Rennerod im Westerwald

Zur Geschichte von Rennerod

Burg Diez[Bild: Luitger]

Das Gebiet des späteren Rennerod war schon in frühgeschichtlicher Zeit besiedelt[Anm. 1] Damals lebte die Bevölkerung des Landes auf kleinen Einzelhofsiedlungen, allenfalls auch in kleinen Weilern. Der Zusammenschluss zu größeren Gemeinwesen und Dörfern fand erst zu einem späteren Zeitpunkt statt.

Rennerod ist, wenn man der Ortsnamenforschung folgt, wie andere »rod-Orte« in der Nachbarschaft auch (Irmtraut, Wilsenroth, Wengenroth, Hergenroth u.a.), zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt während des 8. oder 9. Jahrhunderts als Rodungssiedlung gegründet worden. Die Ursiedlung wird am Ufer des heute weitgehend überbauten Holzbaches (Holzbachstraße) im Bereich der Schustergasse zu suchen sein. Die frühe Geschichte Rennerods liegt im Dunkeln und wird erst greifbar, als schriftliche Zeugnisse vorliegen.

Erstmals genannt wird Rennerod in einem Schutzbrief des Trierer Erzbischofs Theoderich II. von Wied (1212-1242) zugunsten des Klosters Seligenstatt bei Seck. Die undatierte Urkunde, in der ein dem Kloster gehöriges Stück Land in Renderode erwähnt wird, ist in der Zeit zwischen 1213 und 1215 abgefasst worden. Sie ist aber nicht im Original erhalten, sondern nur als Abschrift aus dem 16. Jahrhundert.[Anm. 2]. Deshalb gilt erst die Nennung des Dorfes Reynderode in einer Urkunde, die zwischen 1217 und 1235 ausgestellt wurde[Anm. 3] als »wirkliche« Erstnennung Rennerods. In der Urkunde zur Stadtrechtsverleihung Rennerods (von 1971) ist das Jahr 1217 als Datum der Ersterwähnung Rennerods festgelegt worden. Später tauchte der Ort auch unter anderen Namen auf: Renderode, Reiderode, Reidenrode, Rendenroidde und Reynderode, später auch Renderodde, Reyderod, Reiderode, Rendenrorde, Renderodt und Rennerodt. Im Jahr 1612 begegnet dann zum ersten Mal der noch heute gültige Ortsname Rennerod.[Anm. 4]

Rennerod wurde an wichtigen mittelalterlichen Fernhandelswegen gegründet. Die alte Mainzer Straße von Siegen über Burbach und den Hohen Westerwald an die Lahn und in den Taunus verlief durch Rennerod. Auf ihr wurde vor allem Eisen aus dem Siegerland und Salz aus Westfalen befördert. An die Bedeutung des Salzes für den Raum Rennerod erinnerten noch lange die alten Flurnamen »Seltzerweg« und »Selßer Heck«. Aus dem Hohen Westerwald wurde im Gegenzug Schlachtvieh und Getreide an die Lahn und weiter in das Rhein-Main-Gebiet befördert.
Von Köln reiste man über Hachenburg, Alpenrod, Büdingen und Höhn nach Rennerod. Diese Straße führte dann weiter nach Waldmühlen, um dort wie heute noch, nach Weilburg, Wetzlar, in die Wetterau und nach Frankfurt abzubiegen.
Die alte Rheinstraße schließlich verband Rennerod mit Koblenzer Raum. Hinter Rennerod führte die Straße weiter nach Oberhessen. Wie bei unbefestigten Wegen üblich war die mittelalterliche Straßenführung steten Veränderungen unterworfen, wenn das Wetter, unvorhergesehene Naturereignisse oder politische Veränderungen Umwege erforderten. So kam es, dass die Rheinstraße mal Engers, Wirges, Gemünden oder Seck berührte.[Anm. 5]. Noch heute führen wichtige Bundesstraßen durch den Ort (B 54 und B 255).

Im 8. und 9. Jahrhundert stieg die fränkische Familie der Konradiner zu einem gewichtigen Faktor in der Reichsgeschichte auf. Sie verlegten ihren Herrschaftsschwerpunkt vom Raum Trier in den fränkischen Lahngau und wurde dort zur bestimmenden Kraft. Oberlahngau und Niederlahngau schieden sich innerhalb der Familie. Mitte des 10. Jahrhunderts wird mit Graf Eberhard (gest. 1066) der letzte Konradiner im Niederlahngau genannt. Wenig später ist Embricho (vor 1059 bis nach 1073) als Graf im Niederlahngau überliefert. Er gilt als Stammvater der Grafen von Diez, die sich nach der vor 1073 gegründeten Burg über der Lahn benannten. Die frühe Siedlung Rennerod lag im äußersten Nordosten des Niederlahngaues und stand somit unter der Landeshoheit der Grafen von Diez.

Neben den Grafen von Diez gab es zwei bedeutende geistliche Herrschaftsträger, die ebenfalls im Westerwald über alte, aus Königsgut stammende Besitzungen und Rechte verfügten: Das Hochstift Worms und das Erzstift Trier. Geistliche Herrschaften benötigten weltliche Vögte, um ihre Besitzungen und Rechte schützen und schirmen und vor allem in Angelegenheiten der Hohen Gerichtsbarkeit vertreten zu lassen. So etablierten sich im südlichen Teil des Westerwaldes im Wesentlichen drei weltliche Mächte: Die Grafen von Nassau (als Vögte des Stiftes Worms), die Herren von Runkel und Westerburg (als Vögte des von Trier gegründeten Stiftes Gemünden) und die Grafen von Diez.[Anm. 6]

0.1.Grundherrliche Besitzer

Burg Runkel[Bild: Bytfisch]

Obwohl die Landesherrschaft der Grafen von Diez und ihrer Rechtsnachfolger nie in Frage stand, zeigt die Vielzahl der Herren und Mächte, die über Rechte in Rennerod verfügten bzw. Einkünfte als Grundherren aus Rennroder Besitzungen zogen, die Vielschichtigkeit der Herrschaftsverhältnisse Rennerod.

