Seelbach im Rhein-Lahn-Kreis

Zur Geschichte von Seelbach

Seelbach leitet seinen Namen von einem kleinen, im Südwesten der Gemarkung in den Dörsbach mündenden Gewässer ab. Die erste überlieferte Urkunde, in der der Ort erwähnt wird, stammt aus dem Jahr 1142 und steht in Zusammenhang mit der Gründung des Klosters Arnstein, das sich knapp eineinhalb Kilometer westlich von Seelbach befindet. In einem Privileg des Papstes Innozenz II. wird auf die Gründungsurkunde dieses Klosters von 1139 verwiesen, in der „Seelbach mit allem Besitz“ [Anm. 1] der neuen Abtei geschenkt wurde. Das genaue Gründungsdatum Seelbachs ist indes unbekannt.[Anm. 2]

Das neue Kloster Arnstein hatte die Landesherrschaft in Seelbach inne. Die Abtei war zwar reichsunmittelbar, lehnte sich aber zumeist an Schutzherren in der Umgebung an. Dies waren zunächst die Grafen von Nassau. Das Kloster geriet jedoch in immer stärkere Abhängigkeit von der Grafschaft. Im Zuge der Reformation traten die Grafen zudem zum protestantischen Glauben über und bedrängten das Kloster. 1542 übernahm deshalb der Erzbischof von Trier den Schutz des Klosters – eine ebenfalls durchaus problematische Beziehung, da Trier seine Macht auf Kosten Arnsteins auszuweiten versuchte.[Anm. 3] Neben Seelbach stand auch der nahe Ort Winden über mehrere Jahrhunderte hinweg unter Arnsteinischer Herrschaft.[Anm. 4]

Die Verwaltung im Ort übertrug der Abt auf einen Schultheißen. Dieser erfüllte einige Verwaltungsaufgaben, darunter etwa die Einholung des Zehnten für die Abtei.  Der Abt ernannte zudem den Bürgermeister, der damals im Gegensatz zu den heutigen Befugnissen und Aufgaben als „kleine Polizei“ für Sicherheit und Ordnung zuständig war. Der Abt ernannte zudem auch die Schöffen des Schöffengerichts.[Anm. 5]

Im 17. Jahrhundert wurde der Ort zunächst 1612 von der Pest heimgesucht. Vom Dreißigjährigen Krieg war Seelbach ab 1635 betroffen. Kloster und Ort wurden mehrfach geplündert. Von den Einwohnern blieb möglicherweise nur jeder fünfte bzw. zehnte am Leben / im Ort wohnen.[Anm. 6]

Für das Jahr 1680 ist der erste Lehrer im Ort überliefert. Der Schulunterricht wurde dabei wohl zunächst im Rathaus abgehalten. Pfarrkirche des Ortes war bis ins 19. Jahrhundert hinein die Margaretenkirche, die etwas nördlich des Klosters Arnstein liegt. Die Kirche war recht weit vom Ort entfernt. Deshalb wurde – wann genau, ist nicht bekannt – eine Kapelle in Seelbach gebaut. Die heutige Kapelle stammt aus dem Jahr 1746.[Anm. 7]

In Folge des Friedens von Lunéville wurde die Abtei Arnstein säkularisiert. Ihr Herrschaftsgebiet fiel an Nassau-Weilburg, das sich 1806 mit Nassau-Usingen zum Herzogtum Nassau vereinigte. Dem Herzogtum gehörte Seelbach bis zu dessen Auflösung 1866 an. In der Nassauischen Zeit wurden einige tiefgreifende Veränderungen vorgenommen. 1808 wurde die Leibeigenschaft aufgehoben. 1813 nahm die Gemeinde das nassauische Angebot an, die vormalige Abteikirche, die schon seit 1801 anstelle der baufälligen Margaretenkirche verwendet wurde, als Pfarrkirche zu verwenden. Die Abteikirche wurde daraufhin wenig fachgemäß umgebaut, so dass bald weitere Renovierungs- und Umbaumaßnahmen notwendig wurden. Auch in der Kirchenorganisation vollzogen sich einige Änderungen. So wurde der Pfarrbezirk um Attenhausen und Singhofen erweitert. Durch die Säkularisation wurde die Pfarrei, die zuvor exempt – das heißt aus der kirchlichen Organisation ausgenommen – war, nun dem Bistum Trier unterstellt.[Anm. 8]

