Oberneisen im Rhein-Lahn-Kreis

Geschichte von Oberneisen

Archäologische Funde aus der Zeit der Urnenfelderkultur (etwa 1300 bis 800 v. Chr.) sind für Oberneisen und weitere Orte in der Region belegt.[Anm. 1]

Mittelalter

Oberneisen wurde im Jahr 790 erstmals urkundlich erwähnt. Neben weiteren Nachbargemeinden ist in der Schenkungsurkunde von Karl dem Großen an einen Mann namens Alpad von „Nasongae“, also Oberneisen, zu lesen.[Anm. 2] Die Namensentwicklung des Ortes ist anhand mehrerer Nennungen nachvollziehbar; im Jahr 790 heißt der Ort „Nasongae“, 881 „Nasona“, 893 „Nesene“, 958 „Nasina“. Im Jahr 1288 wird zwischen „Nesene superiori“ und „inferiori Nesene“ (Niederneisen) unterschieden. Die erstmalige Nennung der heutigen Schreibweise von Oberneisen ist für das Jahr 1578 dokumentiert.[Anm. 3]

Oberneisen lag 790 in der Grafschaft Lahngau des Eberhard (des letzten dort bezeugten Konradiners), genauer in der Niederlahngau. Vor 1053 übernahm ein neues Grafengeschlecht den Lahngau, dieses nannte sich später nach der 1073 erbauten Burg Diez das Grafenhaus Diez. In den Jahren 1386 bis 1420 folgte die Herrschaft von Graf Adolf von Nassau-Diez (1416-1420 Graf von Nassau-Dillenburg). Nach 1420 kam es zur Aufspaltung zwischen verschiedenen Landesherren, u.a. der Grafschaft Diez. In den Jahren 1564 bis 1607 folgte eine erneute Alleinherrschaft der Grafen von Nassau-Dillenburg. Danach herrschten die Grafen (seit 1655 Fürsten) von Nassau-Diez, die später die Fürsten von Oranien-Nassau wurden.[Anm. 4]

Ein Bürgermeister (Heimberger) ist erstmals 1412 nachgewiesen. Ab 1562 sind die Bürgermeister namentlich bekannt. Sie wurden wahrscheinlich von der Gemeinde gewählt.[Anm. 5]

Die Gerichtsbarkeit vertraten nachweislich ab dem 14. Jahrhundert die Schultheißen. Sie werden ab 1334 genannt. Zu Beginn ist unklar, ob sie zum Gericht der Grafschaft oder dem des Klosters St. Alban gehörten. Der 1438 genannte Schultheiß gehörte entweder noch zum Kirchengericht oder schon zum Gericht Hahnstätten. Hahnstätten war seit Mitte des 15. Jahrhunderts für das Kirchspiel Oberneisen zuständig. Aus den Orten des Kirchspiels sind Schöffen bekannt. Für das Gericht siegelte im Jahr 1541 der zuständige Amtmann zu Diez, im Jahr 1493 der Pastor in Oberneisen. 1526 wurde ein Salbuch (Urbar) des Gerichts Hahnstätten auf Befehl der Herren der Grafschaft Diez angefertigt. Die Rechtsquelle, eine Sammlung der Belastungen der Einwohner durch Rechte, Besitz und Einkünfte der Grafschaftsherren, des Adels und der Kirche kann im Zusammenhang mit dem Bauernkrieg 1525 gesehen werden.[Anm. 6]

