Bettendorf im Rhein-Lahn-Kreis

Ortsgeschichte von Bettendorf

Nordöstlich der Kreisstadt Nastätten liegt an den Westhängen des Taunus der kleine Ort Bettendorf, der im Jahr 2013 sein 850-jähriges Bestehen feiern konnte. Das Jubiläum bezieht sich auf die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes in der Mehrenberger Schenkung. Im Jahr 1163 bestätigte der Trierer Erzbischof dem Kloster Arnstein die Übertragung der Zehntabgabe in Bettendorf durch Hartrad und Irmengard von Merenberg.

Antike und Mittelalter

Bereits aus der Zeit vor der urkundlichen Ersterwähnung existieren keltische Siedlungsspuren in der heutigen Gemarkung, worauf Überreste einer Fliehburg und einige Hügelgräber hindeuten. Im Laufe des ersten vorchristlichen Jahrtausends wurden die Kelten dann von germanischen Verbänden verdrängt, bis Anfang des ersten Jahrhunderts nach Christus die Römer in die Region vordrangen. Diese errichteten im zweiten Jahrhundert an der Außengrenze ihres Reiches den Limes, der nordöstlich Bettendorfs verlief und somit den heutigen Ort miteinschloss. Noch heute sind Überreste von Wachtürmen im Wald der Nachbargemeinde Obertiefenbach erhalten. Darüber hinaus befand sich westlich von Bettendorf das Kleinkastel Pfarrhofen.[Anm. 1]

Nach dem Rückzug der Römer drangen die Franken im Laufe des fünften Jahrhunderts in die von ihnen fortan Einrichgau genannte Region vor. Möglicherweise war der Ort eine fränkische Gründung, hierzu fehlen jedoch belastbare Informationen. Der erste Beleg über die Herrschaftsverhältnisse findet sich in der eingangs erwähnten Schenkungsurkunde. Neben der Zehntabgabe wurden dem Kloster Arnstein darin weitere grundherrliche Rechte übertragen. Dazu zählten Hand- und Spanndienste sowie weitere Abgaben. Kirchlich gehörte Bettendorf zur Pfarrei Obertiefenbach, die direkt dem Kloster Arnstein unterstand.[Anm. 2]

Im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts kamen die Grafen von Nassau und die Grafen von Katzenelnbogen in den Besitz kleinerer Herrschaften in der Region um Bettendorf. Nach der Erbteilung der beiden Häuser in den Jahren 1255 und 1260 entstand das Vierherrengericht auf dem Einrichgau, das nun gemeinsam durch die Geschlechter verwaltet wurde. Diese als Kondominium bezeichnete Gemeinschaftsverwaltung führte teilweise zu Überschneidungen von Herrschaftsrechten und zur Zersplitterung der Besitzverhältnisse. Beispielsweise besaß Eberhard von Katzenelnbogen im Jahr 1260 neun Hörige und deren Kinder in Bettendorf. Insgesamt lebten ca. 14 Haushalte in dem Ort, der vom vierherrischen Amt in Marienfels aus verwaltet wurde.[Anm. 3]

Frühe Neuzeit

Nach dem Aussterben des Adelsgeschlechts Katzenelnbogen im Jahr 1479 geriet der Ort unter die Herrschaft der Landgrafen von Hessen. Nun nannte man den hessischen Teil des Einrichgaus Niedergrafschaft Katzenelnbogen. Mit dem Tod Philipps I. von Hessen, genannt dem Großmütigen, wurde das Herrschaftsgebiet 1567 unter seinen Söhnen aufgeteilt. So fiel die Niedergrafschaft an das Haus Hessen-Darmstadt.

