Hachenburg im Westerwald

Hachenburg und die Stadtrechte vom Jahr 1314

Am 16. Dezember 1314 erhielt Hachenburg die Stadtrechte vom König verbrieft. Zu dieser Zeit war die Stadt schon seit vielen Jahrzehnten im Besitz sämtlicher Attribute einer Stadt. Die (lateinische) Urkunde des Königs Ludwig der Bayer hatte folgenden Wortlaut:

"Ludwig, von Gottes Gnaden König der Römer, allzeit Mehrer des Reiches, entbietet allen Getreuen der Heiligen Römischen Reiches, die die vorliegende Urkunde lesen werden, seine Huld und alles Gute.
Wenngleich Wir für die Interessen und Vorteile der Ergebenen und Getreuen des Reiches huldvoll Sorge tragen und ihren Bitten geneigtes Ohr schenken, so haben wir doch gerade hierdurch diese selbst unter günstigen Zeitverhältnissem in ihrer beständigen Ergebenheit und Treue Uns und dem Reich gegenüber bestärkt. Indem wir also die Gesinnung aufrichtiger Ergebenheit und die Reinheit der Treue beobachten, sowie vor allem die nutzbringenden Dienste, die für Unsere Hoheit und Herrschaft der edle Graf Gottfried [II.] von Sayn, Unser Geliebter und Getreuer, bisher aufgewendet hat, so halten wir es für angebracht, dass Wir deshalb nicht allein ihm selbst, sondern auch seinen Untertanen gegenüber in der Erweisung von Gunstbezeugungen und dementsprechenden Ehren uns freigebig erweisen.
Weil wir daher im Hinblick auf das oben Gesagte dem genannten Grafen eine besondere Gunst erweisen wollen, so willfahren wir seinen ergebenen und inständigen Bitten und verleihen und schenken kraft der Fülle Unserer Königlichen Majestät den folgenden Städten und Plätzen, nämlich Hachenberg, Altenkirchen und Weltersberg und den Leuten beiderlei Geschlechts, die jetzt oder in Zukunft wohnen werden in eben diesen Städten, die, wie man weiß, ihm gehören, alle Freiheiten, Rechte und Ehren, deren sich Unsere Stadt Wetzlar und andere Städte des Reiches ebenda erfreuen und immer erfreut haben, indem wir durch Beglaubigung dieser Urkunde verfügen, dass sie sich derselben erfreuen und sie genießen.
Keinem überhaupt also soll es erlaubt sein, diese Urkunde unseres Zugeständnisses oder unserer Schenkung ungültg zu machen oder ihr mit übermütiger Anmaßung zuwiderzuhandeln. Sollte sich aber einer unterstehen, dieses anzufechten, so wisse er, dass er sich unsere schwere Ungnade zuziehen wird. Zur Bekräftigung dessen haben wir diese Urkunde verfassen und sie mit unserer Majestät Siegel versehen lassen.
Gegeben zu Bacharach am 16. Dez. im Jahr des Herrn 1314 in der 13. Indiktion, aber im ersten Jahr Unserer Regierung.

Bemerkungen zu den Stadtfreiheiten

Stadtfreiheiten waren nicht normiert und konnten in den einzelnen Teilen des Reiches höchst unterschiedlich ausfallen. Es war eine Frage der Machtverhältnisse und der politischen Begleitumstände, der die Stadtherren dazu brachte, ihren Städten gewisse Rechte und Freiheiten zuzugestehen.
So gehörte etwa das Recht, ein Siegel und ein Wappen führen zu dürfen, zu den Stadtfreiheiten. Die Stadt durfte Verträge schließen und bezeugen. Städte konnten sich mehr oder weniger selbst verwalten, einen Bürgermeister wählen und einen Stadtrat ernennen. Die Stadt durfte sich Vorschriften geben. Ein eigenständiges Stadtgericht pflegte die innerstädtischen Belange zu ordnen. Die Einwohner der Stadt durften nur vor diesem Stadtgericht angeklagt werden. Wollte sie jemand von außerhalb rechtlich belangen, musste er dies in der Regel in der Heimatstadt des Beklagten tun. Zu Stadtfreiheiten zählte gewöhnlich auch das Recht, Märkte abzuhalten und Gebühren (Binnenzölle, Marktgelder, Wetten, Frevelgelder, Akzisen u.ä.) zu kassieren.
Wichtiges Vorrecht der Stadtbewohner war es, dass sie nicht von auswärtigen Leibherren beansprucht werden durften. Wer "Jahr und Tag" in der Stadt wohnte, konnte alle Merkmale einer persönlichen Unfreiheit abstreifen, unter denen er früher einmal gestanden haben mochte. Wer durch die "Stadtluft" frei geworden war, unterlag keinen Reisebeschränkungen, Ehevorschriften u.ä. Er konnte über sein Eigentum frei verfügen bzw. es an seine Kinder vererben.
Die Bürger einer Stadt durften vom Stadtherrn in der Regel nicht zu kostenlosen Dienstleistungen (Frondiensten) herangezogen werden, zu denen Nicht-Städter zumeist verplichtet waren. Sie mussten für ihren Herrn kostenlose Ackerdienste leisten, Bauleistungen erbringen oder Fuhrdienste übernehmen. Städter mussten in der Regel für Einquartierungen und Verproviantierungen von Truppenkontigenten bezahlt und entschädigt werden.
Es ist verständlich, dass die Herren stets versuchten, die Freiheiten der Stadt und ihrer Bürger wieder zu beschneiden, um ihre Herrschaft über sie zu intensivieren. In fast allen Städten kam es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen der Gemeinde und dem Stadtherrn.

