Zornheim in Rheinhessen

Mit dem Begriff „Wüstungen“ bezeichnet man untergegangene Wohnsiedlungen. In der Zornheimer Gemarkung gibt es zwei solcher Wüstungen, einmal einen römischen Gutshof und zum anderen eine Siedlung aus der Merowingerzeit.

 

Verschwundene Wohnsiedlungen in der Zornheimer Gemarkung

Zornheimer Wüstungen, in einer Katasterkarte eingezeichnet.[Bild: Gottfried Kneib]

1. Villa rustica

Im September 1967 entdeckte man beim Bau der Kreisstraße nach Mommenheim in der Flur „Im Hopfenklauer“ am Fuße des Klobb-Berges die Siedlungsreste einer sogenannten villa rustica, also eines römischen Gutshofes. Wie in vielen anderen Gemarkungen Rheinhessens liegt die Fundstelle in einer Flur, welche den Namen „Im Weiler“ trug. Für Zornheim ist dieser Flurname allerdings nur in einer einzigen Urkunde überliefert. In diesem Dokument vom 15. Dezember 1298 heißt eine Parzellenbeschreibung (aus dem Lateinischen übersetzt): „im unteren Feld an der Stelle, die ‚In dem Weiler' genannt wird, neben den Wiesen“. Der Flurname geht auf das mittelhochdeutsche „wiler“ zurück, welches ein einzelnes Gehöft oder ein kleines Dorf bezeichnete. Dieser mittelhochdeutsche Begriff ist wiederum aus dem lateinischen „villaris“ (das heißt: zu einer villa gehörig) entstanden und bezeichnet im gesamten west- und süddeutschen Raum in der Regel Siedlungsstellen einer römischen villa rustica.

In Zornheim war der Flurname „In dem Weiler“ zusätzlich Anregung für die Namenswahl eines angeblichen Vorgängerdorfes „Niederweiler“, das einer aus dem 18. Jahrhundert überlieferten Sage nach im Niedernberger Tal lag und nach seiner kriegsbedingten völligen Zerstörung in den heutigen Ortsbereich verlegt wurde. Es gibt für viele andere römischen Siedlungsplätze in Rheinhessen ähnliche volkstümliche Erklärungsversuche. Insbesondere in Dautenheim und Hackenheim sind sie ebenfalls mit einer Sage von der Verlegung des Dorfes verknüpft.

Nach der Entdeckung im Jahre 1967 förderte man neben Fundamentresten und rot bemaltem Wandverputz auch zahlreiche Keramik einheimischer Ware vornehmlich aus dem zweiten und dritten Jahrhundert nach Christi Geburt zutage, so drei Kragenschüsseln, einen Steilrandtopf, zwei Reibschüsseln sowie zwei Doppelhenkelkrüge und zwei Amphorenhenkel mit eingeritzten römischen Zahlzeichen. An römischer Sigillata aus dem ersten Jahrhundert konnten ein Topf, ein Teller und ein Tassenboden mit dem Rest eines Stempels geborgen werden. Einige Rätsel gab den Archäologen ein 19,5 cm langes und bis zu 3,1 cm breites Eisengerät auf. Seine Funktion blieb bislang ungeklärt. Vermutlich wurde es von Maurern oder Zimmerleuten benutzt. Schließlich fand man noch einen Sesterz des Kaisers Marc Aurel, aus dessen Inschrift sich die Prägezeit zwischen dem Dezember 161 und dem Dezember 162 bestimmen lässt. Aus dem Alter dieser geborgenen Funde ergibt sich, dass die Villa mindestens vom ausgehenden ersten bis zum dritten Jahrhundert bewohnt war.

Betrachtet man den Standort des bei Zornheim gelegenen Römerhofes, so weist er geradezu idealtypisch alle Merkmale auf, die von den römischen Siedlern in Rheinhessen bevorzugt wurden. Er lag am unteren südlichen Talhang an der Grenze zwischen dem trockenen Abhang des Klobb-Berges und dem feuchten Bachtal des Zornheimer Kappesborter Graben (heute meist Kinzbach genannt) in unmittelbarer Nähe einer dort entspringenden Seitenquelle. Die Hanglagen boten in ihren flachen Bereichen günstige Bedingungen für eine ackerbauliche Nutzung. Die Steilhänge waren damals noch bewaldet und lieferten mit ihren Eicheln und Bucheckern die Nahrungsquelle für eine Schweinemast. Die feuchten Wiesenflächen am Bach schließlich eigneten sich hervorragend für die Zucht von Pferden, Kühen, Schafen und Ziegen.