In den ersten Jahren seiner Regentschaft hatte Landgraf Philipp im Jahr 1527 die lutherische Reformation in der Niedergrafschaft eingeführt. Der Erfolg der Reformation hatte weitreichende Folgen. Auf lokaler Ebene befanden sich die Kirchengemeinde Obertiefenbach und das Kloster Arnstein aufgrund der Finanzierung des Unterhaltes der Pfarrkirche seit 1530 im Konflikt. Dies führte zu einem Verfall des Sakralbaus und der Pfarrei. In der Folge wurden Bettendorf sowie Obertiefenbach um 1650 dem Kirchspiel Holzhausen zugeschlagen. Erst 1774 konnte die Kirche wiedererrichtet werden, die Orte sind allerdings noch heute Teil der Pfarrei Holzhausen. Auf internationaler Ebene mündeten die religiösen Spannungen in den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648). Die wenigen Zeugnisse aus dieser Zeit zeigen die verheerenden Folgen dieses europäischen Konfliktes auf den kleinen Taunusort Bettendorf. 1630 war die Einwohnerzahl des Ortes auf drei Familien gesunken, kurz vor Kriegsende folgte die völlige Zerstörung des Dorfes. Jedoch begann man bereits im Jahr 1664 mit dem Wiederaufbau um einen neuen Siedlungskern um den heutigen „Bornkippel“. Im Westfälischen Frieden musste Hessen-Darmstadt die Niedergrafschaft an Hessen-Kassel abtreten, welche das Territorium bis 1816 durch die Nebenlinie Rheinfels-Rothenburg verwalten ließ. Seit 1648 gehörte der Ort zum Amt Reichenberg.[Anm. 4]

Von einem Beamten dieses Amtes stammt die älteste erhaltene Beschreibung des Dorfes. Die 1791 vorgenommene Erhebung des Besitzes der Gemeinde diente als Grundlage zur Festsetzung von Frondiensten und Abgaben. Demnach lebten um diese Zeit 105 Einwohner in Bettendorf, von denen beinahe alle in der Landwirtschaft, besonders in der Viehzucht, tätig waren. Ausnahme hiervon bildeten zwei Leinenweber, die ebenfalls im Ort lebten. Die Erwerbsstruktur spiegelt sich in der Auflistung des Viehbestandes wider. So verzeichnet der Bericht 43 Ochsen, 155 Schafe, 37 Kühe und zwischen 40 und 60 Schweine. Von den insgesamt ca. 2000 Morgen Gemeindeland waren zwei Drittel grundherrlicher Besitz, dessen Bewirtschaftung zehntpflichtig war. Zu den bereits erwähnten Frondiensten wurden zahlreiche weitere Abgaben erwähnt: Beispielsweise hatten die Bewohner vier Klafter Holz an den Landesherrn zu entrichten. Die Einwohner der Gemeinde kamen auch für einen Teil des Unterhaltes der Schule bzw. der Pfarrei (mit Friedhof) in Obertiefenbach auf. Die gemeinsame Nutzung dieser Einrichtungen stellte einen wichtigen Teil der öffentlichen Versorgung sicher, die das kleine Bettendorf alleine nicht hätte leisten können. Des Weiteren ergibt sich aus dem Bericht die Anzahl von 18 Häusern und einem gemeindeeigenen Backhaus. Nur zwei Jahre nach diesem Bericht wurde der Ort dem Amt Nastätten zugeschlagen, mit dem es heute eine Verbandsgemeinde bildet.[Anm. 5]

Neuzeit

Nach der Französischen Revolution und den anschließenden Koalitionskriegen wurde der Rhein-Lahn-Kreis immer wieder zum Auf- und Durchmarschgebiet für die Truppen der verschiedenen Konfliktparteien. Im Zuge der territorialen Neuordnung Europas stellte Napoleon die Niedergrafschaft Katzenelnbogen zwischen 1806 und 1813 unter französische Verwaltung. Die Franzosen beseitigten zahlreiche adelige und kirchliche Privilegien und beendeten die Leibeigenschaft. Nach der militärischen Niederlage Napoleons geriet das Territorium im Jahr 1816 unter die Herrschaft des neugeschaffenen Herzogtums Nassau.[Anm. 6]

In der Historie des Herzogtums Nassau stellte die Revolution von 1848/49 den wohl bedeutendsten Einschnitt dar.  Neben dem neuen Zehntablösungsgesetz, das die Zehntpflicht der Einwohner beendete, wurde auch eine neue Gemeindeverfassung verabschiedet. Diese war eine der fortschrittlichsten ihrer Zeit und gestand den Gemeinden mehr Selbstverwaltung zu. Beispielsweise konnten die Bürger ihren Bürgermeister nun selbst wählen.[Anm. 7]

