Wallertheim in Rheinhessen

Die Landschaft um Wallertheim

Die fruchtbaren Böden verdanken wir den klimatischen Bedingungen der letzten Eiszeit. Sie waren einer der Auslöser dafür, dass sich Menschen hier ansiedelten. Doch auch der Wiesbach, eines der wenigen Fließgewässer in Rheinhessen, sowie das Vorkommen von Eisenerz am Wissberg, waren gute Gründe.

Eiszeitliche Tundra

Fruchtbare Lössböden rund um Wallertheim

Im Verlauf der letzten ca. 2,6 Millionen Jahren kann man heute noch mehrere Kaltzeiten (früher sagte man „Eiszeiten“) unterscheiden, getrennt durch wärmere Epochen. Die letzten beiden Kaltzeiten dauerten von 300.000 bis 130.000 v.Chr. („Saale-Riß-Kaltzeit“) bzw. von 115.000- 10.000 v.Chr. („Weichsel-Würm-Kaltzeit“). In den Kaltzeiten bedeckten mächtige Gletscher den Norden Europas, sie reichten bis weit nach Norddeutschland hinein. Auch die Alpen waren gletscherbedeckt. Die Zungen der Gletscher reichten weit ins Voralpenland hinein, hinterließen Moränenhügel und Seen, wie Starnberger See, Chiemsee und Tegernsee. Das dazwischen liegende Land muss man sich als ziemlich kahle Tundra vorstellen, ähnlich der im heutigen Nordsibirien oder Nordkanada. Der Boden war nur spärlich durch witterungsharte Gräser, Moose und Flechten bedeckt, Bäume oder gar Wälder waren eher selten anzutreffen. Die Flüsse hatten kaum Abtragskraft, die Hauptarbeit der Erosion übernahm der Spaltenfrost, der ungleichmäßig große Felsbrocken aus dem Gestein sprengte und den Boden tiefgründig erfasste. Die Flüsse schnitten sich deswegen während der Kaltzeiten nicht wesentlich tiefer ein, sondern häuften umfangreiche Kies- und Schotterterrassen auf. Erst in den Warmzeiten, wo die Niederschläge wieder reicher wurden und der Bodenfrost wenigstens zeitweise verschwand, konnte wieder Abtragung einsetzen. Jetzt schnitten sich die Flüsse weiter in den Untergrund ein und modellierten die heutige Landschaft heraus.

Neben den Schotterterrassen der Flüsse gibt es noch eine weitere und gerade für Rheinhessen ganz wichtige Ablagerung: Den Löss. In den trockenen, kalten Stadien der Eiszeit wurde aus den Schotterebenen und vom oft ungeschützten Boden der Eiszeittundra Staub ausgeweht. Dieser wurde vom Wind, der hauptsächlich aus Süden und Westen blies, viele Kilometer weit transportiert. Und eben vor allem an Hängen, die nach Norden oder Osten geneigt sind, also im Windschatten, wurde er abgelagert, oft in mehreren Meter dicken Schichten. Außerdem findet man ihn noch auf den erhalten gebliebenen Hochplateaus, die durch die eiszeitlichen Flusssysteme nicht abgetragen wurden, z.B. auf der Wissberghochfläche. Südlich von Mainz erreicht der Löss eine Mächtigkeit von 30 m.

So auch in der Wallertheimer Gemarkung. Hier findet sich an den Hängen auf der linken Wiesbachseite und auf den Hügeln eine dicke Lössschicht, während das rechte Wiesbachufer größtenteils lössfrei ist. In der Wallertheimer Ziegeleigrube kann man den hiesigen Löss in den Grubenwänden angeschnitten sehen.

Lösspartikel sind typischer Weise 2 – 60 µm (Mikrometer; 1000µm = 1mm) groß. Der größte Teil davon besteht aus Quarz, der kleinere aus Kalk. Beimengungen von Eisenoxid geben dem eigentlich grauweißen Löss ein gelbliches bis leicht rötliches Aussehen. Diese Partikel bilden, als Boden betrachtet, sog. Schluffe. Sie sind grober als Tone und feiner als Sande. Der Löss ist äußerst feinporig und kann deshalb nach Niederschlägen eine große Menge Wasser speichern. Eine sehr gute Voraussetzung für fruchtbare Ackerböden. Verfestigter Löss bildet, da die Körnchen eher kantig als rund sind, stabile Wände, wie die vielen Hohlwege in Rheinhessen beweisen.  Wäscht das von der Oberfläche einsickernde Wasser Kalk aus, so kann dieser in tieferen Schichten wieder ausgeschieden werden. Hat so ein Ausscheidungsprozess an einer Stelle einmal begonnen, so wirkt diese wie ein Kondensationskeim und es entsteht eine unregelmäßig geformte Kalkknolle, ein sog. „Lößkindl“.