So verfügten die Herren von Nassau über etliche Stücke Land in Rennerod und Waldmühlen. Diese sog. Huben wurden von Hübnern bewirtschaftet. Hübner waren persönlich freie Bauern, die aber Abgaben an ihre Herrschaft leisten mussten. Die Nassauer Hübner hatten zu bestimmten Zeiten am Hubengericht Neunkirchen zu erscheinen (1625 und 1637). Die Grafen von Nassau-Weilburg hatten für ihre Renneroder Huben (1623) zumindest zeitweise einen Schultheißen in Rennerod eingesetzt (Jost Stemp, gest. vor 1623, und Theiß Leonhardt, gen. 1623). Außer der »Kuchenhube« werden die »Röderhub undig Renderod« und die »Seiblinger Hube« ausdrücklich genannt. Nassau-Weilburg hatte noch im 18. Jahrhundert Anspruch auf eine Hafer- und eine Buttergülte von ihren Renneroder Huben.[Anm. 7]

Die Herren von Runkel verfügten über den Wald »Spich« bei Emmerichenhain, den sie aber an andere Herren verpachteten. Um 1530 war der Wald Spich zwischen der Herrschaft Wied-Runkel bzw. Nassau-Beilstein sowie den Gemeinden Rennerod und Emmerichhain heftig umstritten. Es kam mehrfach zu blutigen Auseinandersetzungen.

Graf Kuno II. von Leinigen Westerburg (1487-1557) verlieh vor 1547 der Gemeinde Rennerod die Wäldchen Alsenberg, Knoden und Buchenweg. Die Gemeinde gab die Flächen Wolf von Mudersbach, Amtmann zu Westerburg 1557 zu Lehen. Zwischen 1588 und 1598 kam es zum Streit zwischen den Mudersbach und der Gemeinde wegen der Eckernmast. Die Grafen von Leinigen-Westerburg verliehen danach die Wäldchen und die Bitze »die Seck« den von Obentraut (1598), wenig später der Gemeinde, der sie 1613 das Wäldchen verkauften. »Die Seck« kam durch Kauf 1617 an Nassau-Beilstein und 1618 wieder an die Gemeinde.

Die Familie Mudersbach hatten im 16. Jahrhundert umfangreiche Besitzungen in der Renneroder Gemarkung, Äcker, Wiesen, Huben, die zu Butter, Eiern, Käse vermarktet wurden.[Anm. 8]

Das Kloster Seligenstadt besaß in der Renneroder Gemarkung 1213/1215 eine Stück Land sowie, das geht aus einem Register hervor, das zwischen 1480 und 1500 abgefasst wurde, Zinse von Gütern »uff den Contzenhoben« und »von dem Echergutte« (= Eichelerhof bei Waldmühlen). Es gab für das Recht des Weidgangs der Gemeinde um 1520 jeweils zu Pfingsten 2 Gulden und 1 Malter Käse. Weiter verfügte das Kloster über gewisse Naturaleinnahmen aus Zehntrechten.[Anm. 9]

Das Stift Gemünden, die Herren von Merenberg, die Herren von Irmtraut, die von Staffel und die Solenmacher aus Koblenz bezogen ebenfalls Einkünfte (Zehnte) aus Renneroder Besitzungen.[Anm. 10]

Zehntherren in Rennerod waren 1292 zu je einem Drittel das Kloster Seligenstatt bei Seck, die Herren von Westerburg und Friedrich Walpode von Waldmannshausen. Der Anteil der Westerburger war von 1338 bis 1385 als Lehen an die Lesch von Mühlheim vergeben, dann bis 1410 an die von Irmtraut verpfändet. Das Kloster Seligenstatt hatte 1519 Anspruche auf Lieferung an Getreide, Korn, Gerste, Hafer und sog. harte Frucht. Nach der Aufhebung des Klosters wurde der Seligenstatter Zehntanteil nach einem Rechtsstreit 1527 und 1529 den Wied-Runkel zugesprochen. Das Zehntdrittel der Walpoden war unterteilt (Wormser Kirche, Erzstift Trier). Die Erträge dienten teilweise als Burglehen in Montabaur, Hartenfels und auf der Sporkenburg. Später war der Zehnt in Händen der Herren von Kronberg, der von Nassau-Beilstein und anderen Herren. 1737, 1738 und 1828 stand der Hauptanteil des Zehnten der Landesherrschaft zu.[Anm. 11]

Die Grafen von Katzenelnbogen hatten sog. Eigenleute zu Rennerod, ebenso die Grafen von Diez und deren Rechtsnachfolger, die Grafen von Sayn, die Herren von Westerburg und die Grafen von Leiningen-Westerburg.[Anm. 12]

0.2.Wechselnde Landesherren

Der letzte Graf von Diez Gerhard VII. starb im Jahr 1388. Über seine Tochter Jutta fiel das diezische Erbe an Graf Adolf von Nassau-Dillenburg (gest. 1420). In der Folgezeit kam Rennerod unter die geteilte Landesherrschaft verschiedener Mächte. Dazu gehörten das Haus Eppstein-Königstein (1420-1535), das Erzstift Trier (1453-1564), die Grafen von Katzenelnbogen (1453-1479), die Landgrafen von Hessen (bis 1557). Seit 1564 stand die alleinige Landesherrschaft dem Haus Nassau-Dillenburg zu. Danach fiel Rennerod unter die Herrschaft von Nassau-Beilstein (1607-1620), Nassau-Hadamar (1620-1711), deren Erben (1711-1717) und Nassau Diez (1717). Seit 1743 war Nassau-Oranien (bis 1806) Landesherr und im Gefolge der Eroberungen des französischen Herrschers Napoleon zwischen 1806 und 1813 das Großherzogtum Berg. Nach dem Ende des Großherzogtums war bis 1866 das Herzogtum Nassau bestimmende Kraft. Im Jahr 1866 wurde Nassau vom Königreich Preußen annektiert. Das Land trug fortan den Namen Provinz-Hessen-Nassau. Bis 1945 gehörte das Land offiziell zu Preußen.[Anm. 13]

Gericht und Amt Rennerod

Im ehemaligen Amtshaus sitzt heute die Verwaltung der Verbandsgemeinde[Bild: Stefan Grathoff]

Die Grafen von Diez hatten für den Nordteil des Niederlahngaus wohl schon vor 1114 für die Hochgerichtsbarkeit ein Landgericht in Höhn (bei Winnen-Höhn) auf den Stühlen eingerichtet. Dieses Stuhlgericht wird 1278 erstmals genannt. Die ganze Gemeinde Rennerod musste sich noch 1490 an das Gericht auf den Stühlen wenden.[Anm. 14]