Während dieser Zeit begann man in der Gemarkung auch, die entlang der Gesteinsschichten des Taunusquarzits vorhandenen Eisenerzvorkommen zu erschließen. Zwischen 1846 und 1867 entstanden vier Bergwerke; die Gruben Wilhelm, Hausberg, Holzberg und Kuhhirtshaide. Letztere war zwischenzeitlich im Besitz der Vereinigten Stahlwerke Duisburg sowie der Barbara Erzbau AG Siegen. Alle Bergwerke waren Tagebaue, d.h. das Gestein wurde überwiegend oberirdisch gefördert. Aufgrund des vergleichsweise geringen Eisengehaltes der Erze lohnte sich der Abbau gegen Ende des 19. Jahrhunderts jedoch immer weniger, bis Ende des Ersten Weltkrieges die letzte Grube schließen musste. Die Geschichte des Bergbaus zeigt sich heute noch im Bettendorfer Wappen. Auch das 1978 ins Leben gerufene geologische Freilichtmuseum widmet sich u.a. diesem Thema.[Anm. 8]

Da das Herzogtum Nassau nach dem preußisch-österreichischen Krieg 1866 von Preußen annektiert wurde, integrierte man die Rhein-Lahn-Region und somit auch den Ort Bettendorf in die neugeschaffene Provinz Hessen-Nassau. Das Dorf gehörte zum Unterlahnkreis des Regierungsbezirks Wiesbaden. 1886 wurde der Ort sowie die Nachbargemeinden dem Landkreis St. Goarshausen zugeschlagen. In preußischer Zeit machte sich, einhergehend mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Gründerzeit, zunehmend ein bescheidener Wohlstand der Gemeinde bemerkbar. Anfang der Jahrhundertwende kündigte man die Schulgemeinschaft mit Obertiefenbach, da man 1901 ein eigenes Schulhaus errichtet hatte. 1907 baute die Gemeinde eine neue Wasserleitung sowie eine Brunnenkammer nordöstlich des Dorfes. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges war kein Dach im Ort mehr von Stroh bedeckt, 1915 wurde das erste Telefon installiert.

Über den Ersten Weltkrieg ist aus Bettendorf wenig überliefert. Wie überall im Reich wurden alle erwachsenen Männer zum Kriegsdienst eingezogen. Wie hoch ihre Zahl war und wie viele von ihnen wieder heimkehrten ist unbekannt. Auch aus der Zeit der anschließenden französischen Besatzung, die bis 1929 währte, ist nichts belegt. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Bevölkerung unter den Kriegsfolgen, der dramatischen Inflation und der Besatzung zu leiden hatte. Gesichert ist, dass die Gemeinde 1923 ans Stromnetz und zwei Jahre später an die Kanalisation angeschlossen wurde. Der technische Fortschritt hielt also auch nach dem Krieg weiter Einzug ins Dorf. 1928 erfolgte die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Bettendorf.[Anm. 9]

Das kurze Kapitel der Weimarer Republik endete im Januar 1933 mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Wie die Einwohner Bettendorfs dem nationalsozialistischen Regime gegenüber eingestellt waren lässt sich nicht sagen, die Wahlergebnisse des Kreises St. Goarshausen legen jedoch nahe, dass viele Bürger der NSDAP positiv gegenüberstanden. Während des Zweiten Weltkrieges (1939-1945) brannte eine Scheune im Ortskern nach einem Bombentreffer aus. Mehr Informationen, beispielsweise zu den Opferzahlen, liegen aus dieser Zeit nicht vor. Die Schrecken des Krieges und der Diktatur endeten für die Einwohner des Ortes am 27. März 1945 mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen. Noch heute zeugt ein fehlendes Metallstück an der Spitze des Dorfbrunnens von den Granateinschlägen der letzten Kämpfe.[Anm. 10]

Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Bettendorf zur Französischen Besatzungszone und wurde somit 1946 Teil des Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Bereits zehn Jahre später konnten die während des Krieges entfernten Glocken der Jakobuskirche in Obertiefenbach durch finanzielle Hilfe aus Bettendorf wieder ersetzt werden. Im Jahr 1965 endete mit der Eröffnung der Mittelpunktschule in Miehlen (heute Mühlenbachschule) der über 60-jährige Schulbetrieb im Ort. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre erfolgten dann zwei bedeutende Verwaltungsreformen – 1969 wurde Bettendorf Teil des neu geschaffenen Rhein-Lahn-Kreises und 1971 Teil der Verbandsgemeinde Nastätten. Zum 825-jährigen Jubiläum wurde das Ortswappen der Gemeinde entworfen und genehmigt. In der Begründung hieß es: „Die Farben [blau und gold] sind die Nassauischen Farben, die Eichel steht für den ursprünglichen Standort im Eichenwald. Die Ähren für die dorfbildprägende Landwirtschaft, Eisen und Schlägel sind das Sinnbild für die in früherer Zeit hier vorhandenen Gruben.“ Die Landwirtschaft, deren Stellenwert für die Geschichte des Ortes in der Wappenbegründung deutlich wird, verlor allerdings im Laufe der Zeit ihre Bedeutung. Die Veränderung der Erwerbsstruktur, die sich seit den 1960er Jahren überall vollzog, machte sich auch im Dorfbild bemerkbar. So wurde die nicht mehr benötigte Viehwaage 2001 umgebaut, was die Transformation Bettendorfs von einem Bauern- in ein Dienstleistungsdorf illustriert. 2010 konnten auch mit ehrenamtlicher Hilfe das Gemeindehaus sowie die Betho-Scheune im Ortskern saniert werden, wo die Gemeinde drei Jahre später ihr 850-jähriges Jubiläum begehen konnte.[Anm. 11]

