Büdesheim in Rheinhessen

Römische Funde in Büdesheim

Seit dem 19. Jahrhundert wurden in der Gemarkung des Ortes Büdesheim verschiedene römerzeitliche Funde geborgen, die auf eine Besiedlung des Gebietes in römischer Zeit schließen lassen. Leider fehlt bei den Funden aus dem 19. Jahrhundert der Fundkontext, da keine professionelle archäologische Grabung stattfand. Es ist nicht von einer dorfähnlichen, zusammenhängenden Siedlung auszugehen, sondern von verschiedenen Gutshöfen (villae rusticae), welche die ländlichen Bereiche Rheinhessens in römischer Zeit durchzogen.

Neben diversen Einzelfunden, auf welche im Anschluss gesondert eingegangen wird, wurden mehrere Gräber aus der Zeit der römischen Besiedlung Rheinhessens entdeckt. Die wohl Spektakulärsten wurden 1929 an der Kammerstraße gefunden. Wahrscheinlich aus einem zusammenhängenden Grabkontext stammen ein eisernes gladius (ein Kurzschwert) und eine eiserne Lanzenspitze, die in das Museum in Bingen gebracht wurden. Diese Funde sind insofern etwas Spezielles, da Gräber mit Waffenbeigaben in der römischen Zeit verhältnismäßig selten waren.[Anm. 1] Durch die Landesarchäologie wurden im Verlauf des 20. Jahrhunderts noch weitere Grab- und Siedlungsfunde (meist Keramik) in der Büdesheimer Gemarkung gemacht.[Anm. 2]

Ein römischer Ziegelbrennofen

Modell eines römischen Ziegelbrennofens mit Lochtenne des 2. Jahrhunderts n. Chr., Dömös, Nordungarn. Anhand von Grabungsfotos in der Aufsichtsperspektive räumlich gestaltet.[Bild: Gemeinfrei, https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.en]

In den 1980er Jahren wurde unterhalb des Scharlachberges beim Ausbau der Saarstraße die mit Hangschutt überdeckten Reste eines quadratischen Ziegelbrennofens (2,10m × 2,10m) entdeckt. Noch erhalten war der Boden des Brennraums (Tenne) mit den charakteristischen Heizluftlöchern. Die Wände des Raums waren fast gar nicht mehr vorhanden. Der daruntergelegene Heizraum war ebenfalls noch erhalten. Er bestand aus einem Hauptkanal und mehreren Nebenkanälen, die rechtwinklig vom Hauptkanal abzweigten und leicht anstiegen.[Anm. 3] Die im römischen Germanien gefundenen Ziegelöfen gleichen sich alle in ihrer Konstruktion. (Abb. 1) Der Heizraum, auch Feuerkammer genannt, war meist begehbar und mit mehreren Zügen (Kanälen) versehen. Darüber befand sich der ebenfalls begehbare Brennraum, dessen Boden mit Löchern versehen war, um für Hitze und Feuer durchlässig zu sein. In diesen Brennraum wurden auf Brennplatten die zu brennenden Ziegel gelegt.[Anm. 4]

Die Lesefunde, die in der Umgebung des Brennofens gemacht wurden, wurden ins 2.‑3. Jahrhundert datiert. Für den Brennofen wird derselbe Datierungszeitraum angenommen. Der Brennofen liefert einen Hinweis auf die lokale Selbstversorgung mit Baumaterialien durch die Bevölkerung zu jener Zeit.[Anm. 5]

Ein Altar für die Sulevien

Vorderansicht des Altares für die Sulevien.[Bild: Epigraphische Datenbank Heidelberg (http://edh-www.adw.uni-heidelberg.de). [CC BY-SA 4.0]]

Der Altar wurde in den 1890er Jahren in den sogenannten „Wackenäckern“ gefunden. Dabei handelt es sich um das Gebiet am Weg Ockenheim-Büdesheim, wo die Bahnschienen kreuzen.[Anm. 6] Der Stein hat eine Höhe von 0,71m, eine Breite von 0,24m und eine Tiefe von 0,20m. Die Oberfläche ist an mehreren Stellen beschädigt, die neunzeilige Inschrift nur schwer lesbar. Die zweite Zeile ist völlig verrieben. Die Inschrift lautet:[Anm. 7]

