Hachenburg im Westerwald

Residenz Hachenburg

Herrschaftsmittelpunkt im 13. Jahrhundert

Erstmals als Beurkundungsort genannt wird die Hachenburg am 9. September 1240. Damals nahm Graf Heinrich III. als Lehensherr die Dienste des Edelherrn Bruno von Braunsberg entgegen. Nachdem die Grafen von Sponheim seit 1253 das Heft in der Grafschaft in die Hand genommen hatten, wurde Hachenburg von den Grafen des Öfteren aufgesucht. Graf Gottfried I. (reg. 1254-1283), der sich bereits 1254 von Sayn nannte, war mehrfach in Hachenburg anzutreffen. Am 4. Juni 1255 urkundete er zusammen mit seinem Vater Johann I. (1247-1266) erstmals in Hachenburg. Eine weitere Urkunde stellte er 1272 auf der Hachenburger Burg aus.

Königlicher Besuch

Endgültig kann Hachenburg dann als eine Hauptresidenz der Grafen angesehen werden, als sich König Adolf von Nassau (1292-1298) zwischen dem 13. und 19. Juni 1293 mehrere Tage in Hachenburg aufhielt. Hinter dieser Hinwendung zu Hachenburg und den östlichen Teilen der Grafschaft stand der territoriale Druck, den das Erzstift Köln und das Herzogtum Berg auf die westlichen Besitzungen der Grafschaft ausübten. Den Gebietsverlusten im Westen standen neu gewonnene Positionen im Osten gegenüber. Die vom Grafen 1314 erbetene Verleihung des Stadtrechtes für die saynschen Stützpunkte Hachenburg, Altenkirchen und Weltersburg sind deutliche Kennzeichen für eine Verlagerung des Schwerpunktes der Grafschaft.
König Ludwig der Bayer (1314-1347) weilte zwischen dem 26. und 28. Januar 1324 bei Graf Gottfried II. (reg. 1324-1327) in Hachenburg und ließ hier vier Urkunden ausfertigen. Eine dieser Urkunden stellte er ausdrücklich auf der Hachenburg aus, zwei weitere apud opidum Hachemberc bzw. apud Hachenberg, also „bei (der Stadt) Hachenburg“. Offensichtlich hat der Herrscher im Zeltlager vor dem Obertor gewohnt, in dem sich auch der mächtigste Reichsfürst des Reiches, der rheinische Pfalzgraf Adolf (1319-1327) aufhielt. Für Amtshandlungen nutzte man wohl die Repräsentationsräume auf der Burg. Im Jahr 1326 weilte der König nochmals in der Stadt und stellte dort eine Urkunde aus.
In den nachfolgenden Jahrzehnten residierten die Grafen häufig in der Stadt, ließen eine ausgeprägte Verwaltung auf dem Schloss entstehen und begannen, sich in die Geschicke "ihrer" Stadt und deren wirtschaftlicher Entwicklung einzumischen.

"Einlagerort" Hachenburg

Wie wichtig Hachenburg für die Grafen wurde, zeigen die sog. Einlager in der Stadt. Unter Einlager versteht man die Verpflichtung eines Bürgen, so lange an einem vereinbarten Ort Quartier zu nehmen, bis ein säumiger Schuldner, für den man bürgte, seine Schulden bezahlt hatte. Der Bürge musste sich dann, meist zusammen mit einem Knecht und einem Pferd, in einem öffentlichen Gasthaus so lange aufhalten, bis die Schuld getilgt war. Natürlich wurden in der Regel nur Orte als Einlager ausgewählt, die über eine entsprechende Bedeutung und Infrastruktur verfügten. Erstmals als Ort eines Einlagers ist Hachenburg 1345 bezeugt.
Im 14. Jahrhundert erfüllte Hachenburg alle Voraussetzungen einer gräflichen Residenzstadt, sei es als Verwaltungsmittelpunkt oder als Bezugspunkt einer überregionalen Burgenpolitik.
Mit dem Bedeutungszuwachs Hachenburgs ging eine positive wirtschaftliche Entwicklung der Residenzstadt einher. Die zahlreichen gut verdienenden gräflichen "Beamten" und ihre Familien, die wachsende Zahl der Besucher und Durchreisenden ließen die Kassen der Handwerker, Händler, Gastwirte und Gewerbetreibenden klingeln.