Verfasser: Jan Brunner

Verwendete Literatur:

  • Deutsche Limeskommission: Orte am Limes (Übersichtskarte). URL: www.deutsche-limeskommission.de/index.php (17.06.2020).
  • Gemeinde Bettendorf (Hg.): Festschrift und Dorfchronik zur 825-Jahrfeier der Gemeinde Bettendorf am 13. und 14. August 1988. Marienfels 1988.
  • Marx, Erhard: Aus der Geschichte der Evangelischen Jakobuskirche des Kirchspiels Obertiefenbach/Bettendorf In: Rhein-Lahn-Kreis. Heimatjahrbuch (2002), S. 76-80.
  • Ortsgemeinde Bettendorf (Hg.): 850 Jahre Bettendorf. Taunusgemeinde am Weltkulturerbe Limes. Bettendorf 2013.
  • Schüler, Winfried: Das Herzogtum Nassau 1806-1866. Deutsche Geschichte im Kleinformat. Wiesbaden 2006 (=Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau Bd. 75).
  • Seibert, Hubertus: Der Aufstieg des Nationalsozialismus im Rhein-Lahn-Kreis (1925-1933). In: Kreisverwaltung des Rhein-Lahn-Kreises (Hg.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft - Geschichte - Kultur unserer Heimat. Oberwesel 1987, S. 219-251.

Letzte Bearbeitung: 03.07.2020

Anmerkungen:

  1. Deutsche Limeskommission: Orte am Limes (Übersichtskarte). http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=23 (17.06.2020); Gemeinde Bettendorf (Hg.): Festschrift und Dorfchronik zur 825-Jahrfeier der Gemeinde Bettendorf am 13. und 14. August 1988. Marienfels 1988, S. 23ff. Zurück
  2. Gemeinde Bettendorf, Dorfchronik, S. 24f.; Marx, Erhard: Aus der Geschichte der Evangelischen Jakobuskirche des Kirchspiels Obertiefenbach/Bettendorf In: Rhein-Lahn-Kreis. Heimatjahrbuch (2002), S. 76-80, hier S. 76. Zurück
  3. Gemeinde Bettendorf, Dorfchronik, S. 25. Zurück
  4. Ebd., S. 26f. Zurück
  5. Ebd., S. 25-33. Zurück
  6. Ortsgemeinde Bettendorf (Hg.): 850 Jahre Bettendorf. Taunusgemeinde am Weltkulturerbe Limes. Bettendorf 2013, Kapitel 1.1, S. 3. Zurück
  7. Schüler, Winfried: Das Herzogtum Nassau 1806-1866. Deutsche Geschichte im Kleinformat. Wiesbaden 2006 (=Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau Bd. 75), S. 18-33. Zurück
  8. Gemeinde Bettendorf, Dorfchronik, S. 49-59. Zurück
  9. Ortsgemeinde Bettendorf, Taunusgemeinde, Kapitel 1.2, S. 1-3. Zurück
  10. Ortsgemeinde Bettendorf, Taunusgemeinde, Kapitel 1.2, S. 3f.; Seibert, Hubertus: Der Aufstieg des Nationalsozialismus im Rhein-Lahn-Kreis (1925-1933). In: Kreisverwaltung des Rhein-Lahn-Kreises (Hg.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft – Geschichte – Kultur unserer Heimat. Oberwesel 1987, S. 219-251, hier S. 237ff. Zurück
  11. Ortsgemeinde Bettendorf, Taunusgemeinde, Kapitel 1.2, S. 4-20. Zurück