Wallertheim in Rheinhessen

Es' Spritzbriehheisje

Diese „Spritzbrühe-Anlage“ wurde Mitte der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts gebaut. An dieser Stelle konnten sich die Winzer die Kupferkalkbrühe abholen, die dann in den Weinbergen verspritzt wurde, um den gefährlichen „Falschen Mehltau“ abzuwehren, eine Pilzkrankheit der Weinreben.


Das Dosieren und Anrühren der "Bordeauxbrühe", wie sie auch genannt wurde, erforderte Fachwissen und Sorgfalt und wurde von einer Vertrauensperson ausgeführt. Der Einkauf der Zutaten und die Verteilung der „Spritzbrieh“ war genossenschaftlich geregelt. 

Wallertheimer Spritzbrühe-Anlage, 30er Jahre des 20. Jh. [Bild: Archiv H.-G. Maus]

Der Falsche Mehltau wurde 1878 mit reblausresistenten Rebsorten aus Nordamerika nach Europa eingeschleppt und führte zu großen Ernteausfällen. Eine in Frankreich um 1885 entwickelte Suspension aus Gebranntem Kalk in einer Lösung von Kupfervitriol („Bordeauxbrühe“) erwies sich als äußerst wirksam gegen diesen Pilzbefall. Diese Kupferkalkbrühe war das erste erfolgreiche Fungizid. Da der Umgang mit den Ausgangsstoffen nicht ungefährlich ist, wurde die „Spritzbrieh“ an zentraler Stelle, meist am Ortsrand, in bzw. auf den „Spritzbriehheisjen“ zusammengerührt und dann an die Winzer verteilt, die sie mit Fässern auf Pferde- oder Ochsenfuhrwerken hier abholten und damit in die Weinberge fuhren. Dort wurde die Brühe in Spritzgeräte umgefüllt, die auf dem Rücken getragen werden konnten. Anfang der 60er Jahre kamen Fertigmischungen auf, die die Winzer selbst anrühren konnten und das Spritzbriehheisje wurde nicht mehr gebraucht. In vielen Orten Rheinhessens und in anderen Weinbaugebieten findet man jedoch diese unverkennbaren Gebäude auch heute noch. 

Der Professor für Botanik an der Universität Bordeaux Alexis Millardet (1838-1902) entwickelte die von ihm so benannte Bordelaise pulpe, eine hellblaue Mischung aus Kupfersulfat, Kalk und Wasser. Das Mittel bewährt sich bis heute im Kampf gegen viele durch Pilze und Bakterien verursachten Rebstock-Krankheiten, insbesondere gegen Mehltau. Der Bordeaux-Brühe verwendete kupferhaltige Zubereitungen sind die einzigen Fungizide, die auch im Ökologischen Weinbau zugelassen sind.
Für den Verbraucher stellen etwaige Rückstände von Bordeauxbrühe auf Früchten und Gemüsen kein Risiko dar. Sie sind in diesen Mengen für den Menschen nicht gesundheitsschädlich und lassen sich leicht abwaschen. Wenn Bordeauxbrühe, wie im Weinbau üblich, über längere Zeit angewendet wird, kommt es zu einer Anreicherung von Kupfer im Boden. Hierauf reagieren Regenwürmer sehr empfindlich. Die Auswaschung in Grund- und Oberflächenwasser spielt nur eine geringe Rolle.