Frühe Neuzeit

Zu Beginn der Reformation blieb die Grafschaft Diez bei der alten Konfession. An der Grafschaft waren Hessen, Nassau-Dillenburg und das Erzbistum Trier beteiligt. Nach Beendigung des Katzenelnbogener Erbschaftsstreits zwischen Hessen und Nassau schied Hessen 1557 aus. Nassau-Dillenburg und Trier verhandelten, man einigte sich im Diezer Vergleich von 1564. Die Orte der Grafschaft wurden zwischen Nassau-Dillenburg und dem Erzbistum Trier aufgeteilt. Oberneisen wurde im Vergleich nicht explizit genannt, gehörte aber zum Erzbistum Trier. Es wurde dennoch evangelisch. Nach Abschluss des Vergleichs führte Johann VI. von Nassau-Dillenburg die Reformation durch. Die Klausel des Vergleichs, nach der man die Untertanen nicht durch Gewalt von der alten Religion abhalten dürfe, sondern jedem die Wahl lassen sollte, bei den im Religionsfrieden von 1555 zugelassenen Konfessionen zu bleiben, wurde nicht eingehalten.[Anm. 7]

Während des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) blieb auch Oberneisen nicht verschont. 1627 raubte Oberst Görzenich aus dem Herr von Wallenstein die Kirche von Oberneisen aus. Er plünderte Hahnsätten, Niederneisen, Lohrheim und Netzbach. Im gleichen Jahr wurde er deswegen hingerichtet. [Anm. 8] Wenige Jahre später war Oberneisen Zufluchtsort von Menschen aus Drais bei Mainz. Sie flohen Anfang der Dreißigerjahre des 17. Jahrhunderts vor der schwedischen Armee und ließen sich unter anderem in Oberneisen nieder. [Anm. 9] 1632 wurde trotz des Krieges im Pfarrhof von Oberneisen ein Schulhaus gebaut. Unterricht für die Kinder des Ortes hatte bereits Pfarrer Schomler abgehalten. Er war im Jahr 1620 gestorben. Seit dem Bau des Schulhauses war Oberneisen bis 1819 Standort der Kirchspielschule. Die Lehrer sind seit 1651 namentlich bekannt.[Anm. 10]

Über eine eigene Mühle verfügte Oberneisen bereits 893. Im Jahr 1595 wurde eine neue Mühle von Henrich Scheffer aus Linter (heute Stadtteil von Limburg) unter Herrschaft und mit Genehmigung von Graf Johannes VI. von Nassau-Dillenburg, "obig" von Oberneisen gebaut. Um 1611 war diese die einzige Mühle in Oberneisen. Seit 1696 wurde „in der Hirbach“ eine weitere Mühle betrieben. 1710 wurde zudem eine Ölmühle eingerichtet. Der im Gebiet von Oberneisen vorkommende Eisenstein war bereits im 17. Jahrhundert bekannt, was aus dem Flurnamen „in der Eysengrub“ von 1648 hervorgeht. Eine Nutzung der Eisensteinvorkommen ist seit dem Jahr 1779 nachgewiesen.[Anm. 11]

Während des Ersten Koalitionskriegs (1792-1797) lagerten französische Truppen nach ihrer Rheinüberquerung auf dem „Gebackensberger Feld“, dem Grenzbereich der Gemarkungen Oberneisen, Lohrheim und Niederneisen, oberhalb des heutigen Lohrheimer Friedhofs. Da die damaligen Heere kein Nachschubwesen kannten, „versorgten“ sie sich aus der näheren Umgebung. Von Oberneisen erpressten sie so hohe Kontributionen, dass sich die Gemeinde beim Armenfonds der Kirchengemeinde 132 Gulden leihen musste. Über 40 Jahre konnte die Gemeinde diese nicht zurückzahlen, der alte Schuldschein wurde 1834 durch eine neue Schuldurkunde ersetzt. Anfang September 1796 mussten sich die französischen Truppen vor den Kaiserlichen zurückziehen. In der Nähe von Oberneisen errichtete die Division des erst 27 Jahre alten Generals Marceau einen Sperrriegel von Niederneisen bis Linter. Dieser wurde von den Kaiserlichen durchbrochen, am 16.09.1796 kam es zur Schlacht bei Limburg und Diez, nach der die französischen Truppen bis an den Rhein zurückgedrängt wurden.[Anm. 12]