Der Lössboden, in Wallertheim früher auch „Letten“ oder „Lahme“ genannt, ist auch Ausgangsmaterial für die Herstellung von Ziegelsteinen. 

Der Wiesbach

Rheinhessen ist ein an Gewässern sehr armer Landstrich. Das liegt allein schon daran, dass die jährliche Niederschlagsmenge bei nur etwa 500 mm liegt, ein für Deutschland sehr geringer Wert. Deshalb sind die wenigen kleinen Fließgewässer umso mehr von Bedeutung für die Besiedlung.

Der Wiesbach (oder wie man in Wallertheim sagt: DIE Wiesbach) ist ein rund 45 km langes Flüsschen, dessen Quellgebiet am nördlichen Donnersberg liegt und das bei Grolsheim in die Nahe mündet. Dabei überwindet der Wiesbach ca. 350m Höhenunterschied und durchfließt zwischen Rothenkircherhof und Nieder-Wiesen zuerst harte magmatische Gesteine, wobei er relativ scharf eingeschnittene Tälchen bildet. Danach durchströmt er die Hügellandschaft der Rheinhessischen Schweiz bis Flonheim und schließlich, nur noch flache, weite Talmulden bildend, das Rheinhessische Hügelland.

Wallertheim liegt in einem „Knie“ des Wiesbachs, d.h. schwerpunktmäßig an der Innenseite eines Knicks, in dem sich die Fließrichtung des Gewässers von Nord auf West ändert.

Das Gewässer wird vom Wiesbachverband unterhalten, dem die Landkreise Alzey-Worms und Mainz-Bingen angehören. 2009 wurden die umfangreichen Renaturierungsmaßnahmen abgeschlossen. Im Zuge dieser Baumaßnahme wurden rund 13 Hektar bis dahin überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen in naturnahe Wiesen umgestaltet. Der Bachlauf wurde auf rund 900 Meter entgradigt und mit 4 Flutmulden versehen. So entstanden wertvolle Rückzugs- und Ausbreitungsgebiete für Pflanzen und Tiere. Gleichzeitig wurde so Überflutungsraum geschaffen, der auch der Naherholung dient. In dieser Baumaßnahme wurde das alte Wehr der Luftmühle, das eine Absturzhöhe von 1,80 Metern hatte, durch den Bau einer so genannten Riegelrampe (Fischtreppe) wieder durchlässig gemacht. Eine Fischtreppe ist eine wasserbauliche Einrichtung an Fließgewässern um Fischen im Rahmen der Fischwanderung die Möglichkeit zu geben, Stauwehre oder Wasserfälle zu überwinden. Fischwanderhilfen ermöglichen nicht nur Fischen sondern auch Kleintieren der Gewässersohle die Überwindung von baulichen Hindernissen. Anhand der Betonmauer ist die alte Fallhöhe des Wassers heute noch zu erkennen. Heute wird das Wasser durch mehrere Riegel sanft abwärts geleitet. Das ermöglicht den Fischen ein Überwinden des ehemaligen Wasserfalls, Stromauf- und -abwärts. Rotaugen, Rotfedern, Döbel, Flussbarsch, Gründlinge, Bachforelle, Flussaale und Schwarzmaulgrundeln findet man im Wiesbach. Vor allem die Döbel reagieren sehr empfindlich auf Wasserverschmutzungen und können ein Indikator für unbelastetes Bach- und Flusswasser sein. Unter den Fischen sind einige, die von der Weltnaturschutzunion in der Roten Liste gefährdeter Arten geführt werden. Im Jahr 2019 wurden im Wiesbach auch wieder Flusskrebse und ein Biber entdeckt. Im gesamten Renaturierungsgebiet sind mittlerweile wieder eine Vielzahl von Insekten, Schmetterlingen und Libellen heimisch.