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2. Die Wüstung Blümensheim/Blümesheim

Die zweite untergegangene Siedlung in der Zornheimer Gemarkung entstand während der fränkischen Landnahme, also in der Merowingerzeit, wie auch Zornheim selbst. Von ihr wurden bis jetzt noch keine archäologischen Funde entdeckt. Wir wissen von ihr nur aus zwei schriftlichen Zeugnissen aus der Zeit des ausgehenden 13. Jahrhunderts, wo ihre Nennung als Flurbezeichnungen zur Lokalisierung von Grundbesitz diente. In der einen Urkunde heißt die Wüstung „Blimensheim“, in der anderen „Blümesheim“. Da die zweite bislang nicht bekannt war, wird in der Fachliteratur nur die Bezeichnung „Blimensheim“ verwandt.

Wo lag diese untergegangene Siedlung? Den erstem Hinweis liefert eine Urkunde vom 15. Dezember 1298, welche bei der Aufzählung der Grundstücke „im oberen Feld“ die Flur „In Blimensheim“ nennt. Mit dem „oberen Feld“ bezeichnete man die Gemarkungshälfte südlich des Sörgenlocher Weges und des Weidenweges nach Mommenheim. Das bedeutet, dass die Wüstung im Süden des Sörgenlocher Weges gelegen haben muss.

Einen weiteren Hinweis auf ihre Lage enthält eine Urkunde vom 14. August 1294. Nach ihr kaufte das Kloster Werschweiler bei St. Wendel ein Sörgenlocher Hofgut mit Äckern in „Sulgeloch“ (Sörgenloch), „Olmen“ (Nieder-Olm) und „Blümesheim“. Das erworbene Gut lag demnach im Bereich des Gemarkungsdreiecks von Sörgenloch, Nieder-Olm und auf Zornheimer Seite im Siedelgebiet der ehemaligen Wüstung. Zu dieser Lagebestimmung passt, dass das Kloster Werschweiler im Sal- und Zinsbuch des Mainzer Reichklaraklosters von ca. 1314 als Nachbar eines Ackers am Sörgenlocher Weg genannt wird, womit die Parzelle „In Blümesheim“ gemeint sein dürfte. Hinzu kommt schließlich noch die Tatsache, dass dort an der Hahnheimer Straße eine Quelle entspringt und zu einer Siedlungsgründung einlud.

Als wahrscheinlichster Standort für die Wüstung Blümesheim/Blimensheim ergibt sich somit die sogenannte „Kurzgewann“ zwischen dem Sörgenlocher Weg und der Hahnheimer Straße.

Der Wüstungsprozess muss bereits im hohen Mittelalter stattgefunden haben, da die ehemalige Siedlung schon Ende des 13. Jahrhunderts nur noch als Flurname weiterlebte.

Abschließend sei noch erwähnt, dass im Juli 1914 beim Bau einer Militärbahn zur Versorgung des Festungsgürtels um Mainz am westlichen Ortsrand von Zornheim südlich der Straße nach Nieder-Olm ein Gräberfeld aus der Merowingerzeit entdeckt wurde. Von den dortigen Grabstätten wurden damals zwölf freigelegt. Wegen der räumlichen Nähe zum Dorf und der für die damalige Zeit typischen Lage oberhalb dieser Siedlung dürfte es sich hier um die ursprüngliche Begräbnisstätte Zornheims handeln.

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Nachweise

Verfasser: Gottfried Kneib

Literatur:

  • Gemeinde Zornheim (Hrsg.): 1200 Jahre Zornheim 771-1971. Beiträge aus der Geschichte der Gemeinde. Zornheim 1971.
  • Kneib, Gottfried: Zwei untergegangene Siedlungen in der Zornheimer Gemarkung. In: Heimatjahrbuch 2011 des Landkreises Mainz-Bingen, S. 46-49.

Aktualisiert am: 13.01.2015