Das 19. Jahrhundert

Auf einige kurze Friedensjahre folgten die napoleonischen Eroberungsfeldzüge 1805/1806, die 1813 im Rückzug der französischen Truppen endeten.[Anm. 13]

Im Jahr 1806 ging Oberneisen und das Kirchspiel Oberneisen mit dem Amt Diez an das Herzogtum Nassau (1806-1866). Während einer kurzen Periode zwischen 1813 und 1815 war das Amt Diez unter der Herrschaft von Nassau-Oranien, bis es 1815 wieder an das Herzogtum Nassau fiel. [Anm. 14]

Ein astronomisch interessantes Ereignis ist in der Schulchronik des Ortes überliefert. Am 21.06.1846 erhellte gegen 22 Uhr der Schein einer sehr großen Feuerkugel den Himmel. Sie bewegte sich von Norden nach Süden und auf ihr Erscheinen folgte ein langes, donnerähnliches Geräusch. Noch eine Stunde lang sah man am Himmel einen hellen Lichtstreif, der die Bahn der Kugel zeichnete. Es handelte sich vermutlich um ein Teil des im Januar 1846 in zwei Teile zerbrochenen Kometen Biela, das nach seinem Eintritt in die Erdatmosphäre am Himmel über Oberneisen zu sehen war.[Anm. 15]

Auf der Erde erfolgten im Zuge der Deutschen Revolution von 1848 in Oberneisen im selben Jahr, vermutlich erstmals, politische Wahlen. Das Prozedere ist in Form eines genauen Protokolls erhalten. Die Gemeinde hatte fünf Wahlmänner zu wählen. Stimm- und wahlberechtigt waren Männer ab 24 Jahre, sofern sie keine Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln erhielten. Sie wählten am 18.04.1848 ihre fünf Wahlmänner, die aus den einflussreichsten Familien des Ortes stammten. Ab 1849 trat ein an der Steuerleistung orientiertes Dreiklassenwahlrecht in Kraft, das in der preußischen Verfassung von 1850 verankert wurde. Für Oberneisen sind Wählerlisten und teilweise Wahlprotokolle für die Jahre 1848 bis 1864 erhalten. Der trotz erster demokratischer Tendenzen starke Einfluss der Monarchie machte sich in Oberneisen durch verschiedene Festlichkeiten bemerkbar. In der Schule wurde der Geburtstags des Königs mit Gebet und Gesang gefeiert. 1863 beging man in der festlich geschmückten Schule den 50. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig.[Anm. 16]

Im Deutsch-Französischen Krieg (1870-1871) dienten 14 Männer aus Oberneisen, die später alle wieder heimkehrten. Aus dem Kirchspiel wurde lediglich ein Mann aus Lohrheim leicht verwundet. Die Schulchronik von Oberneisen gibt über den Krieg keinen Aufschluss, was möglicherweise mit einem Lehrerwechsel zusammenhängt. Der Landesbischof hatte indes für die Dauer des Krieges allwöchentliche Betstunden angeordnet. In Oberneisen wurden diese jedoch bald eingestellt, da die Beteiligung zu gering war. Anlässlich des siegreichen Ende des Krieges dankte man am 18.06.1871 in der Kirche auf Wunsch des Kaisers Gott für den Sieg und die Eroberung von Elsass und Lothringen. In den folgenden Jahren etablierte sich der „Sedantag“ als inoffizieller Feiertag. Es wurde der Kapitulation der französischen Armee am 2.09.1870 nach der Schlacht bei Sedan gedacht. Frankreich hatte Reparationszahlungen an Deutschland zu leisten, aus denen sich ein wirtschaftlicher Aufschwung speiste, der auch in der Gegend von Oberneisen durch eine Intensivierung des Bergbaus spürbar wurde.[Anm. 17]