Im Bereich der niederen Gerichtbarkeit gehörte Rennerod zur Zent Höhn, die unter der Leitung eines Zentgrafen stand. Mitte des 15. Jahrhunderts amtierte dieser Zehntgraf bereits einmal in Rennerod, schließlich wurde das Gericht ganz nach Rennerod verlegt. Seit 1591 ist Rennerod ständiger Sitz des Zentgrafen, der sich nicht nur um Angelegenheiten der niederen Gerichtsbarkeit sondern auch um andere Verwaltungsaufgaben kümmern musste. So wurde er zuweilen auch als Schultheiß bezeichnet.Gensicke, Rennerod S. 241 mit Nennung der Amtsinhaber zwischen 1452 und 1731. Das Gericht Rennerod war mit 7 Schöffen besetzt und führte seit 1532 ein eigenes Siegel mit der Umschrift »SIGEL RENDENRODER GERICHTS« (1637).[Anm. 15]

Nach der Gerichts- und Landesordnung des Herzogtums Nassau-Oranien (1616) sollte sich das Zentgericht Kaufgeschäften, Verpachtungen, Erbschaftsangelegenheiten und Testamenten, Viehgeschäften, Schuldforderungen, Eherechtsdingen usw. annehmen. Außer Rennerod umfasste das Gericht zu wechselnden Zeiten weitere Ortschaften: Hüblingen, Irmtraut, Hof Krempel, Neunkirchen, Waldmühlen, Hellenhahn, Schellenberg, Neustadt, Pottum, Hinterpottum sowie Dapperich und Fuhrmannshof.[Anm. 16]

Die Zehntgrafen sprachen anfangs mündlich Recht nach Sitte und Gewohnheit. Seit dem 16. Jahrhundert forderte die Landesherrschaft zunehmend die Führung von Gerichtsprotokollen und Gerichtsbüchern, so wohl auch in Rennerod. In der Zeit des letzten Zentgrafen Johan Anton Flick (1699-1731) wurden diese alten Amtsbücher und Akten des Stuhlgebietes beim Brand seines Renneroder Hauses wahrscheinlich vernichtet, sodass nur wenige Details aus der Zeit davor überliefert sind. Wo genau der Zentgraf gewohnt hat bzw. amtierte ist nicht bekannt. Das sog. Zentgrafenhaus an der Nordwestseite der katholischen Kirche, das im 2. Weltkrieg zerstörte wurde, dürfte nicht vor Ende des 17. Jahrhunderts entstanden sein. Nach dem Brand wohnte der Zehntraf bis 1732 in einem neu erbauten Haus. Es stand wohl dort, wo sich heute das katholische Pfarrhaus befindet.Holzenthal, Rennerod S. 78ff., dort auch eine Liste der Zentgrafen zwischen 1452 und 1732. Nachdem Johan Anton Flick dann auch privat Konkurs anmelden musste, wurde nach seinem Abgang das Amt eines Zentgrafen nicht mehr besetzt. Die Aufgaben der niederen Gerichtsbarkeit gingen an die Ämter über.

Die Grafen von Nassau-Diez bildeten 1718 ein neues Amt für das Stuhlgebiet und das Kirchspiel Elsoff. Der Amtmann hatte kein eigenes Amtsgebäude, sondern wohnte zunächst im Haus des Zentgrafen. Dann verlegte er 1721 und 1723 ebenso wie der Rentmeister seinen Amtssitz nach Emmerichenhain, wenig später (1725) nach Westernohe.

Schloss Hadamar (Südflügel)[Bild: Volker Thies (Asdrubal)]

Im Zuge einer Verwaltungsreform wurden 1744 die Ämter des Fürstentums Hadamar zu einem Amtskollegium in Hadamar zusammengefasst. In der Zeit dieses Amtskollegiums war zwischen 1752 und 1771 Friedrich Weyel aus Stein als Kirchspielschultheiß für das Kirchspiel Rennerod bestellt. Danach wurde die Stelle wieder aufgehoben. Gerichtsschreiber in Rennerod waren in dieser Zeit: Johann Christian Stickel (gest. 27.6.1748) und Johann Christian Reuscher (1770).

Die zentrale Verwaltung in Hadamar bewährte sich nicht und so kehrte man 1775 unter Nassau-Oranien wieder zur alten Ordnung zurück. Das Amt Rennerod wurde wiederhergestellt und war Amtsort für das Stuhlgebiet und das Kirchspiel Elsoff. Für den Amtmann und die anderen Bediensteten errichtet man in den Jahren 1775/1776 ein neues Verwaltungsgebäude, das sog. Amtshaus.[Anm. 17]

Später kam es zu weiteren mehreren Amtsumbildungen. Rennerod gab 1782 die beiden Kirchspiele Höhn und Rotenhain an das neu gebildete Amt Marienberg und das Kirchspiel Elsoff an das Amt Mengerskirchen ab. Dafür erhielt es aus dem Amt Beilstein die Kirchspiele Emmerichenhain, Neukirch und Liebenscheid. Dazu kam 1788 unter der Herrschaft von Nassau-Oranien noch das Kirchspiel Seck. In dieser Form bestand das Amt noch zu Beginn der Regentschaft der Herzöge von Berg (1806-1813). Das Amt wurde von einem Amtmann verwaltet, dem ein Amtsaktuar und ein Amtsschreiber zur Seite standen.[Anm. 18]

Im Großherzogtum Berg wurden die Ämter durch das Edikt vom 14. November 1808 aufgelöst und nach französischem Vorbild neu gegliedert. Es wurde das Département Sieg geschaffen, das seinen Sitz in Dillenburg hatte. Das Département war in Arrondissements (Kreise) und Mairien (Bürgermeisterämter) unterteilt. Für die niedere Gerichtsbarkeit wurden sog. Friedensgerichte gebildet. Die französische Verwaltung mit Präfekten, Unterpräfekten, Friedensrichtern, Maires und den dazugehörigen Ratskollegien wurden ebenso eingeführt wie das französische Zivil- und Strafgesetzbuch. Rennerod wurde Hauptort eines Kantons und Sitz eines Friedensgerichtes. Zum Kanton Rennerod gehörten damals die Mairien Rennerod, Marienberg, Höhn und Emmerichenhain, und seit 1811 auch für die Mairien Westerburg und Gemünden. Der Mairie Rennerod unterstanden alle Orte der Kirchspiele Rennerod und Seck sowie das Dorf Irmtraut.[Anm. 19]

Napoleons Rückzug 1814[Bild: Gemeinfrei]

Nach der Völkerschlacht bei Leipzig (16.-19. Oktober 1813) und dem Sieg gegen die Armee Napoleons, endet die französische Zeit und Nassau-Oranien erhielt seine Landeshoheit zurück. Wie die anderen nassau-oranischen Ämter wurde auch das Amt Rennerod 1813 in seiner alten Form wiederhergestellt.