1817 wurde das Schulwesen reformiert. Ab 1821 wurde zudem der Lehrer verpflichtet, eine Schulchronik zu führen. Diese stellt eine hervorragend wichtige Quelle zur Erforschung der Ortsgeschichte dar. Der Schulunterricht wurde aber teilweise nur widerstrebend angenommen, insbesondere dann, wenn die Kinder während der Erntezeit als Arbeitskräfte benötigt wurden. 1834 wurde ein neues Schulgebäude errichtet und zwei Jahre später in Betrieb genommen.[Anm. 9]

Das Revolutionsjahr 1848 brachte Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen. 1861 wurde im Nachbarort Obernhof ein Bahnhof errichtet. Ab 1866 gehörte Seelbach zu Preußen. Die Entwicklung Seelbachs im 19. Jahrhundert war sehr wechselhaft. Dies zeigen auch die Einwohnerzahlen, die einigen Schwankungen unterworfen waren. Als Ursachen dafür wurden etwa der Rückgang des Bergbaus und die „Ungunst“ der Landwirtschaft ausgemacht.[Anm. 10]

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Wasserleitung gebaut. Die Infrastruktur wurde auch für Seelbach durch die Errichtung der Lahnbrücke in Obernhof verbessert.[Anm. 11] Ab 1900 entstand auch die Siedlung Neuseelbach, die aber 1933 an Oberndorf angeschlossen wurde.[Anm. 12]

Den Kriegshandlungen im Ersten Weltkrieg fielen 16 Seelbacher zum Opfer. Auf den Weltkrieg folgte die erste deutsche Demokratie. Seelbach war katholisch geprägt. Erst seit 1908 hat der Ort evangelische EinwohnerInnen. Die katholische Prägung schlug sich auch politisch nieder. In der Zeit der Weimarer Republik war das Zentrum – also die Partei des politischen Katholizismus – die dominierende Partei in Seelbach.[Anm. 13]

1933 begann aber auch für Seelbach die Zeit der NS-Diktatur. Die NS-Zeit ist für Seelbach noch nicht detailliert erforscht. Allerdings sind einige Ereignisse erfasst, die die jüdischen EinwohnerInnen Seelbachs betreffen. 1935 zerstörte Jungvolk aus Attenhausen und Seelbach Gedenktafeln auf dem Ende des 19. Jahrhunderts angelegten jüdischen Friedhof in Seelbach.[Anm. 14] Alteingesessen war die jüdische Familie Julius Arnsteins, deren Mitglieder schon 1802/3 in der Einwohnerstatistik auftauchten. Im Zuge der Reichspogromnacht wurde die Familie überfallen und misshandelt, ihr Mobiliar zertrümmert. Die Täter kamen wohl vor allem aus Seelbach und Attenhausen, einige auch aus Nassau und Singhofen.[Anm. 15]  Im Holocaust wurden mindestens elf ehemalige SeelbacherInnen ermordet.[Anm. 16] Zudem wurde ein Seelbacher im Rahmen der Krankenmorde, der sogenannten „Euthanasie“, ermordet.[Anm. 17]

Im Zweiten Weltkrieg wurde Seelbach das Ziel mehrerer Luftangriffe. Ein Angriff mit Brandbomben im September 1942 forderte zwei Todesopfer. Im März 1945 starb ein Kind bei einem Angriff. Zudem starben 14 Seelbacher an der Front, 13 werden vermisst.[Anm. 18]

Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte sich das Erscheinungsbild der Gemeinde. Die Landwirtschaft büßte als Lebensgrundlage weiter an Bedeutung ein. Die Zahl der Vollerwerbsbetriebe nahm weiter ab. 1992 gab es noch zwei solche Betriebe. Die Landmaschinenfabrik Schönberger verlagerte ihre Produktion schwerpunktmäßig weiter nach Lahnstein. 1964 wurde der Betrieb, der wohl bis in die 1980er Jahre existierte, ganz nach Lahnstein verlagert. Größere Bedeutung erlangte der Fremdenverkehr. Zudem wurden, nachdem Seelbach 1984 als „Dorferneuerungsgemeinde“ anerkannt worden war, mit Förderung des Landes markante Punkte der Gemeinde neu gestaltet, so etwa die zentralen Plätze im Ort. Heute (Stand 31.12.2020) hat Seelbach 406 EinwohnerInnen.[Anm. 19]