Das 20. Jahrhundert

Ganz im Zeichen des Militärs und des Kaisers wurden im Herbst 1905 nahe Oberneisen militärische Manöver, sogenannte „Kaisermanöver“ begangen. Wilhelm II. und seine Ehefrau waren beim Abschluss auf dem Nauheimer Kopf zugegen und viele Menschen aus Oberneisen nutzten die Gelegenheit, die „Hohen Herrschaften“ einmal aus der Nähe zu sehen. Im August 1911 fand erneut ein Manöver nahe Oberneisen statt. Diesmal wurden Soldaten in Oberneisen einquartiert und von der Gemeinde wurden große Mengen Futter für die 12 Armeepferde angefordert.[Anm. 18]

Für die Menschen in Oberneisen begann der Erste Weltkrieg (1914-1918) mit dem Befehl der Mobilmachung am 31. Juli 1914. In der Kirchenchronik wird über große Begeisterung und Opferwilligkeit der Menschen berichtet. Ein Abschiedsgottesdienst mit Auftritt des Gesangsvereins und patriotischer Rede des örtlichen Lehrers wurde abgehalten, die Bevölkerung spendete Lebensmittel für die durchfahrenden Truppen. Im Laufe des Krieges fanden verschiedenen von den lokalen Akteuren initiierte Sammlungen von Lebensmitteln und Geld zugunsten der Armee statt. Die Lebensmittelversorgung vor Ort verschlechterte sich, Rationierungen wurden eingeführt. Frauen, Alte und Kinder mussten auf den Feldern arbeiten. Auch in Oberneisen wurden Kriegsgefangene in der Landwirtschaft eingesetzt. Kinder aus Wiesbaden kamen während der Herbstferien nach Oberneisen, um sich von dem Lebensmittelmangel zu erholen, denn auf dem Land war die Versorgungssituation besser als in der Stadt. Am 11. November 1918 endeten die Kampfhandlungen mit dem Waffenstillstand von Compiègne. Aus Oberneisen hatten 160 Männer am Krieg teilgenommen, 26 von ihnen starben.[Anm. 19]

Französische Soldaten besetzten das Gebiet links des Rheins und bildeten auf dem rechten Rheinufer den sogenannten Koblenzer Brückenkopf, der von Diez bis Katzenelnbogen reichte. Das besetzte Gebiet erstreckte sich somit bis an den Rand von Oberneisen. Oberneisen selbst lag in einer besatzungsfreien Zone, in der der kuriose Kleinstaat „Flaschenhals“ gebildet wurde, zu dem auch die Gemeinde Kaub gehörte und der vom 10. Januar 1919 bis zum 25. Februar 1923 existierte.[Anm. 20]

Mit dem Ende des Krieges, der Abdankung des Kaisers und der Gründung der Weimarer Republik (1918-1933) konnten sich die politischen Parteien frei entfalten. In Oberneisen organisierte sich als erste Partei im Dorf die SPD unter Anleitung des früheren Offiziers Gustav Müller. Wahlergebnisse für Oberneisen liegen allerdings erstmals für die zweite und letzte Reichspräsidentenwahl der Weimarer Republik vom 10.04.1932 vor.

Wahlergebnisse der Reichspräsidentenwahl vom 10.04.1932

Für den KandidatenPaul von Hindenburg (parteilos)Adolf Hitler (NSDAP)Ernst Thälmann (KPD)
In Oberneisen1851811
50,4%49,3%0,3%
Im Unterlahnkreis12.66213.581863
In Hessen-Nassau448.904228.44063.361
Im Reich19.359.64213.417.4603.706.388
53,0%36,8%10,2%

Während Hitler im gesamten Reichsgebiet deutlich hinter Hindenburg zurückblieb, wählten in Oberneisen nahezu die Hälfte der Wahlberechtigten den späteren Diktator.[Anm. 21]

Am 30. Januar 1933 erfolgt die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch Reichspräsident Hindenburg. Die demokratische Phase des Reiches endete und die Zeit der Diktatur begann. In Oberneisen machte sich dies unter anderem durch die Entmündigung des Gemeinderats bemerkbar, in dem der ohne Wahl eingesetzte Ortsgruppenleiter der NSDAP die Fäden zog. [Anm. 22]