Im Jahr 1813 und endgültig nach dem Wiener Kongress (1815) kamen die Fürstentümer der oranischen Linien, Nassau-Diez, Nassau-Hadamar und Nassau-Dillenburg, letztendlich an das Haus Nassau-Weilburg. Damit kamen alle nassauischen Länder (Nassau-Siegen verblieb beim Königreich Preußen) wieder in einer Hand zusammen. Erneut kam es zu einer Ämterreform (1. Juli 1816): Die Orte Stein, Neukirchen, Bretthausen, Willingen, Liebenscheid und Weißenberg wurden an das Amt Westerburg abgegeben. Weltersburg ging an das Amt Meudt. Das Amt Rennerod erhielt Neunkirchen, Hüblingen, Rückershausen, Elsoff mit dem Hof Krempel, Oberrod, Mittelhofen und Westernohe vom Amt Mengerskirchen. Im Jahr 1844 umfasste das Amt Rennerod die Ortschaften: Berzahn, Elsoff, Emmerichhain, Gemünden, Gershasen, Halbs, Hellenhahn und Schellenberg, Hergenroth, Homberg, Hüblingen, Irmtraut, Mittelhofen, Neunkirchen, Neustadt, Niederroßbach, Nister-Mörendorf, Oberrod, Oberroßbach, Pottum, Rehe, Rennerod, Rückershausen, Salzburg, Seck, Stahlhofen, Waigandshain, Waldmühlen, Wengenroth, Westerburg, Westernohe, Willmenrod, Winnen und Zehnhausen. An der Spitze des Amtes stand der Amtmann mit einem alle Belange des Amtes umfassenden Aufgabengebiet. Ihm standen ein Amtsassessor oder Amtssekretär als dessen Stellvertreter für Justiz und Verwaltung, ein Amtsaccessist oder Privatgehilfe sowie der Landoberschultheiß für die freiwillige Gerichtsbarkeit zur Seite.[Anm. 20]

Nach dem verlorenen Krieg von 1866 wurde das Herzogtum Nassau von Preußen annektiert. Dies zog erneut eine Verwaltungsreform nach sich. Das Amt Rennerod wurde Teil der preußischen Provinz Hessen-Nassau. Unter der preußischen Landeshoheit wurden Verwaltung und Justiz getrennt. Schon ein Jahr später (1867) entstand in Rennerod das erste Gebäude des Amtsgerichtes. Es wurde zwischen 1912 und 1914 umgebaut und diente bis 1972 als Sitz der Rechtsprechung. Der Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichtes deckte sich mit dem des nassauischen Amtes Rennerod. Lediglich das Dorf Rückershausen wurde zum Kreis Weilburg geschlagen.[Anm. 21] Die Ämter Rennerod, Marienberg und Hachenburg bildeten seit 1867 den Oberwesterwaldkreis. Die Kreisverwaltung nahm ihren Sitz in Marienberg. Rennerod verlor seine Stellung als regionaler Verwaltungssitz. Das solle sich erst 1972 mit der Bildung der Verbandsgemeinde wieder ändern.

Im Jahr 1875 erhielt Rennerod auch ein Katasteramt, das im Amtsgerichtsgebäude untergebracht war. Es umfasste den Amtsbezirk Rennerod und die Orte Ailertchen, Bach, Bretthausen, Dreisbach, Fehl und Ritzhausen, Hahn, Höhn und Urdorf, Hof, Neuchhochstein (Kackenberg), Liebenscheid, Löhnfeld, Oellingen, Pfuhl, Schönberg, Stein und Neukirch, Weißenburg und Willingen aus dem Amt Marienberg. Es wurde 1931 nach Westerburg verlegt.[Anm. 22]

Das Amtsgericht Rennerod unterstand bis 1945 dem Landgericht Limburg, dann dem Landgericht Koblenz. Im Zuge einer Verwaltungs- und Justizreform in den Jahren 1967-1972 wurde das Amtsgericht Rennerod ebenso wie die Amtsgerichte Bad Marienberg, Hachenburg und Wallmerod aufgelöst und in das neu eingerichtete Amtsgericht Westerburg eingegliedert. Damit endete für Rennerod die Zeit als Gerichtort, die 1444 begonnen hatte. Letztere amtierender Richter in Rennerod war Amtsgerichtsdirektor Heinz Dapprich, der Leiter des Amtsgerichts Westerburg wurde.Holzenthal, Rennerod S. 114.

Als die Justizverwaltung 1972 nach Westerburg wechselte, wurde das alte Gerichtsgebäude umfassend umgebaut und renoviert. In das Gebäude zog die Verwaltung der Verbandsgemeinde ein, die 1972 aus 23 vorher selbständigen Gemeinden Ortschaften geschaffen wurde.

0.4.Die Verwaltung der Stadt

Das heutige Rathaus[Bild: Dieter Schoening]

Obwohl sich Mitte des 14. Jahrhunderts bereits eine Gemeinde als Körperschaft gebildet hatte, die anlässlich des Baus der Renneroder Kapelle im Jahr 1362 als selbständiger Vertragspartner mit dem Stift Gemünden und dem Pfarrer von Seck verhandelte, kann von einer Selbständigkeit der Gemeinde keine Rede sein. An der Spitze der Gemeinde stand auch 1480/1500 wie überall in der Grafschaft Diez ein von der Herrschaft eingesetzter Heimberger (centurio), der in nassau-hadamarer Zeit (1620-1711) als Herrschaftsbürgermeister, später auch als Kirchspielschultheiß bezeichnet wurde. Für das Rechnungs- und Bauwesen der Gemeinde waren schon 1616 zwei jährlich wechselnde Bürgermeister zuständig, die auch Bauermeister genannt wurden. Weitere Ämter waren zeitweise benannte Vorsteher und Geschworene, die die Aufsicht über die Gemeinderechte und die allgemeine Ordnung hatten. Flur- und Waldschützen hatten mit dem herrschaftlichen Förster die Aufsicht im Wald, der Gemeindehirte trieb das Vieh der Bauern gegen Entgelt auf die Weide.[Anm. 23]

