Hachenburg im Westerwald

Unter der Herrschaft des Bischofs von Osnabrück 1636-1649

Streit um die Grafschaft nach dem Tod Graf Ludwigs

Graf Ernst war im Alter von nur 32 Jahren am 2. Mai 1632 in Frankfurt gestorben und hatte aus seiner Ehe mit der Gräfin Loysa Juliana von Erbach einen Sohn und zwei Töchter hinterlassen.[Anm. 1]
In seinem Testament hatte Graf Ernst seinen minderjährigen Sohn Ludwig als rechtmäßigen Erben eingesetzt. Bis zu seiner Geschäftsfähigkeit sollte seine Frau Loysa Juliana die Vormundschaft für ihn und ihre beiden Töchter übernehmen. Als Ludwig, der letzte männliche Erbe des Hauses Sayn-Wittgenstein, am 16. Juli 1636 im Alter von sechs Jahren verstarb, stand Gräfin Loysa Juliana zunächst alleine da.
Der Kölner Erzbischof entsandte als vermeintliche Hilfe den Grafen Vollrath von Waldeck und der waldeckische Kommissar Johann Burkhard Wetzel nach Hachenburg.[Anm. 2] Gräfin Loysa Juliana vertraute auf die alten Absprachen hinsichtlich der weiblichen Erbfolge und schickte sich am 17. bzw. 18. Juli 1636 an, in Anwesenheit von Notaren und Zeugen von Burg, Stadt und Amt Hachenburg Besitz zu ergreifen.[Anm. 3] Die Gräfin forderte Bürgermeister, Schöffen, Rat und die gesamte Bürgerschaft auf, am 20. Juli 1636 um 17 Uhr in ihrem Lustgarten vor der Stadt zu erscheinen, um sich die Weisungen der gräflichen Räte und Deputierten anzuhören. Doch die Stadtvertreter kamen nicht.[Anm. 4] Jedoch versammelten sich am 21. Juli 1636 Vertreter der Bürgerschaft vor dem Schloss (auffm Schloß graben). Die Gräfin verlangte ein Handgelöbnis und sicherte der Stadt zu, alles beim Alten belassen zu wollen. Doch die Stadt nahm dieses Anerbieten nicht an und man ging unverrichteter Dinge auseinander.[Anm. 5] Die Stadt zögerte wohl, weil sie mitbekommen hatte, dass es zu einem Streit um die Nachfolge in der Grafschaft kommen sollte. Denn entgegen der anfänglichen Zustimmung der Kölner Kommissare stellte sich Kurköln plötzlich gegen eine weibliche Erbfolge. Den Gepflogenheiten des Lehenswesens folgend, zog der Erzbischof das Lehen Hachenburg als "erledigt" an sich und stellte sich damit offen gegen Gräfin Loysa Juliana und ihre Töchter.
Am 25. Juli 1636 erschien der kölnische Kommissar Dr. jur. Johann Clauth in Hachenburg und ließ im Beisein des Johann Burchhard Wetzel, des Kommissars Dörler und des Notars Schmit aus Siegen als erstes das Hachenburger Schloss durch den Generalwachtmeister Freiherr von Vernemonts, den Obristen Grisforth und fünf Kompanien zu Pferde besetzen.[Anm. 6] Die saynischen Wappen und Hoheitszeichen auf dem Schloss, an den Stadtpforten und am Kirchturm wurden entfernt und durch kurkölnische Wappen aus Papier ersetzt. Die Wachsoldaten der Gräfin wurden abgezogen, das Schloss und die Pforten mit kölnischen Posten besetzt.[Anm. 7] Es half nichts, dass die Sayner Verwandten forderten, Gräfin Loysa Juliana wenigstens die auf Hachenburg haftende Witwenversorgung zu belassen, die Lebensgrundlage für sie und ihre Töchter war.
Bürgermeister Hans Gerhard Birckenbeuel und einige Ratsherren hatten die Gräfin und deren Sekretär noch angefleht, die kurkölnische Okkupation abzuwenden. Da aber die Gräfin und ihre Räte dies nicht verhindern konnten und man gewalttätige Auseinandersetzungen innerhalb und außerhalb der Stadt befürchtete, wandten sich die Stadtväter von der Gräfin ab.[Anm. 8] Jeglicher Unterstützung beraubt, musste Gräfin Loysa Juliana Hachenburg vorerst verlassen, um andernorts Hilfe zu suchen.[Anm. 9] Sie sollte aber bereits im April 1637 zurückkehren.
Am Abend des 26. Juli 1636 rief Bürgermeister Birckenbeuel die Bevölkerung mit der Kirchturmglocke auf dem Markt zusammen und teilte ihr mit, dass man auf kurkölnische Anweisung am folgenden Tag zur Huldigung zu erscheinen habe. Die Bürgerschaft fand sich am 27. Juli 1636 vor dem Rathaus am Markt ein. Der Kölnische Kommissarsbefehl wurde vorgelesen und die Hachenburger aufgefordert, dem Kölner Erzbischof als Stadtherrn den Huldigungseid zu leisten.[Anm. 10] Dazu war die Stadt aber erst bereit, nachdem Kurköln die althergebrachten Privilegien, Rechte und Freiheiten der Stadt bestätigt und die Abschaffung einiger nicht näher beschriebenen Neuerungen (eingerissne neüerung) zugesagt hatte, die noch unter saynischer Regierung eingeführt worden waren. Auch die Bitte der "armen Bürgerschaft", ihr angesichts der beträchtlichen Schuldenlast finanziell zur Seite zu stehen, fand Gehör. Schließlich wurde dem Wunsch der Stadt entsprochen, die städtische Selbstverwaltung wiederherzustellen und dieß geringe Stättlein von weiteren Einquartierungen freizustellen.
Daraufhin leisteten die Bürger Erzbischof Ferdinand von Köln noch am 27. Juli 1636 den Huldigungseid. Die anwesenden gräflich-saynschen Beamten, Kammersekretär Hainer und Sekretär Korbach, waren machtlos, legten aber vorsorglich Beschwerde gegen diesen Rechtsakt ein.[Anm. 11]