Aus der Schulchronik geht hervor, dass bereits kurz nach der sogenannten „Machtergreifung“ zum Anlass der ersten Sitzung des neuen Reichstags am 21.03.1933 dem Nationalsozialismus gehuldigt wurde. Im Klassenzimmer der ersten Klasse fand eine umfangreiche Feier mit Blumen, Deutschlandlied und Sieg-Heil-Rufen auf Reichspräsident Hindenburg und Reichskanzler Hitler statt.[Anm. 23]

Der Einfluss auf die Jugend wurde mit zahlreichen Aktivitäten und Einbindung in die Jugendorganisationen der Nationalsozialisten ausgeweitet. In Oberneisen kaufte die Gemeinde 1935 das frühere Gerätehaus des Turnvereins und stellte es den nationalsozialistischen Jugendverbänden als Aufenthaltsraum zur Verfügung. Die Teilnahme am Dienst in Jungvolk und Hitlerjugend war ab dem Erlass des Gesetzes über die Hitlerjugend vom 01.10.1936 verpflichtend.[Anm. 24]

Auf den Zweiten Weltkrieg wurde sich in Oberneisen bereits früh vorbereitet. Im Jahr 1937 fand eine Luftschutzübung statt. Über Rundfunk und Presse täuschten die Nationalsozialisten der Bevölkerung dennoch einen vermeintlichen Friedenswillen der Reichsregierung vor. In der Nacht vom 25. auf den 26. August 1939 überbrachten der Bürgermeister und der Ortsgruppenleiter eine Reihe von Männern die Mitteilung über ihre Einberufung zum Dienst in der Armee. Bereits am Morgen des 26. mussten sich die 24 Männer zum Wehrdienst stellen. Begeisterung wie zu Beginn des Ersten Weltkriegs war im Dorf nicht zu spüren, das Wort „Krieg“ machte die Runde. Bereits vor dem Überfall auf Polen (01.09.1939) kam ein Soldat aus Oberneisen ums Leben. Er starb am 22. August bei einem Autounfall seiner Einheit auf dem Weg Richtung Osten. Tage später folgte die Mobilmachung der fünf Jugendlichen des Ortes, die nicht wie 15 ihrer Altersgenossen bereits in der Armee waren. Somit standen bereits in den ersten Tagen des Krieges mehr als 40 Bürger aus Oberneisen im Dienst des Krieges. Ab Januar 1940 waren Soldaten bei der Bevölkerung von Oberneisen einquartiert. Am 10. Mai 1940, dem Beginn des Westfeldzugs, rückten diese wieder aus. Zwei junge Männer aus Oberneisen starben während des „Frankreichfeldzugs“. Sowohl aus Polen als auch aus Frankreich wurden Kriegsgefangene nach Oberneisen gebracht, die dort in der Landwirtschaft eingesetzt wurden. Eine Lohnliste aus dem Jahr 1942 beziffert die Zahl der im Kirchspiel eingesetzten Kriegsgefangenen auf 28. Auf den Krieg im Westen folgte der Angriff auf Russland, wieder starben Männer aus Oberneisen. Mindestens fünf Frauen aus Oberneisen waren ebenfalls im Krieg eingesetzt. Sie waren Krankenschwestern und Rot-Kreuz-Helferinnen. Im Zuges des Krieges wurden die Nahrungsmittel rationiert, Mangel machte sich breit. Ab 1943 wurden in Oberneisen Luftschutzkeller eingerichtet, in der sich die Bevölkerung vor Bombenangriffen schützen sollte. Im Februar fiel die erste Bombe in der Nähe des Dorfes. Es folgte ein Bombardement einen halben Kilometer südöstlich des Ortes, möglicherweise ein Notabwurf, in der Nacht vom 10. zum 11. April 1943. Im Herbst 1944 wurde der „Volkssturm“ ausgerufen. Alle nicht im Krieg befindlichen Männer, Alte und Jungen unter 18 Jahren, wurden in Hahnstätten vereidigt und seitdem jeden Sonntag theoretisch an Handfeuerwaffen und Granaten ausgebildet. Zur Dokumentation der letzten Kriegsmonate in Oberneisen trug eine neue Einquartierung bei. Im November 1944 bezogen Bild- und Presseberichterstatter einer in Auflösung begriffenen Propagandakompanie in Oberneisen Quartier. Da es keine Siege mehr zu vermelden gab, schossen sie Erinnerungsfotos vom meist weiblichen Teil der Bevölkerung. Am 16. März 1945 traf ein schwerer Bombenangriff das Dorf und den Bahnhof. Einige Häuser wurden beschädigt, ein Haus und einige Scheunen und Ställe brannte nieder. Da beim Bahnhof Wagen der Eisenbahnflak stationiert waren, kam es über Oberneisen zu Luftkämpfen. Ein deutscher Jäger wurde laut mündlicher Überlieferung abgeschossen. Um das Vorrücken der Alliierten zu verzögern, wurde die Aarbrücke von Wehrmacht und SS mit Sprenglöchern versehen. Einige Dörfler sprachen sich gegen eine Sprengung aus, da diese die einzige Wasserleitung zum Dorf zerrissen hätte. Die Sprengung wurde nicht durchgeführt. Am ersten Ostertag 1945 trafen Fahrzeuge einer amerikanischen Pioniereinheit in Oberneisen ein. Der durch Nazideutschland entfesselte Weltkrieg kostete 30 junge Männer aus Oberneisen das Leben, viele hinterließen Ehefrauen und Kinder. Oberneisen lag zu Beginn der Nachkriegszeit in der französischen Besatzungszone, an der Grenze zur amerikanischen. Zonengrenze war die Grenze des alten Unterlahnkreises. In den ersten beiden Jahren kam es zu ausgiebigen Requisitionen durch die Besatzungstruppen, die für Bevölkerung eine erhebliche Belastung darstellten.[Anm. 25]