Nach dem nassauischen Gemeindegesetz von Juni 1816 sollte an der Spitze der Gemeinde ein von der Regierung auf Lebenszeit ernannter Schultheiß stehen. Ihm wurden Gemeinderechner, das Feldgericht für die freiwillige Gerichtsbarkeit sowie die aus dem Kreis der Bürger gewählten Gemeindevorsteher zur Seite gestellt. Die freiwillige Gerichtsbarkeit lag in der Realität allerdings ganz in der Hand des für jedes Amt ernannten herzoglichen Landesschultheißen. Diese ganz vom Landesherrn bestimmte und kontrollierte Führung der Gemeindeaufgaben und die nur schwach ausgeprägte Bürgerbeteiligung wurde von der Bevölkerung zunehmend als Despotie empfunden. Das änderte sich im Zuge der sog. Deutsche Revolution von 1848. Ein neues Gemeindegesetz vom Dezember 1848 gab den Gemeinden das Recht der Selbstverwaltung. An der Spitze der Gemeinde sollte ein für 6 Jahre gewählter Bürgermeister stehen, der wie die Gemeinderäte von der Bürgerversammlung bestimmt wurde. Das Feldgericht und der Gemeinderechner sollten ihre Aufgaben behalten, der Bürgermeister gemeinsam mit dem Gemeinderat die Aufgaben einer Orts- und Feldpolizei übernehmen.[Anm. 24]

Alte Post[Bild: Adolf Schmidt]

Eine erste Poststation wurde in Rennerod im Jahr 1813 errichtet. 1822 wurde ein Postgebäude erbaut und 1846 großzügig erweitert. Das markante Gebäude am der Hauptstraße, später als Hotel »Zur alten Post« genutzt, wurde 1983 wie so viele andere historische Gebäude in Rennerod leider abgerissen.Holzenthal, Rennerod S. 376f. mit einer Beschreibung des ehemaligen Gebäudes.

Hatte schon der 30-jährige Krieg (1618 bis 1649)Siehe dazu ausführlich Holzenthal, Rennerod S. 85ff. Rennerod mit zahlreichen Truppendurchzügen, Einquartierungen, auferzwungenen Fouragelieferungen, Plünderungen und Brandschatzungen schwer in Mitleidenschaft gezogen, waren auch die Begleiterscheinungen des 1. Weltkriegs (1814-1818) allenthalben in Rennerod zu spüren. Es waren keine direkten Kampfhandlungen, sondern vor allem Truppendurchzüge und Einquartierungen, die die Gemeinde belasteten. Hinzu kamen Lebensmittelknappheit und Versorgungsengpässe. Die Kirchenglocken wurden vom Turm geholt und für Kriegszwecke eingeschmolzen.Holzenthal, Rennerod S. 120.. Zahlreiche Männer aus Rennerod verloren im Krieg ihr Leben. Das 1925 zu ihrem Gedenken erbaute Kriegerdenkmal, wurde 1975 wieder abgerissen.Siehe dazu Holzenthal, Rennerod S. 120f mit den Namen der Kriegsopfer..

Der Westerwald blieb in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg das, was er schon immer war: Ein vom Kleinbauerntum geprägtes Land, das wenige Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten bot. Es gab zwar zahlreiche kleine Familienbetriebe aber keine größeren Industriebetriebe, die Arbeitsplätze und Verdienstmöglichkeiten anbieten konnten.Holzenthal, Rennerod S. 125.

Die Renneroder wählten am 5. März 1933 mehrheitlich die Zentrumspartei (540 Stimmen), dann mit weitem Abstand die NSDAP (272), die KPD (24) und die SPD (20).Holzenthal, Rennerod S. 126. Bürgermeister Georg Deller (Zentrum) blieb deshalb zunächst im Amt. Doch auch Rennerod veränderte sich unter dem Nationalsozialismus. 1933 wurden Reichspräsident Hindenburg und Adolf Hitler zu Ehrenbürgern ernannt, aus der Hauptstraße wurde die Adolf-Hitler-Straße, aus der Bahnhofstraße die Hindenburgstraße. Die Volksschule Rennerod wurde in Horst-Wessel-Schule umbenannt. Die NSDAP richtet 1937 ein Büro in Rennerod ein. In Emmerichenhain entstand 1936 ein Arbeitsdienstlager, das dann als Wehrertüchtigungslager der Hitlerjugend diente. Im Jahr 1939 wurde Bürgermeister Deller aus dem Amt gedrängt. Rennerod wurde zum bedeutenden Truppenstandort, erste Kriegsgefangene wurden als Zwangsarbeiter in Rennerod untergebracht. Erst 1945 bekam Rennerod dann die ganze Wucht des Krieges zu spüren. Am 16. März 1945 wurde der Ort von US-Jagdbombern angegriffen, es entstanden erhebliche Schäden.Dazu ausführlich Holzenthal, Rennerod S. 128f., 131ff. und S. 143 mit einer Liste der im Krieg umgekommenen Männer aus Rennerod und Emmerichenhain, ebd. S. 145f.

Wenig später besetzen die Amerikaner Rennerod und setzten Bürgermeister Georg Deller umgehend wieder ein. Er blieb Bürgermeister bis 1953. Den Amerikanern folgten im Juli 1945 französische Besatzungstruppen. Die Franzosen bildeten aus dem Oberwesterwaldkreis mit Rennerod, dem Unterwesterwaldkreis, Unterlahn und St. Goarshausen den Regierungsbezirk Montabaur, der seit 1946 zum Land-Rheinland-Pfalz gehörte und 1968 mit dem Regierungsbezirk Koblenz zusammengelegt wurde.

Am 7. Juni 1969 wurden die bisher selbständige Gemeinde Emmerichenhain nach Rennerod eingemeindet. Im Jahr 1971 wurde Rennerod dann zur Stadt erhoben.Siehe dazu ausführlich Holzenthal, Rennerod S. 158ff. und ein Jahr später die Verbandsgemeinde errichtet.Holzenthal, Rennerod S. 165ff.

0.5.Landwirtschaft, Handel und Gewerbe

Haupterwerbsquelle der Renneroder war die Landwirtschaft. Es gab fast ausschließlich kleine Familienbetriebe. Kultiviert wurden Korn, Gerste, Roggen, Hafer, im geringen Ausmaß Weizen und Kartoffeln (1777). Man pflanzte Kohlraben, Runkelrüben, Weißkohl, später auch Klee an. Obstanbau war im hohen Westerwald nicht weit verbreitet, es gediehen aber Äpfel, Birnen und Zwetschgen. Von größerer Bedeutung war die Viehhaltung mit Schweinen, Rindern, Schafen und Ziegen. Man hielt Hühner und Gänse. So produzierte man Fleisch, Butter, Eier und Käse, die verbraucht oder verkauft wurden bzw. auch als Zahlungsmittel bei Naturalabgaben eine große Bedeutung hatten. Schlachtvieh wurde nach Köln und in die Frankfurter Gegend getrieben.