Sulevis
dea[bus]

C(aius) H[o]sti

lius Sat

urnin(us)

et H[o]sti

lia Alpi

na fra

tres

Die ersten beiden Zeilen belegen die Weihung des Altars an die Sulevien. Dabei handelt es sich um keltisch-germanische Gottheiten, die beschützende und segensspendende Aufgaben hatten und dadurch eine Verwandtschaft zu Muttergottheiten aufweisen. Das Hauptverbreitungsgebiet der gefundenen Dedikationen an jene Gottheiten ist ein Gebiet zwischen den Flüssen Rhone, Rhein und Schelde und in Britannien, es sind aber auch stadtrömische Weihungen überliefert. Im Rheinland wurden in Andernach, Köln, Trier und Ladenburg Belege für Weihungen an die Sulevien gefunden. Bei den Dedikanten handelte es sich meist um Angehörige des römischen Militärs. Insofern ist der Altar aus Büdesheim eine kleine Besonderheit, da es sich bei den beiden Dedikanten Caius Hostilius Saturnius und Hostilia Alpina aller Wahrscheinlichkeit nach um Zivilisten handelte. Es werden zumindest keine militärischen Ränge genannt und es ist außerdem eine Frau unter den Weihenden. Das Wort fratres (= Brüder; Geschwister) und das übereinstimmende Cognomen (Namensbestandteil in der römischen Namensgebung, wörtlich mit „Beinamen“ zu übersetzten) in den beiden Namen lassen außerdem darauf schließen, dass es sich bei den Dedikanten um Geschwister handelte. Datiert wird der Altar in das Ende des 1. oder den Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr.[Anm. 8]

Der Grabstein des C. Claudius Secundinus

Der Grabstein wurde 1834 bei Bauarbeiten in der heutigen Saarlandstraße 182 gefunden.[Anm. 9] Er hat eine Höhe von ca. 1,25m und eine Breite von ca. 0,75m. Er besitzt eine siebenzeilige Inschrift, von der die letzten drei Zeilen beschädigt sind. Die Inschrift lautet:[Anm. 10]

D(is) M(anibus)
C(aio) Claudio Sec

undin(o) signif(ero) ve

ter(ano) leg(ionis) XXII Pri(migeniae)

[P(iae) F(idelis)] libra[rii] et

Co[llegium sive ll(egae)] tubic(inum) milit(um)

Bing(ensium) ei p(onendum) c(uraverunt)

Der Verstorbene C. Claudius Secundinus war Veteran (veteranus). Vor seiner Verabschiedung war er Signifer (Feldzeichenträger) der 22. Legion Primigenia pia fidelis. Diese Legion war ab spätestens 43 bis 70/71 n. Chr. erstmals in Mainz stationiert. Ende des 1. Jahrhunderts kehrte die Legion nach Mainz zurück und blieb dort bis ins 4. Jahrhundert hinein. Den Ehrentitel pia fidelis (= zuverlässig und tüchtig) trug die Legion ab dem Ende des 1. Jahrhunderts. Ob auf dem Grabstein dieser Ehrentitel genannt wird ist aber unklar, da die Inschrift an jener Stelle beschädigt ist. Die Bearbeiter halten den Ehrentitel aber für eine logische Ergänzung der Inschrift.[Anm. 11] Gesetzt wurde der Stein von den libarii (den Legionsschreibern) und dem collegium tubicinum militum Bingensium, also einem Kollegium militärischer Tubabläser. Da es für solche Kollegien durchaus üblich war, sich um die Beerdigung ihrer familienloser Mitglieder zu kümmern, war der Verstorbene möglicherweise auch Mitglied dieses Kollegiums. [Anm. 12] Über die Bezeichnung milites Bingensium lässt sich keine gesicherte Aussage treffen. Die Bezeichnung ist aber auch auf anderen Grabsteinen belegt und wurde vermutlich für die Besetzung des spätantiken Kastells in Bingen im 4. Jahrhundert n. Chr. verwendet. Aufgrund der Bezeichnung milites Bingensium auf dem Grabstein müsste dieser also ins 4. Jahrhundert datiert werden. Dies stimmt aber nicht mit der Typologie der Grabstele und der vorchristlichen Sitte der Grabsteinwidmung an die dis manibus (den Toten- oder Ahnengeistern) überein, durch die der Grabstein eher ins späte 1. oder frühe 2. Jahrhundert datiert wird.[Anm. 13] 