"Hauptstadt" vom 15. bis 17. Jahrhundert

Die positiven Aspekte der Residenzfunktion in Wirtschaft, Schule, Städtebau und Infrastruktur setzten sich im 15. Jahrhundert fort. Immer häufiger hielten sich die Grafen in der Stadt auf, regelten die Angelegenheiten ihrer Mannen und Burgmannen. Im Jahr 1433/34 kam Graf Philipp von Katzenelnbogen auf seiner Reise von Kassel über Marburg nach Köln in Hachenburg vorbei. Über seinen Aufenthalt selbst ist leider nichts bekannt. Im Jahr 1437 brachten Soldaten des Sayner Grafen Dietrich (reg. 1420-1452) Beute, die sie im Gebiet des Grafen von Katzenelnbogen gemacht hatten, hinter die Mauern der Burg und der Stadt in Sicherheit. Die Burg passte sich baulich dem Bedeutungszuwachs an. Am 6. Oktober 1455 wird der Rittersaal (saal) erwähnt, in dem das Lehensgericht des Grafen zu tagen pflegte. Mehr erfährt man von diesem zentralen Repräsentationsraum auf der Burg nicht.
Auch im 16. Jahrhundert diente das Schloss in Hachenburg häufig als Residenz der Grafen. Nach wie vor kam das herrschaftliche Mannengericht auf der Burg zusammen, immer wieder nahmen die Grafen hier Belehnungen vor. Die Anwesenheit zahlreicher Burgmannen, die teilweise prächtige Burgmannenhäuser zu Füßen der Burg errichteten, ist ein beredtes Zeichen dafür, dass Hachenburg die Hauptstadt der Grafschaft geworden war. In Hachenburg waren die wesentlichen Verwaltungsstellen der Grafschaft, hier fühlte sich die Grafenfamilie sicher. 1629 ist Hachenburg neben Friedewald und Altenkirchen als Witwensitz der Gräfin Loysa Juliana im Gespräch.
Als der Bischof von Osnabrück 1636 die Gräfin Loysa Juliana von ihrem Witwensitz vertrieb und in Hachenburg die Macht übernahm, urkundete er symbolträchtig uff unserm Schloß Hachenburg. Das Schloss war das äußere Zeichen seiner Herrschaft, die er auch gegenüber der Stadt unter Beweis stellen musste. Deshalb konnte er die entmachtete Gräfin auch nicht auf der Burg dulden. Er trieb sie ins Exil nach Freusburg bzw. Friedewald.
Bei der Rückgabe des saynschen Besitzes 1648 wurde der entlassene Rentmeister des Bischofs, Andreas Scheuern, natürlich uffm Schloß unten uffm gang aufgefordert, die Residenzschlüssel zurückzugeben. Nach erfolgter Übergabe stellte Gräfin Loysa Juliana am 27./27. Februar 1649 sofort eine Urkunde "auf ihrem Schloss" aus.

