Hachenburg im Westerwald

Der ehemalige Nassauer Hof in Hachenburg

Die Frühzeit des Nassauer Hofes in der Wilhelmstraße liegt noch im Dunkel der Geschichte. Der Name des Gasthauses legt aber nahe, dass es in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet wurde.
Emil Heuzeroth hat eine ausführliche Beschreibung dieses ehemaligen »Hotels für fahrende Leute« hinterlassen. Nach dem 1. Weltkrieg rentierte sich der Betrieb nicht mehr und das Hotel schloss für immer seine Pforten. Eine kluge Geschäftsfrau kaufte das ganze Anwesen, ließ eine Glaspassage errichten und baute in den Hof das große Berliner Kaufhaus Fröhlich. Dann teilte sie das Anwesen in kleine Läden auf und verkaufte diese an Geschäftsleute verschiedener Branchen. Sogar die Hofeinfahrt wurde zum Laden umgestaltet. Im September/Oktober 1954 wurden die letzten Reste des einst prächtigen Nassauer Hofes, der Erker und die bunten Glasfenster, beseitigt. In dem nun eher nüchtern wirkenden Gebäude befinden sich ein Bekleidungsgeschäft und die beliebte Gaststätte »Pit's Die Kneipe«.

Eine Beschreibung von Emil Heuzeroth

In den letzten Wochen [September/Oktober 1954] sah man in der Wilhelmstraße, am Kaufhaus Fröhlich, hohe Gerüste und moderne Baumaschinen aufgestellt. Das ursprüngliche alte Haus war der Nassauer Hof. Eine Jahrhunderte alte Gaststätte, die wie die alte Krone einen weitverbreiteten guten Ruf hatte. Sie war das Stammhaus der noch heute hier ansässigen Familie Bierbrauer. In der Einwohnerliste von 1791 sind als Eigentümer des Hauses vom Markt rechts am Tor, Johann Adam Bierbrauer und Johannes Bierbrauer angegeben. Der letzte dieses Stammes war Heinrich Bierbrauer, der in den neunziger Jahren ohne Namenserben starb.

Der Nassauer Hof war mehr das Hotel der fahrenden Kaufleute. Das alte Haus, von dem ein Teil in seiner alten Gestalt im Haus Schulte erhalten geblieben ist, ging von da nach links bis an das jetzige Kaisers Kaffeegeschäft. Die zweiflügelige Eingangstür mit einer dreiseitigen Freitreppe davor war im linken Schaufenster von Schulte. Darüber ein Schild, blau mit erhabenen Goldbuchstaben in alter verschnörkelter Schrift, Hotel Nassauer Hof. Ein breiter Flur führte zur Treppe, Küche und Hof, links war die Kutscherstube, rechts ein kleines Sälchen, das Herrenzimmer. Außerhalb nach links bis zu Schneiders Laden (heutige Haus Christian) war eine breite offene Hofeinfahrt. In den mächtig großen Hof waren rechts Stallungen und Remise für die Gespanne der Gäste mit Durchfahrt zu Salzgasse. Geradeaus waren Ställe und Scheune für die eigene große Landwirtschaft. Links an der Tränk entlang war ein schmaler Hausgarten, durch eine Reihe hoher Pappelbäume von der Tränke getrennt. Diese Pappeln konnte man aus den Schulfenstern sehen.
Im Herrenzimmer tagte der Honorationen-Stammtisch und nur an Sonntagabenden verkehrten auch dort Bürgersleute, Handwerker und Geschäftsleute. Geleitet wurde alles von Philipp Schneider.
In Nassauer Zeit war Bierbrauer Mitglied des nassauischen Landtages und vertrat die liberale Partei, ein alter Achtundvierzger. Deshalb verkehrte die preußische Richtung auch mehr in der Krone.
Nach dem Ableben des Herrn Bierbrauer (um 1890) ging das Hotel in Besitz von Karl Henney über, den Inhaber der Großhandlung Philipp. Der verpachtete das Hotel und baute als Erstes an Stelle der landwirtschaftlichen Gebäude ein Magazin für seinen Großhandel (heute an gewerbliche Betriebe verpachtet). Dann baute er an das Sälchen ein Billardzimmer.
Unter Leitung eines bekannten Koblenzer Architekten ließ Herr Henney das alte Haus, bis auf das heutige Haus Schulte abreißen und im modernen Hotelstil neu aufbauen unter Miteinbezug des Schneiderschen Ladens. Im Erdgeschoss blieb der Laden Schneider, eine überbaute Toreinfahrt und Gasträume. Darüber einen modernen Saal mit Nebenzimmern, Erker und blankem Parkettboden, außen und innen kunstvoll verstukkt. Dieser Saal war für das kulturelle Leben Hachenburgs ein großer Gewinn, Es fanden Konzerte statt, namhafte auswärtige Künstler und hiesige Kräfte traten auf. Militärkapellen aus Koblenz, Mainz und Wiesbaden spielten hier. Hier tagte die große Karnevalgesellschaft mit Leo Colnant, deren Sitzungen weit über Hachenburgs Grenzen hinaus bekannt waren.
1900 kam als Pächter der heute noch bekannte Schlocker. Unter dessen Leitung kam das Lokal in Schwung und wurde das Lokal der jungen Leute. Damals hatte die Wirtschaft den größten Tagesbetrieb. In Schlockers Pachtzeit fiel auch der große Umbau.[Anm. 1]
1908 war Heinrich Baldus Inhaber des Hotels Nassauer Hof. Er bezeichnete sein Anwesen als Spezialhaus für Touristen und Geschäftsreisende. Er schenkte Münchener, Pilsener und helles Bier aus, kredenzte reine Weine, hielt einen großen Saal für Vereine bereit und verfügte über eine Automobil-Garage ebenso wie über Stallungen.[Anm. 2]

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.


Anmerkungen:

  1. Manuskript Emil Heuzeroth. Zurück
  2. Hachenburg und seine Umgebung 1908 (Geschäftsanzeige). Zurück