Hachenburg im Westerwald

Die Nistermühle bei Hachenburg

Die Nistermühle wird vielleicht schon 1231 genannt, als Graf Heinrich der Abtei Marienstatt ein Mühlenprivileg erteilte, das sich durchaus auf die Nistermühle bezogen haben könnte.[Anm. 1] Erstmals genannt wird die Mühle am 28. Dezember 1234 anlässlich einer Schenkung der Grafen Heinrich von Sayn an den Kovent der Abtei.[Anm. 2] Bewirtschaftet wurde die Mühle von den Leuten des Grafen.
1283 war der gräflichen Keller für die Verwaltung verantwortlich. Gräfin Jutta von Sayn und ihr Sohn Johann II. übertrugen zum Seelenheil ihres Gatten Graf Gottfried I. u.a. einen Malter Weizen von der Nistermühle der Abtei,[Anm. 3] doch schon 1292 traten Graf Johann II. von Sayn (reg. 1283-1324) und seine Ehefrau Kunigunde von der Neuerburg die Nistermühle gegen eine Pachtzahlung an die Abtei Marienstatt ab.[Anm. 4]
Während fortan die Abtei die Bewirtschaftung übernahm, oblag die bauliche Instandhaltung nach wie vor dem gräflichen Eigentümer. Die Abteileute waren verpflichtet, das Korn der Herrschaft auf ihrer Pachtmühle mahlen zu lassen.[Anm. 5] Die Nistermühle blieb im herrschaftlichen Eigentum und wurde noch eine Zeitlang durch die Abtei Marienstatt bewirtschaftet.[Anm. 6] Dieses Pachtverhältnis schwächte sich aber dahingehend ab, dass die Abtei 1481 nur noch gewisse Nutzungsrechte besaß.[Anm. 7]
Die Nistermühle[Anm. 8] wurde in einer Zeit, als die Einwohnerzahl in Hachenburg stieg, Bannmühle, d.h. die Hachenburger waren verpflichtet, ihr Korn gegen Entgelt ausschließlich in der Nistermühle mahlen zu lassen. Schon damals dürfte die Nistermühle an Privatleute verpachtet gewesen sein. Als eine solche Pächterfamilie taucht 1625 die Familie Wissenbach auf.[Anm. 9]
Neben der Mahlmühle bestand 1542 ein zweites Werk, das als Ölmühle genutzt wurde.[Anm. 10]
1658 wurde ein drittes Werk in Betrieb genommen, das als herrschaftliche Schneidemühle diente.[Anm. 11] Im Herbst 1667 ließ der herrschaftliche Schultheiß das Holz für den geplanten Neubau des Hospitals in dem Werk schneiden, das damals von Ulrich Vogelsberger betrieben wurde.[Anm. 12]
Um 1700 hatte die herrschaftlichen Nistermühle drei Läufe und konnte jährlich 100 Malter Korn, Gerste, Weizen usw. verarbeiten.[Anm. 13] Die Mahlmühle wurde 1755 ausgebaut, die Schneidmühle war zu Pacht vergeben (Zeitpacht).[Anm. 14]
Die Mühle an der Nister war bis zum Jahr 1784 im Besitz der Herrschaft, bis dahin immer noch Bannmühle für Hachenburg und an Pächter überlassen.[Anm. 15]
Einem Verzeichnis sämtlicher Domänen der Grafschaft Sayn Hachenburg zufolge, das die Herrschaft Nassau im Frühjahr 1800 anfertigen ließ, wurde die Nistermühle nur noch als Mahl- und als Schneidemühle betrieben. Die Mahlmühle hatte damals vier Gänge, zu den Mahlgästen gehörten die Stadt Hachenburg sowie die Dörfer Altstadt und Nister.[Anm. 16]
Im Jahr 1819 wurde die Mühle an Jakob Röder verkauft, der die Mahl- und Schneidemühle zuvor in Zeitpacht betrieben hatte. Dieser bat am 15. April 1820 um Erlaubnis, den Teil der Mühle, den er als Schneidemühle betrieb,[Anm. 17] zu einer Ölmühle umbauen zu dürfen. Für den Umbau war es notwendig, ein neues Wasserwerk einzurichten. Röder bekam die Konzession unter der Bedingung, den Wasserlauf nicht zu verändern.[Anm. 18]
Die Nistermühle wurde in den folgenden Jahren noch mehrfach umgebaut. 1853 wird Heinrich Schütz als Müller in der Nistermühle genannt.[Anm. 19] Am 1. April 1902 kaufte Herr Roetig (Roedig) die Mühle von dem damaligen Besitzer Wilhelm Schütz. Die Mühlengebäude fielen am 31. März 1913 einem verheerenden Brand zum Opfer.[Anm. 20] Die heutigen Gebäude stammen im Wesentlichen aus der Zeit des Wiederaufbaus.
Die Nistermühle erlangte eine gewisse Berühmtheit, nachdem bekannt geworden war, dass sich der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer während der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten dort vor seinen politischen Gegner verstecken konnte. Eine Gedenktafel erinnert an diese Begebenheit.
Die Mühle wurde bis in die späten 1950-er Jahre von Kunden aus den umliegenden Dörfern als Mahlmühle in Anspruch genommen.[Anm. 21] Seit 1960 sind die Mühlengebäude im Besitz der Familie Victor. Mit der Gründung des Reitvereins Hachenburg im Jahr 1973 dient die ehemalige Mühle nunmehr als Reiterhof.