Stadtfreiheit und Stadtprivilegien der Stadt Hachenburg

Die althergebrachten Stadtprivilegien ließ sich die Stadt bei jeder Gelegenheit bestätigen. Dies zeigt, wie hart die Stadt ihre gewonnenen Rechte und Freiheiten gegenüber dem jeweiligen Stadtherrn verteidigen musste. Da Graf Johann III. 1344 sein Versprechen von 1336 gegenüber der Stadt und ihren Fürsprechern[Anm. 1] erneuerte,[Anm. 2] kann man davon ausgehen, dass der Graf erneut versucht hatte, die Rechte der Stadt aufzuweichen. Für die Uneinsichtigkeit des Grafen spricht, dass 1347 Salentin von Sayn, Neffe des regierenden Grafen Johann II., und einige anderen Herren[Anm. 3] der Stadt anstelle der früheren Herren[Anm. 4]> persönlich garantierten, dass Graf Johann III. seine Versprechungen von 1336 weiterhin halten wolle.[Anm. 5] Im Gegenzug musste die Stadt wenig später versprechen, künftig keinen der gräflichen Dienstleute als Bürger aufzunehmen, es handele sich denn um ledige Knechte und Mägde. Auch die sog. Ausbürger, jene Personen also, die außerhalb der Stadtmauern im Vorfeld der Stadt lebten, durften in die Stadt und ihren Rechtskreis aufgenommen werden.[Anm. 6]
In der Folge legte die Stadt großen Wert darauf, dass bei jedem Herrscherwechsel oder Herrscherübergang die städtischen Rechte vom neuen Amtsinhaber bestätigt wurden.[Anm. 7] Im Jahr 1349 bestätigte Graf Johann die althergebrachte Unabhängigkeit des Hachenburger Stadtgerichtes.[Anm. 8] Graf Reinhardt von Westerburg, dem 1351 für kurze Zeit das Land von Graf Johann III. zu Sayn anbefohlen worden war, musste am 28. Oktober 1351 ebenfalls das Stadtrecht garantieren.[Anm. 9]
Wie wichtig diese Versicherung wurde, zeigen die Ereignisse des Jahres 1352, als die Stadt im Zuge der Territorialpolitik des Grafen Johann III. und der Herren von Westerburg "zwischen die Stühle" zu geraten drohte. Als der Streit beigelegt war, bestätigten Graf Johan III. und sein Sohn Graf Johan IV. am 27. Oktober 1354 feierlich die Rechte der Stadt. Für den Fall, dass sie gegen den Vertrag verstoßen sollten, stellten die Grafen der Stadt etliche hochrangige Bürgen, die der Stadt gegebenenfalls helfen würden.[Anm. 10] Diesem Versprechen schloss sich im Jahr 1355 Gräfin Lysa an. [Anm. 11] Doch erst 1362 scheint der Streit mit der abschließenden Bestätigung der Stadtrechte durch den greisen Grafen Johann III, seinen Sohn Johann IV. und Reinhard von Westerburg ausgestanden gewesen zu sein. [Anm. 12]
Anfang 1363 bestätigte dann Johann IV. nach dem Tod seines Vaters alleine die städtischen Freiheiten, sowohl die schriftlich fixierten wie auch die mündlich überlieferten. Er bestätigte, dass das gräfliche Haus keinen Bürger gerichtlich belangen könne, sondern sich nach dem Urteil des Stadtgerichtes zu richten habe. Erneut garantierten hochrangige Bürgen die Einhaltung dieses Versprechens. [Anm. 13]
Wenngleich die Stadt stets auf Eigenständigkeit pochte, war sie zuweilen froh, bei bestimmten Anlässen an den Grafen appellieren und auf sein Machtwort bauen zu dürfen. So war die Hilfe des Grafen anlässlich der verschiedenen Stadtbände stets hochwillkommen und auch vonnöten.
Die wechselseitige Abhängigkeit der Grafen und ihrer Stadt kommt in einer ganzen Reihe von Beschwerden (Gravamina) und Bittschriften zum Ausdruck, die im Laufe der Jahrhunderte ausgetauscht wurden.
Manchmal ging es in diesen Beschwerden nur um "Kleinigkeiten", wie etwa 1606, als sich die Stadt  bei Graf Wilhelm II. darüber beschwerte, dass die städtischen Steuern (Wetten) nicht ordnungsgemäß erhoben würden, das gräfliche Vieh Schaden in der Gemarkung anrichte und die Akzisenabrechnung doch bitte in der üblichen Weise vorgenommen werden sollte. [Anm. 14] Zuweilen ging es um Grundsätzliches, wie in einer weiteren Beschwerde, die Bürgermeister und Rat der Stadt dem herrschaftlichen Schultheißen Hans Urban Grün im Jahr 1655 überreichten. Damals monierte man unzulässige Eingriffe des Grafen in die städtische Selbstverwaltung. [Anm. 15]
Dann war man wieder auf die Hilfe des Grafen angewiesen. Als 1653/54 die Handwerker und Tagelöhner ihren Tageslohn, Fuhr- und Ackerlohn willkürlich heraufgesetzt, wandte sich die Stadt an den Grafen bzw. seine Kanzlei, man möge doch eine Ordnung aufstellen und Abhilfe schaffen. Der Graf versprach Abhilfe. [Anm. 16]
Dieses ständige Kompetenzgerangel dauerte auch in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts an. Damals monierten die Hachenburger Bürger Jakob Rüpper, Peter Stütgen und Hans Herman Helt, dass sie nach einem Streit mit saynischen Soldaten in den Turm gesperrt und dann von der gräflichen Kanzlei zu einer Geldstrafe von 40 Reichstalern verurteilt worden seien. Da dies ohne Mitsprache des Stadtgericht geschehen sei, verstoße das Urteil gegen die althergebrachten städtischen Freiheiten. [Anm. 17]