Abbildung des Wahrzeichens (Capricorn) der Legio XXII Primigenia in einem historisierenden Mosaik in der Wohnanlage Kästrich, Mainz.[Bild: Martin Bahmann, [CC BY-SA 3.0]]

Nachweise

Verfasser: Lutz Luckhaupt

Verwendete Literatur:

  • Bayer, Heinrich: Die ländliche Besiedlung Rheinhessens und seiner Randgebiete in römischer Zeit. MZ 62 (1967), S. 125-175.
  • Behrens, Gustav: Die Binger Landschaft in der Vor- und Frühgeschichte. Mainz 1954 (= Rheinhessen in seiner Vergangenheit, Bd. 10).
  • Boppert, Walburg: Römische Steindenkmäler aus dem Landkreis Mainz-Bingen (= CSIR Deutschland, Bd. II, 14 Germania superior). Mainz 2005.
  • Roller, Otto: Wirtschaft und Verkehr. In: Heinz Cüppers (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990, S. 258-296.
  • Rupprecht, Gerd: Bingen-Büdesheim. Ziegelbrennofen. In: Heinz Cüppers (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990, S. 335.
  • Stümpel, Bernhard: Bericht der Bodendenkmalpflege in Rheinhessen und dem Kreis Kreuznach für die Zeit vom 1. April 1954 bis 31. März 1956. MZ 52 (1957), S. 103-119.
  • Stümpel, Bernhard: Bericht des staatlichen Amtes für Vor- und Frühgeschichte Mainz für 1977. MZ 75 (1980), S. 231-260.
  • Ziethen, Gabriele: Römisches Bingen. Vom Beginn der römischen Herrschaft bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. In: Gerd Rupprecht und Alexander Heising (Hrsg.): Vom Faustkeil zum Frankenschwert. Bingen. Geschichte einer Stadt am Mittelrhein. Mainz 2003, S. 23-109.

Erstellt am: 18.10.2017

Anmerkungen:

  1. Behrens, Gustav: Die Binger Landschaft in der Vor- und Frühgeschichte. Mainz 1954 (= Rheinhessen in seiner Vergangenheit, Bd. 10), S. 43. Zurück
  2. Siehe dazu Stümpel, Bernhard: Bericht der Bodendenkmalpflege in Rheinhessen und dem Kreis Kreuznach für die Zeit vom 1. April 1954 bis 31. März 1956. MZ 52 (1957), S. 103-119, hier S. 110. Bayer, Heinrich: Die ländliche Besiedlung Rheinhessens und seiner Randgebiete in römischer Zeit. MZ 62 (1967), S. 125-175, hier S. 169. Stümpel, Bernhard: Bericht des staatlichen Amtes für Vor- und Frühgeschichte Mainz für 1977. MZ 75 (1980), S. 231-260, hier S. 253. Zurück
  3. Rupprecht, Gerd: Bingen-Büdesheim. Ziegelbrennofen. In: Heinz Cüppers (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990, S. 335. Zurück
  4. Roller, Otto: Wirtschaft und Verkehr. In: Heinz Cüppers (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990, S. 258-296, hier S. 287. Zurück
  5. Rupprecht, S. 335. Zurück
  6. Boppert, Walburg: Römische Steindenkmäler aus dem Landkreis Mainz-Bingen (= CSIR Deutschland, Bd. II, 14 Germania superior). Mainz 2005, S. 63. Zurück
  7. Ebenda, S. 64. Zurück
  8. Ebenda, S. 64-65. Zurück
  9. Ebenda, S. 73. Zurück
  10. Ebenda, S. 74. Zurück
  11. Ebenda. Zurück
  12. Ziethen, Gabriele: Römisches Bingen. Vom Beginn der römischen Herrschaft bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. In: Gerd Rupprecht und Alexander Heising (Hrsg.): Vom Faustkeil zum Frankenschwert. Bingen. Geschichte einer Stadt am Mittelrhein. Mainz 2003, S. 23-109, hier S. 85. Zurück
  13. Boppert, S. 74. Zurück