Nach dem „Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946“ mussten sich alle Mandatsträger der NSDAP vor Spruchkammern verantworten. 1948 meldete die Gemeinde dem Untersuchungsausschuss 28 Personen. Alle wurden als „Mitläufer“ eingestuft. Selbst ein bereits 1929 der NSDAP beigetretener Bürger, für den der öffentliche Kläger die Einstufung als Belasteter gefordert hatte, wurde von der Spruchkammer als Mitläufer eingestuft. Ob dies an einem der weit verbreiteten „Persilscheine“, also einer schriftlichen Bestätigung der vermeintlichen Unbefangenheit durch antifaschistisch eingestellter Mitbürger lag, bleibt offen. Politische Teilhabe wurde wieder ermöglicht. Erste Bürgermeister und Gemeinderäte wurden gewählt. Das Vereinsleben, das durch die Nationalsozialisten verdrängt worden war, blühte erneut auf und bot Platz für gemeinsame Aktivitäten. Im Jahr 1971 wurde Oberneisen Teil der Verbandsgemeinde Hahnstätten und die ersten Wahlen zum neuen Verbandsgemeinderat fanden statt. Die SPD konnte sich mit 281 Stimmen (60%) klar von der CDU absetzen, die 137 Stimmen und 29% erhielt. Schlusslicht bildete die FPD mit 48 Stimmen, was 10% entsprach.[Anm. 26]

Nachweise

Autor: Konstantin Arnold

Verwendete Literatur:

Gensicke, Hellmuth: Das Kirchspiel Oberneisen. In: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (Hg.): Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsschreibung, Bd. 89. Wiesbaden 1978.

Herold, Rudolf: Die Einführung der Reformation im heimischen Raum. In: Agnes Allroggen-Bedel (HG.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft, Geschichte, Kultur unserer Heimat. Oberwesel 1987.

Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998.

Kroeller, Richard: Gückingen. Die Geschichte des Dorfes und seiner engeren Heimat. In: Ortsgemeinde Gückingen (Hg.): Gückingen. Damals und heute. Gückingen 2008.

Rettinger, Elmar: Die Bevölkerungsgeschichte der Pfarrei Drais. URL: https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/drais/einzelaspekte/bevoelkerungsgeschichte.html (aufgerufen am 24.01.2020).

Rheingans, Eckhart: Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf die Menschen unserer Heimat. In: Agnes Allroggen-Bedel (Hg.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft, Geschichte, Kultur unserer Heimat. Oberwesel 1987.

Erstellt am 21.02.2020

Anmerkungen:

  1. Kroeller, Richard: Gückingen. Die Geschichte des Dorfes und seiner engeren Heimat. In: Ortsgemeinde Gückingen (Hg.): Gückingen. Damals und heute. Gückingen 2008. S.13. Zurück
  2. Gensicke, Hellmuth: Das Kirchspiel Oberneisen. In: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (Hg.): Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsschreibung, Bd. 89. Wiesbaden 1978. S.220. Zurück
  3. Gensicke, Hellmuth: Das Kirchspiel Oberneisen. In: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (Hg.): Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsschreibung, Bd. 89. Wiesbaden 1978. S.227. Zurück
  4. Gensicke, Hellmuth: Das Kirchspiel Oberneisen. In: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (Hg.): Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsschreibung, Bd. 89. Wiesbaden 1978. S.221. Zurück
  5. Gensicke, Hellmuth: Das Kirchspiel Oberneisen. In: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (Hg.): Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsschreibung, Bd. 89. Wiesbaden 1978. S.227. Zurück
  6. Gensicke, Hellmuth: Das Kirchspiel Oberneisen. In: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (Hg.): Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsschreibung, Bd. 89. Wiesbaden 1978. S.222. Zurück
  7. Herold, Rudolf: Die Einführung der Reformation im heimischen Raum. In: Agnes Allroggen-Bedel (HG.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft, Geschichte, Kultur unserer Heimat. Oberwesel 1987. S.179. Zurück
  8. Rheingans, Eckhart: Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf die Menschen unserer Heimat. In: Agnes Allroggen-Bedel (Hg.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft, Geschichte, Kultur unserer Heimat. Oberwesel 1987. S.187. Zurück
  9. Rettinger, Elmar: Die Bevölkerungsgeschichte der Pfarrei Drais. URL: https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/drais/einzelaspekte/bevoelkerungsgeschichte.html (aufgerufen am 24.01.2020). Zurück
  10. Gensicke, Hellmuth: Das Kirchspiel Oberneisen. In: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (Hg.): Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsschreibung, Bd. 89. Wiesbaden 1978. S.229. Zurück
  11. Gensicke, Hellmuth: Das Kirchspiel Oberneisen. In: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (Hg.): Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsschreibung, Bd. 89. Wiesbaden 1978. S.234. Zurück
  12. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XV 2f. Zurück
  13. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XV 3. Zurück
  14. Gensicke, Hellmuth: Das Kirchspiel Oberneisen. In: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (Hg.): Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsschreibung, Bd. 89. Wiesbaden 1978. S.221. Zurück
  15. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XVI 4. Zurück
  16. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XIV 5-8. Zurück
  17. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XIV 4f. Zurück
  18. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XV 5. Zurück
  19. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XV 5-10. Zurück
  20. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XV 10f. Zurück
  21. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XIV 10. Zurück
  22. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XIV 11. Zurück
  23. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XIV 11. Zurück
  24. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XIV 11. Zurück
  25. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XV 11-27. Zurück
  26. Knapp, Willi: Oberneisen. Ein Dorf erinnert sich seiner Vergangenheit und der Menschen in seiner Geschichte. Oberneisen 1998. XIV 15-21. Zurück