Residenzbauten des 17. und 18. Jahrhunderts

Graf Salentin Ernst von Manderscheid-Blankenheim, der seit 1652 über 50 Jahre lang die Geschicke der Grafschaft leiten sollte, fühlte sich ganz als Hachenburger und richtete hier seine Landesregierung und Zentralbehörden ein. 1663 und 1678 nennt er sich "Graf zu Manderscheid von Hachenburg". Während eines Aufenthaltes in Blankenheim klagte er am 18. Oktober 1678, alle seine Schlösser seien in die Hände der Franzosen gefallen, er wolle seine Kinder in das sichere Hachenburg schicken.
Da Burggraf Georg Friedrich (reg. 1715-1749) sich dauernd in Hachenburg aufzuhalten gedachte, ließ er die als Residenz baulich ungeeignete Burg zu einem repräsentativen Barockschloss umbauen. Im Oberschloss befanden sich die herrschaftlichen Gemächer und Repräsentationsräume. Im Unterschloss fanden die verschiedenen Abteilungen der Grafschaftsverwaltung und die Soldaten mit ihren Pferden Platz. Als besonderes Kennzeichen der herrschaftlichen Residenz wurde ein Burggarten angelegt. Auch eine gut ausgestattete Bibliothek wurde eingerichtet. 343 Bücher standen damals in den Regalen, Bücher zur Land- und Gartenwirtschaft, zur Tier- und Pflanzenkunde, Biographien von Königen und Kaisern, Werke zur Geschichte, zur katholischen und evangelischen (kritischen) Literatur, Predigtbücher, erbauliche Schriften, Arzneibücher, Bücher zu fremden Sprachen (Latein, Französisch, Italienisch) und verschiedene wissenschaftliche Bücher. Zu finden waren ebenfalls einige Traktate zu Waisenhäusern, so etwa zu denen in Langendorf, Nordhausen, Nördlingen, Hirschfeld, Wiesbaden, Stolberg und Züllichow in Pommern. Erwähnenswert sind auch das Klein Träktatgen um Spielen zu lernen sowie einige Spiele (Stein, Schach, Picqüet). Ein Catalogus (in türkischem Papier) über das Warenangebot in Hachenburg zeigt, wie sehr Hachenburg wirtschaftlich von der Anwesenheit der Grafenfamilie und ihrer Angestellten profitierte.
Kennzeichen der Residenzfunktion Hachenburgs sind auch die beiden "Schlösschen" Louisenlust (westlich Müschenbach) und Sophiental (heute Meierei bei Mittelhattert), die im Umkreis der Residenzstadt entstanden. Die in diesem Zusammenhang ebenfalls genannten "Schlösser" Bellen (Hof bei Steinebach) und Lützelau (Ort an der Kleinen Nister) sind nie "Schlösser" gewesen, sondern im Zuge romantischer Vorstellungen vom Volksmund zu solchen erklärt worden.
Zur herrschaftlichen Darstellung passen die Staatsbesuche des 18. Jahrhunderts, etwa 1748 der Besuch des Erbprinzen Alexander von Ansbach in der Stadt, 1749 das Treffen des Westfälischen Grafenvereins in Hachenburg, 1771 der so eindringlich überlieferte Einzug der jungen Burggräfin Isabelle Auguste mit großem Gepränge, der Besuch des Trierer Kurfürsten Clemens Wenzeslaus von Sachsen am 27. Juli 1775 sowie die „Erbhuldigung“, die feierliche Übergang der ehemaligen Grafschaft Sayn 1799 an das Haus Nassau-Weilburg.

Die Zentralortfunktion Hachenburgs hatte für die Stadt aber auch gravierende Nachteile. So wirkte es sich für die Stadt zuweilen verheerend aus, dass die "Hauptstadt" der Grafschaft an der Köln-Leipziger Straße lag, die als Hauptverkehrsader quer durch den Westerwald verlief. Alle Armeen, die sich von West nach Ost und umgekehrt bewegten, pflegten durch Hachenburg zu ziehen, dort Station zu machen und die wirtschaftlichen Ressourcen der wohlhabenden Stadt in Anspruch zu nehmen. Hier konnten die Quartiermacher am ehesten damit rechnen, dass ihre Forderungen nach Unterkünften, Verpflegungsleistungen und Kontributionszahlungen befriedigt wurden. Die häufige Anwesenheit fremder Soldaten und ihres Trosses bedeuteten regelmäßig Verwüstung und Zerstörung, Plünderung, Raubbau an Gärten, Feldern und Wäldern und eingeschleppte Krankheiten.

Residenz nach 1799

Nach dem Tod des letzten regierenden Burggrafen Johan August von Kirchberg am 11. April 1799, blieb Isabelle Auguste, die Witwe seines Neffen, des Burggrafen Wilhelm Georg, mit ihrer kleinen Familie im Residenzschloss wohnen. Am 9. Juni 1804 hieß es, "Hachenburg [sei] gegenwärtig noch suo modo als Residenz Ort zu betrachten".
Nach dem Tode der Gräfin Isabelle Auguste 1824 lag das Schloss zunächst verwaist. Doch dann blühte das Schloss noch einmal für kurze Zeit als Residenz auf. Fürst Alexander von Sayn-Wittgenstein, der nach seiner 2. Vermählung (1883) „nur“ noch den Titel "Graf von Hachenburg" führte, bewohnte zwischen 1885-1895 das Schloss, bis er nach Friedewald übersiedelte. Dann zog er 1937 nochmals auf dem Schloss seiner Vorväter ein. Mit seinem Tode am 12. August 1940 endete die Residenzzeit des Hachenburger Schlosses dann endgültig.

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.