Einen Vieh- und Krammarkt hatte Rennerod jeweils am Montag und Dienstag vor Michaelis (1742, 1777) und noch 1811 fand ein bedeutender Viehmarkt im Ort statt.

Pferdezucht spielte auch im Renneroder Raum seit alters her eine bedeutende Rolle. Sie wurden als Arbeitstiere benötigt und oder verkauft. Für manche Familie waren Pferde lange Zeit Haupterwerbsquelle. Seit dem 18. Jahrhundert nahm die Pferdezucht allerdings kontinuierlich ab.

Ein herrschaftlicher Forellenweiher wurde im 18. Jahrhundert angelegt, er dürfte der Bevölkerung aber eher nicht zur Verfügung gestanden haben. In Rennerod wird 1728 ein kleiner Weiher der Familie Pistor 1728 und 1818 die sogenannte Weihermühle genannt.

Schon wegen der üblichen Erbteilung, die Bauernstellen in immer kleiner Einheiten zerteilte, war im Hohen Westerwald an eine moderne Landwirtschaft nicht zu denken. Das Westerwälder Wetter mit Hagelschlag und Regengüssen, häufigem Schädlingsbefall der Pflanzen und damit einhergehenden Missernten, brachten immer wieder Hunger in das Land. Wenn man in Notzeiten gezwungen war, das Saatgetreide zu essen - in normalen Jahren brachte eine Aussaat nur das Dreifache an Ertrag - fehlte der Samen im darauffolgenden Frühjahr bei der Aussaat. Ein weiterer Nachteil waren nicht nur verheerende Viehseuchen, sondern auch die Tatsache, dass man das Vieh im Winter im Stall halten musste. Wenn im Spätherbst die Wiesen abgeweidet waren und wenig später unter Schnee lagen, musste das Vieh im Stall gefüttert werden. Das zur Verfügung stehendet Heu, Stroh und Spreu ernährte das Vieh nur ungenügend. So manches Tier musste im Winterhalbjahr geschlachtet werden. Im Frühjahr war das Vieh manchmal so schwach, dass es auf die wieder ergrünte Weide gefahren werden musste.[Anm. 25]

In den Jahren 1787 und 1790 wurde die Gemarkung konsolidiert.[Anm. 26]

Trotz der hohen Bedeutung der Landwirtschaft gab es in Rennerod eine Vielzahl von handwerklichen Familienbetrieben. Im Jahr 1829 werden insgesamt 43 Gewerbetreibende und Handwerker genannt. Ein Wirt wird erstmals 1431 erwähnt, 1609 gab es zwei, 1631 drei Gastwirte. Wie bedeutend Rennerod als Beherbergungsort war, zeigt allein die Tatsache, dass 1674, 1686 und 1693 die Westerwäldischen Stände in Rennerod tagten.[Anm. 27] 1828 sind neun Gastwirte belegt. In Rennerod arbeiteten Schmiede (1462), Schneider (1480/1500), Bäcker, Bender, Weber, Eisenkrämer, Krämer, Gewürzkrämer, ein Sattler (1731) sowie 23 Baumwollspinner (1777). Genannt werden auch Schuhmacher, Bierbrauer, Schlosser, Wagner, Schreiner, Fassbinder, Zimmerleute, Maurer, Leiendecker und Häffner und Leinenweber.[Anm. 28]

Die allgemeine Armut im Westerwald führten zur Verschuldung vieler Familie, denen oft notwendiges Investitionskapital fehlte. So wundert es nicht, dass das Wirken des Sozialreformers Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888) mit seinen Ideen zur Unterstützung unbemittelter Landwirte seinen Anfang im Westerwald nahm. Als man 1777 die Renneroder Einwohner zählte und ihren Vermögensstand notierte hieß es: 139 Familien (8 reiche, 70 mittelmäßige, 61 arme) mit 29 Pferden, 610 Rindern, 251 Schweinen, 150 Weidhämmeln und 2 Ziegen.[Anm. 29] Viel zu spät kam auch der Anschluss Rennerods an das bereits länger bestehende Eisenbahnnetz. Folge der allgemeinen Armut war auch eine Auswanderungsbewegung seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts.[Anm. 30] Bis Mitte dieses 20. Jahrhunderts war die Wirtschaftsstruktur Rennerods von der Landwirtschaft und dem Kleinhandwerk geprägt. Erst Ende der fünfziger Jahre bahnte sich ein Strukturwandel an, als sich erste Industriebetriebe im Ort niederließen. Vorteilhaft für den Wirtschaftsstandort Rennerod wirkte sich auch aus, dass sich die Bundeswehr in Rennerod niederließ und 1968/69 die »Alsberg-Kaserne« errichtet wurde.[Anm. 31]

0.6.Kirchliche Verhältnisse in Rennerod und Schulwesen

Katholische Pfarrkirche Rennerod[Bild: Stefan Grathoff]

Mutterkirche für Rennerod war die Kirche in Seck. Sie war wohl von dem Konradiner Bischof Rudolf von Würzburg (892-908) gegründet worden. Er weihte die Kirche dem Heiligen Kilian. Das Recht, die Pfarrstelle in Seck zu besetzen, stand den Herren von Runkel zu. Dieses sog. Patronatsrecht fiel im frühen 14. Jahrhundert den Herren von Westerburg zu, die es 1344 dem Stift Gemünden schenkten.

Mit Erlaubnis des Stiftes Gemünden und des Pfarrers in Seck erbaute die Gemeinde Rennerod Mitte des 14. Jahrhunderts (1362) eine Kapelle zu Ehren von St. Maria und Huprecht. Die Gründungsurkunde wurde von Graf Gerhard von Diez als Landesherr, Johan von Westerburg als Patronatsherr von Gemünden und anderen Zeugen besiegelt. Es wurde u.a. festgelegt, dass ein Geistlicher aus Seck dienstags und donnerstags Gottesdienst halten sollte. An hohen Festtagen mussten die Renneroder aber wie bisher in die Kirche nach Seck kommen. Für seine Dienste bekam der Secker Pfarrer von der Gemeinde jedes Jahr am 11. November (Martinstag) zwei Mött Hafer, Hachenburger Maß, und 2 Mark, Limburger Währung. Außerdem durfte er Holz aus dem Wald «Twerstrodt am Meyerlins Holz diesseits des Renneroder Wegs"« entnehmen. Dieses Waldstück wurde von den Rennerodern noch lange »Kirchentannen« genannt. Es befand sich (»Unterer Aspen/Binnheck«) westlich des Albertshofes.[Anm. 32] Die Kirche in Seck blieb bei ihren althergebrachten Rechten.