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.


Anmerkungen:

  1. Genannt werden der Edelherr Rubin von Isenburg, Kurbischof von Trier, Wilhelm Graf zu Wiedt, Gerlach und Salentin Herren zu Isenburg. Zurück
  2. HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 pag. 23-24. Eine Abschrift im LHAKo Best. 620 Nr. 227 Zurück
  3. Johan von Seelbach, Herrn Volprechts Bruder, Albrecht von Bicken, Ritter, und Gerhard von Itintrode, den man Foile nennt.  Zurück
  4. Robini von Sayn, Propst zu Wetzlar, Herr Dietrich von Ütgenbach, Herr Hermann von Bassenheim und Herr Albrecht von Wedirbach  Zurück
  5. HHSTAW Abt. 1098/I Nr. 20. Abschrift im LHAKo Best. 620 Nr. 227; Menzel, Regesten S. 158 Nr. 17 v, 2.2.1347. Zurück
  6. HHSTAW Abt. 1098/I Nr. 23 vom 31.10.1349; Abschrift im LHAKo Abt. 620 Nr. 227; Menzel, Regesten S. 159 Nr. 20: Söhngen S. 12. Zurück
  7. Die Liste der Freiheitsbriefe und Bestätigungsschreiben der Stadtfreiheit ist lang und muss hier nicht einzeln ausgeführt werden. Eine (unvollständige) Übersicht findet sich im LHAKo Abt. 620 Nr. 226. Die Geschichtswerkstatt Hachenburg bereitet z.Zt. eine eigene Publikation vor, die sich diesem Thema intensiv widmen will. Zurück
  8. HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 pag. 24-25 vom 24.6.1349. Zurück
  9. HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 pag. 25. Zurück
  10. HHStAW Abt. 1032 Nr. 6a. Zurück
  11. HHStAW Abt. 360 Urkunden Nr. 9 pag. 26. Lysa wird in der Urkunde als Witwe bezeichnet. Zurück
  12. HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 pag. 25 vom 22.7.1362. Zurück
  13. HHStAW Abt. 360 Nr. 9 pag. 26-27; Abschrift im LHAKo Nr. 227 mit Datum: 1363 an Weihnachten auf dem heiligen "Echtzurdentag". Als "Echczinder daig" gilt der 13. Januar. Zurück
  14. LHAKo Best. 620 Nr. 227 vom 10.12.1606. Zurück
  15. LHAKo Best. 620 Nr. 527. Zurück
  16. Söhngen S. 94. Zurück
  17. HHSTAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 3 Zurück