Verfasser: Christoph Schmieder

Quellen:

  • Gemeinde Seelbach (Hrsg.): Festschrift zum 850jährigen Bestehen der Gemeinde Seelbach. Seelbach 1992.
  • Lehna, Gertrud: Eine Zeitreise durch Seelbach mit Gertrud Lehna ca. 1936 bis 1950. Bad Ems 2017.
  • Merz, Stefan: 100 Jahre Kath. Kirche St. Anna in Seelbach 1912-2012. 100 Jahre Kirchweih „Anne-Kerb“. Geschichte, Legenden und Tatsachen rund um das Kirchspiel Seelbach. Seelbach 2012.
  • Seibert, Hubertus: Zwischen Integration und Deportation. Zur Geschichte der Juden im Rhein-Lahn-Gebiet 1918-1945. In: Agnes Allroggen-Bedel (Hrsg.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft, Geschichte, Kultur unserer Heimat. Oberwesel/Rhein 1987, S. 252–278.
  • Seibert, Hubertus: Der Aufstieg des Nationalsozialismus im Rhein-Lahn-Kreis (1925-1933), in: Agnes Allroggen-Bedel (Hrsg.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft, Geschichte, Kultur unserer Heimat, Oberwesel/Rhein 1987, S. 219–251.
  • Werner, Paskal: Seelbach, Rhein-Lahn-Kreis. Eine kurze Ortsgeschichte. Seelbach 1969.

Zuletzt geändert: 9. Juli 2021

Anmerkungen:

  1. Werner, S. 7. Zurück
  2. Werner, S. 5. Zurück
  3. Werner, S. 7; Krings, S. 391–394. Zurück
  4. Werner, S. 8. Zurück
  5. Werner, S. 9. Zurück
  6. Werner, S. 30. Zurück
  7. Werner, S. 75, S. 88, S. 94f. Zurück
  8. Merz, S. 16; Werner, S. 33, S. 75f. Zurück
  9. Werner, S. 96-98. Zurück
  10. Werner, S. 22f. Zurück
  11. Werner, S. 36. Zurück
  12. Werner, S. 5. Zurück
  13. Werner, S. 43; Seibert, Aufstieg, S. 240; Festschrift 1992, S. 24. Zurück
  14. Seibert, Juden, S. 264f. Zurück
  15. Lehna, S. 13; Werner, S. 38. Zurück
  16. Gedenkbuch des Bundesarchivs; Seibert, Deportation, S. 275f.; Werner, S. 38; Lehna, S. 23–26. Die genaue Zahl ist etwas unklar. Das Gedenkbuch führt 10 Personen auf, die im nassauischen Seelbach geboren wurden und im Holocaust ermordet wurden, sowie eine Person, bei der Seelbach auch als Wohnort angegeben ist und die offenbar in die Familie Arnstein einheiratete. Seibert führt sechs SeelbacherInnen auf, die im Holocaust starben. Unklar ist das Schicksal von Bert(h)a Ludwig. Diese wird sowohl von Lehna als auch Werner aufgeführt, taucht aber im Gegensatz zu ihrer Schwester Dina Blum nicht in der Liste des Bundesarchivs auf. Weitere Recherchen oder Hinweise wären hier hilfreich. Zurück
  17. Werner, S. 38. Zurück
  18. Werner, S. 38–40, S. 43. Zurück
  19. Festschrift 1992, S. 16, S. 28–30; zur Einstellung der Produktion Schönberger siehe http://www.landtechnik-historisch.de/historische-landmaschinen/schoenberger-jakob/ (7. Juni 2021); zur Erwerbssituation auch interessant: Lehna, S. 7f. https://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714110128&tp=1043&ts=tsPop01 (18. Juni 2021) Zurück