Wallertheim in Rheinhessen

Die Steinzeitjäger von Wallertheim

Im Zuge der Abbauarbeiten in der Wallertheimer Ziegeleigrube wurden bereits 1920 steinzeitliche Hinterlassenschaften zu Tage gefördert. Otto Schmidtgen vom Naturhistorischen Museum Mainz führte 1927/28 erste systematische Grabungen durch und barg Hunderte von Steinartefakten und Tausende von tierischen Knochenresten. Schmidtgen stellte die Funde 1932 auf dem ersten Prähistoriker-Kongress in London vor. Die Nationalsozialisten missbrauchten die archäologischen Erkenntnisse zur Unterstützung ihrer Ideologie.

1967 und 1978 gab es Neubearbeitungen der alten Funde, auch wurden kleinere Grabungen angestellt, allerdings mit eher spärlichen Resultaten.

1991 bis 1994 kam es dann zu einer groß angelegten Kampagne von insgesamt 63 Wochen Dauer, an der sich das Mainzer Amt für Denkmalpflege, das Römisch-Germanische Zentralmuseum und die Universität von Connecticut beteiligten. Auf 300 qm Fläche konnten knapp 10000 Steinartefakte und fast 4000 Tierknochen geborgen werden. 

Die Funde wurden nicht etwa nur in einer, sondern in fünf verschiedenen Schichten geborgen, die Schwemmlandterrassen des Wiesbachs darstellen. Das bedeutet, dass die Stelle über Zigtausende von Jahren des öfteren steinzeitlichen Jägern als Lagerplatz diente.


Die Steinartefakte sind aus Schottern des Wiesbaches gearbeitet. Abfälle deuten darauf hin, dass die Werkzeuge an Ort und Stelle, manchmal nach der sog. Levallois-Methode, hergestellt wurden. Häufig sind v.a. Schaber. An Knochen wurden hauptsächlich solche des Wisents gefunden. Sie weisen zum Teil auch eindeutig Spuren menschlicher Bearbeitung auf. Wie manche anderen Fundplätze deutet auch dieser darauf hin, dass der altsteinzeitliche Mensch, in unserem Falle der Neandertaler, sich auf bestimmte Beutetiere spezialisiert hatte.

Feuerstelle, Plätze zur Steingeräteherstellung und solche, an denen die großen Knochen zur Markgewinnung aufgebrochen wurden, sind unterscheidbar. Anhand der fehlenden Knochen kann man auch folgern, dass die Beutetiere schon in teilweise zerlegtem Zustand antransportiert wurden. 

Die unterste und damit älteste Fundschicht in der Ziegeleigrube ist etwa 120000 Jahre alt, datiert also auf die letzte Warmzeit, in der warm-gemäßigte Klimabedingungen herrschten. Es kamen u.a. Rot- und Damhirsche sowie Biber vor. Die beiden folgenden Fundschichten können auf das Ende dieser Warmzeit und den Beginn der letzten Eiszeit, der sog. Würm-Eiszeit, gelegt werden. Auch die vierte Schicht wird auf ein Alter von 110000 Jahren geschätzt und liegt damit am Beginn dieser Eiszeit. Die fünfte und sechste Fundschicht weisen ein Alter von etwa 100000 Jahren auf und anhand des gefundenen Pflanzenmaterials dürfte das Klima bereits deutlich kälter gewesen sein.