Bibliothek

4.2.1 Analyse der Vorworte

Die Verfasser der Vorworte thematisieren schon dort die historische Entwicklung der Städte und ihrer Bewohner, allerdings auf unterschiedliche Art und Weise. Frisch erwähnt anfangs kurz die Gründung der deutschen Siedlung und ihr Ende in Folge des Zweiten Weltkriegs. [Anm. 1] Stoffel hingegen beschreibt ausführlich vor allem die als mühsam empfundenen ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts sowie die Folgen des Endes des Zweiten Weltkriegs wie „Totale Enteignung, Verschleppung in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit […], Rechtlosigkeit, Verunglimpfung, systematische Überfremdung durch rumänische Umsiedlung ins Banat.“ Den Schwaben sei „die Heimat zur Fremde“ geworden, sie seien „mit nichts in die Urheimat ihrer Ahnen gezogen“ und „die Geschichte der Schwaben […] im östlichen Banat [gehe] bald zu Ende[.]“ Diese emotionale Beschreibung steht im Gegensatz zur knappen Erwähnung der Ursachen dieser Ereignisse, des „Zweiten Weltkrieg[s] und dessen Begleiterscheinungen[.]“ Welche „Begleiterscheinungen“ gemeint sind, wird nicht dargelegt, allerdings spricht er an anderer Stelle in Bezug auf die Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg davon, dass viele Angehörige der Erlebnisgeneration nicht mehr lebten, da sie „Opfer lebensfremder Denkweisen von rechts und links“ geworden seien.[Anm. 2]
Frisch hebt hervor, dass die Erinnerung an „die Leistungen, Freuden und Nöte, Hoffnungen und Enttäuschungen der deutschen Menschen unserer Stadt“ wichtig sei für „ein bessere[s] Verständnis untereinander, aber auch über nationale Barrieren hinweg[.]“[Anm. 3] Im Heimatbuch Hatzfeld wird explizit von „Dank und Anerkennung an unsere Ahnen“ geschrieben und deren „Leistungen, […] Fleiß, […], Ausdauer und ihre Redlichkeit des Strebens, von der Urbarmachung des Bodens bis zur Blüte ihres Gemeinwesens[.]“ Die eigene Geschichte wird als von Rückschlägen, die man tapfer durchgestanden habe geprägt dargestellt. Zu diesen Rückschlägen zählen „Seuchen, Schlechtwetterjahre, Hochwasser“, aber auch „der zweimalige Grenzwechsel“, also die Angliederung an Serbien 1918 und 1923 an Rumänien werden als „schweres Unglück für die ganze Gemeinde“ bezeichnet. Der Autor betont, man habe nie verzagt, im Vertrauen auf Gott weiter gearbeitet und das Schicksal wieder zum Guten gewendet.[Anm. 4]
Als Zielpublikum des Heimatsbuchs nennt Frisch die „Kinder und Kindeskinder“ sowie „de[r]jenige [..], der geschichtliche Zusammenhänge oder einzelne Begebenheiten mit größter Akribie verfolgen möchte.“[Anm. 5] Das Heimatbuch Hatzfeld richtet sich an „Landsleute überall in der Welt, auch die, die noch in Hatzfeld sind und dort bleiben wollen“ sowie an „unsere Kinder und Kindeskinder“.[Anm. 6]
Die Funktion der Heimatbücher sei in beiden Fällen die eines „Nachschlagewerks“. Beide Autoren gehen zusätzlich von einer lehrenden Funktion der Darstellung der eigenen Geschichte aus und deuten einen überregionalen Kontext an. Im Heimatbuch Hatzfeld wird laut Frisch versucht, die Geschichte anhand der Gegenüberstellung vieler, wie er auch selbst anerkennt manchmal widersprüchlicher Quellen, „in möglichst umfassender, emotionsloser Weise darzustellen.“ Im geschichtlichen Teil werde aufgrund christlicher Denkweise nicht gewertet. Er wolle eine „persönliche, wahrheitsbezogene Meinungsbildung des Lesers“ ermöglichen und eine auf Hass gegründete Meinung korrigieren. Hier deutet er eine überregionale und politisch versöhnliche Position an, indem er dies bezeichnet als „Voraussetzung für eine langsame, zukünftige Überwindung […] unversöhnlicher Standpunkte, von deren Anachronismus ich überzeugt bin“ und vom „Verständnis [..] über nationale Barrieren hinweg“ spricht.[Anm. 7] Eine eher idealisierende Beispielfunktion des Heimatbuchs findet sich bei Stoffel. Betont wird unter anderem, dass man „mit den anderen Völkern in diesem Raum in Frieden und Freundschaft zusammenlebte[…].“ In manchen Dörfern hätten drei Kirchen in der Ortsmitte gestanden, ein Hinweis auf die verschiedenen christlichen Konfessionen. Er stellt die „Leistungen und das Leben [der] Vorfahren“ dar als „Beispiel, wie man das Europa der Zukunft gestalten könnte.“[Anm. 8] Ob der Autor damit Bezug nimmt auf die beginnende Spaltung Jugoslawiens und das Ende des Kommunismus in Rumänien wird nicht eindeutig ersichtlich.
Stoffel beendet das Vorwort mit der Aufforderung, jede hatzfelder Familie solle ein Exemplar des Heimatbuchs besitzen, „um damit die Liebe zu unserer Heimatgemeinde und die Zusammengehörigkeit seiner Einwohner zu beweisen.“ Es sollte das Heimatgefühl stärken und die Verbindung zu „unserer Heimat“ aufrechterhalten.[Anm. 9] Eine solche Aufforderung und identitätsstiftende Charakterisierung der Funktion des Heimatbuchs findet sich nur bei Stoffel, nicht aber im Heimatbuch Werschetz.

Anmerkungen:

  1. Frisch. S. 7. Zurück
  2. Petri. S. 5f. Zurück
  3. Frisch. S. 7. Zurück
  4. Petri. S. 5. Zurück
  5. Frisch. S. 7. Zurück
  6. Petri. S. 6. Zurück
  7. Frisch. S. 7. Zurück
  8. Petri. S. 6. Zurück
  9. Petri. S. 6. Zurück