Weitere Themenbereiche

  • Kurkölnische Besetzung 1636
  • Huldigung der Hachenburger Bürgerschaft 1636
  • Hachenburg wird Lehen des Bischofs von Osnabrück
  • Die "Hungergräfin"
  • Bischof Franz Wilhelm weilt 1638 erneut in der Stadt
  • Gräfin Loysa Juliana und die öffentliche Meinung

Die Inhalte zu diesen Überschriften sind bis auf Weiteres nur im Buch zu finden.

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.


Anmerkungen:

  1. Braun, Geschichte S. 46. Er wurde am 15.6.1632 in Hachenburg begraben. Zurück
  2. HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 pag. 37-38 vom 2. Juli 1636. Zurück
  3. HHStAW 121 Sayn 7 (unpagniert) und HHStAW Abt. 340 Akten Nr. 408 fol. 22-25. Zurück
  4. HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 pag 39f. zum 10.7.1636 (alter Datumsstil, nach gregorianischem Kalender der 20. Juli). Zurück
  5. HHStAW Abt. 360 Nr. 9 pag. 39f. zum 11./21. Juli 1636. Zurück
  6. Die kurkölnische, bischöflich-osnabrückische bzw. gräflich-wartenburgische Partei besetzten nicht nur Hachenburg und Flammersfeld, sondern auch die nicht zum Hachenburger Lehen gehörigen Ortschaften Hamm, Kroppach, Altstadt, Kirburg, Alpenrod, und andere (HHStAW Abt. 340 Akten Nr. 408 fol. 5v-7). Zurück
  7. HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 pag. 39-40 zum 15./25. Juli 1636. Nach HHStAW 121 Sayn 7 fand die Besetzung am 26. Juli statt. Vgl. Braun, Geschichte S. 48. Zurück
  8. HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 pag. 41 zum 26. Juli 1636. Zurück
  9. Sie strengte u.a. ein Verfahren vor dem Reichskammergericht an. Zurück
  10. HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 pag. 40-41 zum 27. Juli 1636. Zurück
  11. HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 pag. 43-44 zum 27. Juli. Zurück