflogen, die Haustür des Hans Peter Schneider aus den Angeln gerissen worden. Eine unbeteiligte Frau sei zu Boden gerissen worden, einer der Angreifer habe sich auf ihren Kopf gestellt und ihr hinder, ihr hinder, schlagt drauf, schlagt drauf gerufen. Man könne keinen Täter namentlich identifizieren, nur den Geistlichen, der sogar mit seinem Hirtenstock mehrmals zugeschlagen habe, erkenne man wieder.
Natürlich untersuchte die gräfliche Kanzlei diesen unerhörten Vorgang an, leider ist der Fortgang der Anklage nicht überliefert.[Anm. 16]### Das hinderte die Katholiken aber nicht daran, diese Prozession alljährlich zu veranstalten. Noch 1770, 1771 und 1772 regte man sich in der Kanzlei Altenkirchen über das provokante Auftreten der Wallfahrer auf, vor allem weil die Prozession nicht die öffentlichen Wege benutzte, sondern den kürzesten Weg querfeldein nahm.[Anm. 17]

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.


Anmerkungen:

  1. Söhngen S. 245. Zurück
  2. Den vier beteiligten Priestern wurden für ihre Mühe 4 ½ Quart Wein ausgeschenkt (Söhngen S. 37; Gensicke, Geschichte S. 71). Im Jahr 1488 stiftete die Stadt wie üblich die Stadtkerze (Söhngen S. 43). Zurück
  3. 1489 fand die Prozession am 29. September (Michelstag) statt ( Rechnung des Bürgermeisters Konrad Stauffenburg 1489/90 (HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 2)). 1495 ging man am 21.10. (11.000 Mägdetag) (Rechnung des Bürgermeisters Johann Vait(z) 1495/96 (HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 2)). 1511 und auch 1530 fand die Prozession jeweils am 28.7. (Panthalonstag) statt. Zurück
  4. Söhngen S. 235 zu 1511 und S. 49 zu 1530. Zurück
  5. Söhngen S. 225; Festschrift zum 400-jährigem S. 11; Backes, Hachenburg S. 10. Zurück
  6. Haselbeck, Franziskaner S. 135; vgl. Söhngen S. 278; Jäger, Einblicke S. 36. Zurück
  7. Rechnung des Bürgermeisters Johann Vait(z) 1495/96 (HHStAW Abt 360 Hachenburg Nr. 2). Zurück
  8. Becker, Geschichte Pfarrei. Zurück
  9. Rechnung des Bürgermeisters Johann Vait(z) 1495/96 (HHStAW Abt 360 Hachenburg Nr. 2). Zurück
  10. Söhngen S. 235. Zurück
  11. Söhngen S. 37. Zurück
  12. Söhngen S. 225. Zurück
  13. Becker, Geschichte Pfarrei. Zurück
  14. Becker, Katholische Pfarrei S. 119 mit Einzelheiten zum Prozessionsweg. Zurück
  15. Befragung Henning Schneider (Stadtarchiv Hachenburg) Zurück
  16. HHStAW Abt. 31 Nr. 24 fol 1ff.; ebd. Abt. 340 Akten Nr. 4032; Söhngen S. 285. Zurück
  17. HHStAW Abt. 31 Nr. 24 fol. 6. Vgl. Jäger, Einblicke S. 36. Zurück