Seit 1564 stand die Landeshoheit wieder ganz den Grafen von Nassau-Dillenburg zu. Die komplizierten kirchlichen Verhältnisse in der Grafschaft Diez, bei der die Grafen von Nassau, der Kurfürst von Trier, die Grafen von Leiningen-Westerburg und auch die bereits protestantischen Landgrafen von Hessen mitentscheiden wollten, wurden mit dem Diezer Vertrag (1564) weitgehend geklärt. Im Jahr 1565 wurde ein lutherischer Pfarrer in Seck eingesetzt. 1589 werden Bestrebungen bekannt, in Rennerod eine eigene Pfarrei zu errichten. Doch zunächst wurde 1598 bis 1600 die Kapelle in Rennerod durch den Pfarrer von Willmenrod mit versehen.[Anm. 33]

Erst Graf Georg von Nassau-Beilstein (1562-1623) gründet 1614 eine evangelische Pfarrei in Rennerod. Ihr wurden auch die Orte Waldmühlen, Irmtraut und Dapperich, Hellenhahn, Schellenberg, Neustadt und Pottum zugewiesen. Die Pfarrei wurde mit geringen Einkünften der Kapellen in Rennerod und Hellenhahn ausgestattet. In der Renneroder Gemarkung durften Heu, Gärten, Holz und Weiden genutzt werden. Auch Graf Georg von Nassau-Beilstein gewährte eine geringe Zuwendung. Das 1615 erbaute Pfarrhaus war 1618 bereits in schlechtem Zustand und 1624 kaum mehr bewohnbar.

Das Kirchenvermögen verwalteten 1618 und auch später zwei Kirchenmeister. Unter Graf Johann Ludwig von Nassau-Hadamar (1590-1653), der der katholischen Glaubenslehre anhing, wurde die Pfarrei Rennerod im Jahr 1613 wieder katholisch.[Anm. 34]

Als im Jahr 1711 die katholischen Fürsten von Nassau-Hadamar ausstarben, wurde bei einer Teilung 1717 das Amt Stuhlgebiet mit dem Kirchspiel Elsoff dem Haus Diez zugesprochen, dessen Fürsten als Prinzen von Oranien auch die Niederlande regierten. In das Amt Stuhlgebiet zogen Diezer Beamte ein, die zumeist dem reformierten Bekenntnis anhingen. In Rennerod bildete sich eine kleine reformierte Gemeinde, für die noch vor 1717 ein Geistlicher angestellt wurde, der in einem Privathaus Gottesdienst hielt. Eine reformierte Pfarrei für das Amt Stuhlgebiet wurde 1731 von Nassau-Diez-Oranien gegründet. Der Pfarrers wohnte zunächst in Westernohe.

In Rennerod hatte Nassau-Diez schon 1739 vorübergehend das recht stattliche Haus des Zentgrafen Flick eingezogen, das dieser nach dem Brand seines alten Hauses neu gebaut, jedoch nach seinem Konkurs 1732 verloren hatte. Es war 1738 weitgehend verfallen und sollte abgebrochen werden. 1749 erwarb Nassau-Oranien das Gebäude, renovierte es und ließ es am 6. Dezember 1750 als Pfarr-, Schul- und Kirchenhaus einweihen. Nach der Vereinigung der reformierten Pfarreien Mengerskirchen und Rennerod im Jahr 1810 war seit 1811 zunächst Mengerskirchen Sitz des Pfarrers, der aber 1814 nach Rennerod zurückkehrte. Das Haus wurde Anfang des 19. Jahrhunderts auch als Kaserne und Magazin genutzt. Nach der Aufhebung der Pfarrei 1816 wurde das Gebäude 1817 an die katholische Gemeinde verkauft, die dort 1817 ihr Pfarrhaus einrichtete, nachdem 1818 ihr altes Pfarrhaus versteiger worden war. Die evangelischen Einwohner wurden dem Kirchspiel Emmerichenhain zugewiesen.[Anm. 35]

Rennerod hatte vor 1609 bereits eine Schule mit Schulmeistern, die wie allgemein üblich auch das Amt des Glöckners versahen. Als Schulgebäude diente 1627 ein kleines Mietshaus. 1738 wird ein Kirchspielschulhaus erwähnt, das aber schon 1765 wieder abgerissen werden musste. Seit 1750 diente das alte Gebäude des Zentgrafen als Schulhaus. Die Orte Hellenhahn, Schellenberg und Neustadt hatten 1624 bis 1626 eine eigene Schule, da den Kindern der lange und beschwerliche Wege gerade im Winter nicht zugemutet werden sollte. Im Jahr 1777 wird ein Renneroder Schulhaus genannt, in dem der Schulmeister wohnte, der zugleich Küster und Glöckner war. Die Renneroder Schule war eine Ganzjahresschule. In den kirchenfernen Ortschaften gab es nach 1700 sog. Winterschulen, die von einem von der Gemeinde angestellten Schumeister (Dinglehrer) gehalten wurde.

Für die kleine reformierte Gemeinde wurde 1751 ein Geistlicher als Schulmeister bestellt, der jedoch bis 1769 nur privat in Öllingen unterrichtete. Die Schule fand zunächst im Pfarr- und Kirchenhaus statt, seit 1770 in Mietshäusern. So blieb es zur Aufhebung der Gemeinde im Jahr 1816.

Im Jahr 1818 wurde ein neues Schulhaus erbaut, das über 130 Jahre seinen Dienst versah.[Anm. 36] Mit der Gründung der Volksschule (1955), des Schulzentrums und der Grundschule (seit 1972) wurden fast 400 Jahre Renneroder Schulgeschichte erfolgreich fortgeführt.

0.7.Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde

In Rennerod bestand seit dem frühen 18. Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde. Die ersten beiden Juden werden im Jahr 1700 erwähnt, im Jahr 1836 vier. 1843 gab es 20 jüdische Einwohner, die der Kultusgemeinde Gemünden angehörten und dort auch die Synagoge besuchten. Im Jahr 1844 beantragten die jüdischen Familien Rennerods den Anschluss an die Gemeinde in Westerburg unter der Voraussetzung, dass sie eine Filialgemeinde mit eigenem Gottesdienst bilden durften. Doch dieser Antrag wurde vom Landesherrn nicht genehmigt. 1895 war ihre Zahl auf vier, 1905 auf einen verbliebenen jüdischen Einwohner gesunken. Im 1910 waren dann keine jüdischen Einwohner mehr in Rennerod zu finden.