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.


Anmerkungen:

  1. HHStAW Abt. 340 Akten Nr. 4 fol. 30. Leider erfährt man aus dem später niedergeschriebenen Aktenvermerk nichts Näheres zu der Vergabung. Zurück
  2. HHStAW Abt. 74 Nr. 19; Struck, Cistercienserkloster Nr. 25 Zurück
  3. Struck, Cistercienserkloster Nr. 131. Vgl. Söhngen S. 345. Zurück
  4. HHStAW Abt. 340 Akten Nr. 4 fol. 30. Zurück
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  6. 1346 übereigneten Graf Johann und Ehefrau Elisabeth die Mühle in Heuzert der Abtei. Diese verzichtete im Gegenzug auf gewisse testamentarische Einkünfte aus der Nistermühle, die sie von den Eltern der Aussteller bekommen hatte. Die Mönche versprachen darüber hinaus, keine weitere Mühle an der Nister zum Schaden der Mühle in Heuzert bzw. der anderen gräfliche Mühlen zu errichten (Struck, Cistercienserkloster Nr. 426 ca. 29.11. 1346). Zurück
  7. Die Grafen überließen der Abtei gewisse Getreideeinkünfte in der Nistermühle (HHStAW Abt. 340 Akten Nr. 4 fol. 33). Dies war auch 1748/49 noch so. Zwischen der Abtei Marienstatt und der Stadt Hachenburg, aber auch den Grafen von Sayn gab es Streit wegen Lieferungen aus der herrschaftlichen Mühle (HHStAW Abt. 1 Nr. 1082 von 1748/49). Zurück
  8. 1393 wird der Mühlengraben an der Nister in einer Verkaufsurkunde genannt (Struck, Cistercienserkloster Nr. 707). Zurück
  9. Im Jahr 1625 wurde die herrschaftliche Nistermühle für 1.178 Reichstaler dem Vorfahren des Dr. Johan Wilhelm Wissenbach verpfändet (HHStAW Abt. 1 Nr. 946). Zurück
  10. Am 9.1.1542 verpachtete Hermann von Steinbach, Rentmeister in Hachenburg, dem Peter von Nister für sieben Jahre die Ölmühle an der Nister gegen einen Jahreszins in Höhe von 6 Rädergulden. Im Jahr 1550 wird land obicht der Nister mulen erwähnt (Söhngen S. 27). Zurück
  11. HHStAW Abt. 340 Urkunden, Urk. Nachtrag und Akten, zit. nach Gensicke, Geschichte S. 64; Heinrichs, Leben S. 115. Zurück
  12. Söhngen S. 100. Am 12.1.1682 ließ die Herrschaft das benötigte Holz für die Reparatur des Schlossdaches durch den Forstmeister in der Schneidmühle schneiden (HHStAW Abt. 340 Nr. 1848a fol. 81). Am 13.3.1671 wurden die vorhandenen Früchte in der Nisterer Mühle begutachtet (HHStAW 340 Nr. 1845b). 1685 wird die herrschaftliche Nistermühle genannt (HHStAW 340 Nr. 1848a fol. 64ff.). Zurück
  13. HHStAW Abt. 340 Nr. 1835 ohne Datum. Zurück
  14. Die Mahlmühle besaß mittlerweile vier Gänge, die Schneidmühle war für sieben Gulden verpachtet (HHStAW Abt. 342 Nr. 1134). Zurück
  15. Kwasnik/Trautmann, Denkmäler S. 28; Heinrichs, Leben S. 115. Zurück
  16. HHStAW Abt. 151 Nr. 1314. Zurück
  17. Die Schneidmühle wurde damals nur selten gebraucht (HHStAW Abt. 211 Nr. 8573). Zurück
  18. HHStAW Abt. 211 Nr. 8573. Den anfänglichen Plan, auch eine Branntweinbrennerei einzurichten, musste Röder aufgeben. Zurück
  19. Henninger, Herzogtum (1853) S. 716. Zurück
  20. Gensicke, Geschichte S. 64. Zurück
  21. Heuzeroth, Mühlen S. 76 mit dem Hinweis, dass über dem Eingang der Mahlkammer [1972] lateinisch und französisch geschriebene Worte zu lesen sind, die den ehemaligen Landesherrn Sayn-Hachenburg als Besitzer vermerken.  Zurück