Essenheim in Rheinhessen

Die Bevölkerungsgeschichte der Pfarrei Essenheim

von Elmar Rettinger

Die Kirchenbuchaufzeichnungen in der protestantischen Pfarrei Essenheim setzen relativ früh ein. Die Register beginnen 1623 und wurden schon im 17. Jahrhundert kontinuierlich geführt, wobei allerdings deutliche Unterregistrierungen das Bild erheblich beeinträchtigen. Dabei hat offensichtlich auch die Nachlässigkeit der Pfarrer eine Rolle gespielt. 1686 vermerkte der neue Pfarrer, dass sein Vorgänger die Pfarrbücher nicht geführt habe. [Anm. 1] Die Essenheimer Katholiken wurden von Schwabenheim aus betreut. Sie erscheinen ab 1735 in den dortigen Kirchenbüchern. Insgesamt sind dort von 1735 bis 1799 lediglich 78 Taufen, 14 Heiraten und 42 Begräbnisse verzeichnet, was darauf schließen lässt, dass es sich bei den Katholiken nur um eine kleine Bevölkerungsgruppe gehandelt hat.

1621 besetzten spanische Soldaten unter Spinola Stadecken und zerstörten auch ei-nige Häuser im benachbarten, damals noch pfalz-zweibrückischen Essenheim. [Anm. 2] Ob auf Grund der Kriegsereignisse in Essenheim ebenso wie in Oppenheim, wo infolge der spanischen Belagerung die Pest grassierte [Anm. 3], eine Epidemie ausbrach, lässt sich nur vermuten, da die Kirchenbuchaufzeichnungen erst 1623 einsetzen. 1624 forderte in Essenheim eine schwere Seuche ihre Opfer. Allein 1624 waren 127 und 1625 nochmals 22 Verstorbene zu beklagen. Es dürfte sich um die Auswirkungen der Pest gehandelt haben, die ab 1623 in der Region wütete.

 Im ganzen 17. Jahrhundert gibt die Sterbekurve auf Grund der häufigen Unterre-gistrierungen das Bevölkerungsgeschehen nicht zuverlässig wieder. Lediglich durch sporadische Hinweise erhält man Kenntnis von krisenhaften Entwicklungen. Am 13. Mai 1645 stürmten und plünderten kaiserlichen Truppen, so genannte „Betzische“ und „Canoffskische“ Soldaten, den Essenheimer Friedhof, wo sich offensichtlich die Einwohner des Ortes mit ihrer Habe verschanzt hatten. [Anm. 4] 1663 sind viele Sterbefälle zu verzeichnen. Eine Krise Anfang der sechziger Jahre konnte auch für andere Gemeinden auf Grund der Entwicklung der Heirats- und Geburtenkurve wahrscheinlich gemacht werden. Kriegsereignisse führten immer wieder zu Fluchtbewegungen. 1667 flohen Schwabenheimer wegen „Gefahr der Lothringer“ nach Essenheim. [Anm. 5] 1671 brach eine ansteckende Krankheit im Ort aus. [Anm. 6]

Essenheim wurde auch im 18. Jahrhundert wiederholt durch Kriegsereignisse in seiner Entwicklung gehemmt. Im Spanischen Erbfolgekrieg hatte der Ort Kontributionen zu leisten. [Anm. 7] 1705 lag in Essenheim eine Kompanie eines Hessen-Kassel'schen Dragonerregiments [Anm. 8]. Der durch die Franzosen vom 1. April bis 31. Dezember 1734 verursachte Schaden belief sich auf 8.627 Gulden [Anm. 9].

Insgesamt verläuft die demographische Entwicklung in Essenheim im 18. Jahrhun-dert in relativ ruhigen Bahnen. Lediglich in 13 Jahren starben mehr Menschen als gebo-ren wurden. Grund hierfür dürfte die Lage des Ortes etwas abseits der Durchgangsstraßen sein. Bezeichnend ist die Tatsache, dass Essenheim sowohl im 17. als auch im 18. Jahrhundert mehrfach Ziel von Flüchtlingen war, so zum Beispiel 1793 und 1796, als sich Einwohner aus Groß-Winternheim „tempore belli“ in Essenheim aufhielten. [Anm. 10]

Nur in den neunziger Jahren brach infolge der Kriegsereignisse nochmals eine demographische Krise alten Stils aus. Die Zahl der Verstorbenen stieg 1793 abrupt auf einen Spitzenwert von 85 Personen. Gegenüber 1792, als nur acht Personen starben, bedeutet dies eine Steigerung um cirka 1.000 Prozent und eine Mortalitätsrate von 131,0 [Anm. 11], der höchsten in den hier untersuchten Pfarreien. Die Haupttodesursachen waren die „hitzige Krankheit“ und die Ruhr. Hier zeigt sich das auch anderwärts (Ebersheim, Gonsenheim) zu beobachtende Phänomen, dass in den Orten, die im gesamten 18. Jahrhundert weniger von demographischen Krisen betroffen waren, die Sterblichkeit in den neunziger Jahren besonders hoch war.

Nachweise

Verfasser: Elmar Rettinger

Verwendete Literatur:

  • Mossel, Stefan: Essenheim. Geschichte und Geschichten. Ingelheim 2013.
  • Rettinger, Elmar: Die Umgebung der Stadt Mainz und ihre Bevölkerung vom 17. bis 19. Jahrhundert. Ein historisch-demographischer Beitrag zur Sozialgeschichte ländlicher Regionen. Stuttgart 2002 (Geschichtliche Landeskunde 53).
  • Rödel, Walter G.: Mainz und seine Bevölkerung im 17. und 18. Jahrhundert. Demographische Entwicklung, Lebensverhältnisse und soziale Strukturen in einer geistlichen Residenzstadt. Stuttgart 1985 (Geschichtliche Landeskunde 28).
  • Staab, Franz: Die Orte der Verbandsgemeinde Nieder-Olm vom Frühmittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. In: Nieder-Olm, S. 78-148.
  • Zschunke, Peter: Konfession und Alltag in Oppenheim. Beiträge zur Geschichte von Bevölkerung und Gesellschaft einer gemischt-konfessionellen Kleinstadt in der frühen Neuzeit. Wiesbaden 1984. (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte. Abt. für Abendländische Religionsgeschichte, Bd. 115).

Aktialisiert am: 19.10.2014

Anmerkungen:

  1. KB Ober-Olm, Taufregister 1686. Zurück
  2. Staab, Orte, hier S. 115; ebenso zu den anderen Gemeinden der heutigen Verbandsgemeinde Nieder-Olm: Ober-Olm, Zornheim und Sörgenloch. Zurück
  3. Zschunke, Oppenheim, S. 230. Zurück
  4. KB Essenheim, Begräbnisregister 1645. - Staab, Orte, S. 116.  Zurück
  5. KB Essenheim, Begräbnisregister 1667. Zurück
  6. SAWü, Mainzer Polizeiakten, V, 1052. Zurück
  7. Staab, Orte, S. 120, Anm. 320. Zurück
  8. KB Essenheim, Heiratsregister 1705. Zurück
  9. LASp, ehem. StAOpp V, 6. - Ebd. eine Liste der Abgaben aus Essenheim anlässlich der Belagerung Oppenheims durch die Franzosen 1735. Zurück
  10. KB Schwabenheim, Begräbnisregister 1793, 1796. Zurück
  11. bezogen auf die Einwohner 1798 Zurück