Später siedelten sich wieder Mitbürger jüdischen Glaubens in Rennerod an, die ihren Gottesdienst in einem Betraum verrichteten. Die in Rennerod verstorbenen jüdischen Personen wurden auf dem Friedhof in Gemünden beigesetzt. Auch in Rennerod fielen jüdische Mitbürger aus Rennerod den NS-Schergen zum Opfer.[Anm. 37]

Nachweise

Verfasser: Stefan Grathoff

Literatur:

  • Hellmuth Gensicke: Landesgeschichte des Westerwaldes. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau.13). ND Wiesbaden 1999.
  • Hellmuth Gensicke: Gericht und Kirchspiel Rennerod. In: Nassauische Annalen 95 (1984), S. 239-254.
  • Michael Holzenthal: Rennerod und sein Raum – Eine Heimatgeschichte. Rennerod 2001.
  • Wolfgang Gerz (Hg.): Bilder aus vergangenen Tagen – die VerbandsgemeindeRennerod in alten Ansichten. Horb am Neckar 1995.
  • Kulturdenkmäler Westerwaldkreis S. 54.
  • Uli Jungbluth: [Juden in] Rennerod. In: Joachim Lösch und Uli Jungbluth u.a. (Hg.): Juden im Westerwald. Leben, Leiden und Gedenken, S. 222f.
  • Dehio Rheinland-Pfalz Saarland. 2. bearbeitete und erweiterte Ausgabe. Darmstadt 1985, S. 857.

Webadressen:

Erstellt am: 28.04.2020

Anmerkungen:

  1. Holzenthal, Rennerod S. 26f. Zurück
  2. HHStAW Abt. 339 Nr. 811, übersetzt bei Struck, Quellen IV., S. 65. Zurück
  3. Fürstlich Wiedisches Archiv, Neuwied, FWA 44-4-18. Zurück
  4. Gensicke S. 249 mit den Einzelbelegen. Zurück
  5. Gensicke, Rennerod S. 239, Holzenthal, Rennerod S. 371f. Zurück
  6. Holzenthal, Rennerod S. 41f. Zurück
  7. Gensicke, Rennerod S. 246f. Zurück
  8. Gensicke, Rennerod S. 248f; Holzenthal, Rennerod S. 62) Zurück
  9. Gensicke, Rennerod S. 250; Holzenthal, Rennerod S. 54. Zurück
  10. Gensicke, Rennerod S. 248ff.; Holzenthal, Rennerod S. 54, 62, 63. Zurück
  11. Genaueres über die verwickelten Zehntverhältnisse bei Gensicke, Rennerod S. 27f. Zurück
  12. Holzenthal, Rennerod S. 63 und 64 mit weiteren Einzelheiten. Zurück
  13. Gensicke, Rennerod, S.240. Zurück
  14. Siehe dazu auch den Artikel: Zentgrafen, Amtmänner und Bürgermeister auf der Homepage der VG Rennerod: https://www.renneod.de/vg_rennerod/Die Verbandsgemeinde/Öffentliches Leben(Zentgrafen, Amtmänner und Bürgermeister/ Zurück
  15. Gensicke, Rennerod S. 241; Holzenthal, Rennerod S. 75f. Zurück
  16. Holzenthal, Rennerod S. 76; Gensicke, Landesgeschichte S. 472. Zurück
  17. Gensicke, Rennerod S. 241 und 243; Holzenthal, Rennerod S. 82f. mit einer Namensliste der damals bekannten Amtmänner, Amtsaktuare und Amtsschreiber. Zurück
  18. Gensicke, Rennerod SA. 242 mit der Liste der Amtsinhaber zwischen 1775 und 1811. Zurück
  19. Gensicke Rennerod S. 142 mit Nennung einiger Maires; Holzenthal, Rennerod S. 96 mit einer zeitgenössischen Karte der Kantone Rennerod und Driedorf. Zurück
  20. Holzenthal, Rennerod S. 99f. mit einer Liste der Amtmänner und weiteren Angaben zu deren Aufgabenbereich. Zurück
  21. Holzenthal, Rennerod S. 114. Zurück
  22. Holzenthal, Rennerod S. 116. Zurück
  23. Holzenthal, Rennerod S. 66ff.; Gensicke, Rennerod S. 249 mit einer Liste der bekannten Heimbergen zwischen 1480 und 1816 und S. 250f. der Jäger und Förster. Zurück
  24. Holzenthal, Rennerod S. 111. Zurück
  25. Gensicke, Rennerod S. 250f.; Holzenthal, Rennerod S. 310, 320f. und 367. Zurück
  26. Siehe dazu: Holzenthal, Rennerod S. 328. Zurück
  27. HHStA Wiesbaden Abt. 171 Nr. C 766 und 767, ebd. Nr. Z 2430 Zurück
  28. Siehe dazu Holzenthal, Rennerod S. 101und 342 mit der Nennung weitere Berufe im Amt Rennerod. In einer Aufstellung aus dem Jahr 1843 werden auch vier Drahtzüge und eine Ziegelhütte genannt. Zurück
  29. Gensicke, Rennerod, S. 252 mit den Einwohnerzahlen Rennerods zwischen 1557 (54 Leute) und 1810 (937 Einwohner). Zurück
  30. Dazu Holzenthal, Rennerod S. 102-107. Zurück
  31. Dazu ausführlich Holzenthal, Rennerod S. 154ff. Zurück
  32. Holzenthal, Rennerod S. 184. Zurück
  33. Holzentahl, Rennerod S. 187ff.; Gensicke, Rennerod S. 243. Zurück
  34. Gensicke, Rennerod S. 244 mit einer Liste der Pfarrer; Holzenthal, Rennerod S. 191, 193. Zurück
  35. Gensicke, Rennerod S. 245 mit einer Liste der Pfarrer; Holzenthal, Rennerod S. 199f. Zurück
  36. Holzenthal, Rennerod S. 249ff, 263; Gensicke, Rennerod S. 245ff. mit einer Liste der Namen der Reformierten Kapläne und Schulmeister und er katholischen Kirchspielschulmeister. Zurück
  37. Jungbluth, Rennerod S. 222f. und Holzenthal, Rennerod S. 147ff. mit weiteren Nachrichten zur Geschichte der Juden in Rennerod und im Westerwald. Siehe auch: http://www.alemannia-judaica.de/rennerod_synagoge.htm). Zurück