Kostheim in Rheinhessen

Zur Geschichte von Kostheim

Luftbildaufnahme Mainz-Kostheim.[Bild: Alfons Rath]

Am 31. August 790 stellte Karl der Große in Kostheim zwei Urkunden aus, in denen der Ort (Copistaino) erstmals genannt wird. Das Mainmündungsgebiet ist bis ins 18. Jahrhundert ein Überschwemmungs- und Sumpfgebiet. So lässt sich der ursprüngliche Ortsname „Copistaino“ wohl von „caput stagni“ = Haupt des Sumpfes ableiten.
Doch wahrscheinlich war Kostheim schon in der vorfränkischen Zeit besiedelt. Archäologische Funde reichen bis in die Zeit zwischen 5000 und 1800 v. Chr. zurück. Angesichts der Nachbarschaft zur gegenüber (am anderen RHeinufer) liegenden Römerstast Mainz ist anzunehmen, dass nicht nur Kastel, sondern auch die Gemarkung Kostheim zur Römerzeit bereits besiedelt war. Gräber, Hausfundamente und Brunnen aus der Römerzeit deuten ebenfalls darauf hin, dass auf dem Weg der Römer nach Mainz und Kastel und über die Steinerne Straße mehr als nur ein römischer Lagerplatz gewesen sein muss, somit mag Kostheim in römischer Zeit entstanden sein. Seine Aufgabe könnte es gewesen sein, die feste Brücke über den Main, deren Pfahlreste man bei Niedrigwasser noch heute sehen kann, zu schützen.
Als die Römer Mitte des 5. Jahrhunderts abzogen, könnte die Siedlung am Main untergegangen sein. Doch spätestens im 6./7. Jahrhundert – dies legen archäologische Funde nahe - ist die Kostheimer Gemarkung wieder besiedelt. Zu dieser Zeit befinden sich Gemarkung und Siedlung im Besitz des fränkischen Königs. So kam es auch, dass Karl der Große 790 in Kostheim weilte. Im Juli 795 hielt er hier sogar eine Reichsversammlung zur Vorbereitung des Sachsenfeldzuges ab.
Um das Jahr 850 schenkte der König das gesamte Gemeinwesen Kostheim der Salvatorkapelle zu Frankfurt am Main, aus der sich später der Frankfurter Dom entwickelte. Im Jahr 1000 überreichte Kaiser Otto III. Kostheim dem Nonnenkloster Burtscheid bei Aachen. Das Kloster ließ seinen Fernbesitz von einem Amtmann verwalten, der die Naturaleinkünfte vereinnahmte und nach Burtscheid sandte.

Kampf um die Vogtei

Die Vogtei über diesen Kirchenbesitz übten anfänglich die Mainzer Burggrafen aus, später die Herren von Eppstein, die diese Vogtei als Reichslehen innehatten. Vögte waren damals meist bestrebt, über ihre vogteilichen Kompetenzen die gesamte weltliche Herrschaft in ihrem Amtsgebiet an sich zu reißen. So geschah es auch in der Vogtei Kostheim. Mehrfach sind Streitigkeiten mit dem Klosterherrn überliefert, in die 1217 sogar der Mainzer Erzbischof helfend eingreifen musste.
Im Jahr 1224 trennte sich das Kloster Burtscheid von seinem unliebsamen Fernbesitz. Die Äbtissin Helswindis und der Konvent des Klosters verkauften Kostheim für 250 Mark Silber an das St. Stephansstift zu Mainz. König Heinrich VII. bestätigte diesen Verkauf noch im gleichen Jahr. Die Vogtei blieb aber weiterhin in den Händen der Herren von Eppstein. Schon wenige Monate nach dem Besitzwechsel (1225) geriet St. Stephan mit Vogt Gerhard von Eppstein in Streit. Wieder musste Erzbischof Siegfried II. schlichtend eingreifen. Aus dem darauf folgenden Jahr (1226) sind erneute Streitigkeiten überliefert.
Im 13. und 14. Jahrhundert erwarben weitere Mainzer geistliche Institutionen Rechte und Grundbesitz in Kostheim, so etwa das Liebfrauenstift, das Heilig Geist-Hospital, St. Johannes, St. Viktor, das Klarissenkloster und Heiligkreuz. Das Patronat über die Ortskirche St. Kilian stand dem Nonnenkloster Altmünster zu. Als erster Vikar wird 1277 ein gewisser Hermann genannt.
Die Kostheimer betrieben wohl in der Mehrzahl Landwirtschaft und Weinbau; einige Familien bestritten ihren Lebensunterhalt mit Fischfang oder unterhielten den Fährbetrieb über den Main. Mehrmals bekam Kostheim auch die „gefährliche Nähe“ der Stadt Mainz zu spüren: Während der großen Mainzer Stiftsfehde ging Kostheim in den Weihnachstagen des Jahres 1461 in Flammen auf. Am 11. September 1490 beschwerte sich das Stephansstift erneut beim Erzbischof über die Eigenmächtigkeiten des Vogtes Gottfried von Eppstein.
Der Eppsteiner verkaufte 1492 die halbe Grafschaft Eppstein dem Landgrafen Wilhelm III. von Hessen. Dies betraf auch Kostheim. Die dortige Vogtei, im Kern immer noch ein Reichslehen, blieb von dem Verkauf zunächst unberührt. Der Landgraf wandte sich schriftlich an den Kurfürsten Bertold und an das Gericht in Kostheim, worauf der Mainzer dem Stephansstift riet, ihm den Ort Kostheim zu verkaufen. Doch St. Stephan zögerte, erst am 4. Juli 1506 überließ das Stephansstift sein Dorf Kostheim dem Erzbischof Uriel von Gemmingen, der dem Stift dafür jährlich 80 Malter Hafer zahlte. In dem Kaufbrief werden die Herren von Eppstein an den Kurfürsten als neuen Lehnsherrn verwiesen. Jetzt konnte der Erzbischof seinen neuen Besitz von den lästigen Vögten befreien. Im August 1528 kaufte Erzbischof Albrecht von Brandenburg die Vogtei von Graf Eberhard von Eppstein-Königstein für 6000 Goldgulden frei. Jetzt konnte der Mainzer in Kostheim schalten und walten, die Gemeinde wurde dem Mainzer Viztumamt „außerhalb der Stadt“ unterstellt. In einem neuen Weistum wurden 1528 die neuen Verhältnisse geordnet, die Aufgaben des Ober- und Unterschultheißen, des Büttels, der Feldmesser usw. genau geregelt. Auch die Pflichten des Pfarrers von St. Kilian und seines Glöckners, der Organist und Schulmeister in Personalunion war, werden genau beschrieben.
Abermals gebrandschatzt wurde Kostheim im Sommer 1552, nachdem Erzbischof Albrecht von Brandenburg verstorben war und sein Gegenspieler Albrecht Alcibiades das Erzstift mit Raub und Brand überzog.

Vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) bis zum Wiener Kongress (1815)

Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wurde Kostheim Ende November des Jahres 1631 von Schweden besetzt. Einen Monat später fiel Mainz. Die Schweden bauten das Mainmündungsgebiet zu einer Festung aus. Mainz und Kastel werden befestigt, auf der Maaraue entstanden Befestigungen, Kostheim selbst war damals ummauert. Auf der anderen Mainseite wurde auf Kostheimer Gemarkung die Bastion Gustavsburg gegründet, doch die Festungsanlagen dort blieben unvollendet, da die Schweden im Jahr 1635 wieder abziehen mussten. Nach Krieg (1635) und Pest (1666) zählte man 1673 in Kostheim noch 113 Anwesen, von denen einige „wüst und leer“ waren.
Von kriegerischen Ereignissen weitgehend verschont, gediehen die Kostheimer Landwirtschaft und der Weinbau im 18. Jahrhundert. Sichtbares Zeichen eines bescheidenen Wohlstandes war der Umbau der St. Kiliankirche 1766 bis 1769 zu einem schmucken Barockbau. „An der Spitze der Verwaltung standen der Ober- und Unterschultheiß. Für Kassensachen waren zwei Bürgermeister zuständig. Ein Gerichtspedell, zwei Gerichtshausmeister, mehrere Feldschützen, zwei Pferchmeister, zwei Brotwieger, ein Wagenmeister, ein Zöllner und ein für die Ortsmauer und die Ortstore zuständiger Beamter vervollständigten die Kostheimer „Verwaltung“. Die revolutionären Ereignisse brachten im Jahr 1792 das Ende des alten Mainzer Kurstaates. In Kostheim übernahmen die Franzosen das Regiment. Revolutionäre Truppen aus Frankreich besetzten 1792 Mainz, das die deutschen Verbündeten anschließend zurückerobern wollten. Anfang Januar 1793 standen sich die Gegner gegenüber - die Franzosen in Kastel, die Deutschen in Hochheim, dazwischen Kostheim, das zum Kampfgebiet wurde. Von Anfang Januar bis Ende Juli 1793 zogen sich die Kampfhandlungen hin. Mehrfach wird Kostheim beschossen, am Ende war es nur noch ein Trümmerfeld.“ 
Auch 1795 und 1813 wurde Kostheim noch mehrmals von Krieg und Zerstörung betroffen. Im Jahr 1803 (Frieden von Lunéville) kam Kostheim für drei Jahre unter die Verwaltung von Nassau-Usingensch, welches es 1806 an Frankreich abtrat. Im Jahr 1808 gab Napoleon der durch den Krieg nahezu vollständig zerstörten Gemeinde ein Privileg, das sie für 15 Jahre von allen Steuern befreite. Kostheim blieb bis zum Abzug der Franzosen unter deren Verwaltung.

Das 19. und 20. Jahrhundert

Nach dem Wiener Kongress (1815) fiel Kostheim an das Großherzogtum Hessen. Unter hessischer Verwaltung konnte sich Kostheims Bevölkerung und Wirtschaft langsam wieder erholen. Doch zunächst ging der „Zug der Zeit“ in sprichwörtlichem Sinne an Kostheim vorbei. Die 1840 eröffnete Taunusbahn brauste an Kostheim vorbei, die neuen Dampfschiffe auf dem Main legten in Kostheim nicht an. Erst in der Zeit der Industrialisierung gewann Kostheim wieder Anschluss an das Wirtschaftsgeschehen. In den 1860er Jahren ließ sich in Gustavsburg die spätere MAN nieder (Brückenbau nach Weisenau), aber ebenso eine Zündholzfabrik, mehrere Holzhandlungen, Seifen- und Steinfabriken, die Zellulosefabrik und andere Betriebe. 1872 wurde eine Postagentur eingerichtet, 1875 entstand das Mädchen-Schulhaus, 1894 wurde die Lache zum Floßhafen ausgebaut, im selben Jahr erfolgte die Gründung der Spar- und Kreditbank, 1897 wurde die Knabenschule erweitert, 1887/89 eine feste Mainbrücke erbaut und im Jahr 1907 erfolgte der Anschluss an das Mainzer Straßenbahnnetz.
Angesichts der steigenden Anforderungen an die prosperierende Gemeinde war man bald nicht mehr in der Lage, seinen finanziellen und rechtlichen Verpflichtungen alleine nachzukommen. So erfolgte im Jahr 1913 die Eingemeindung nach Mainz.
Den Ersten Weltkrieg (1914-1918) und auch den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) überstand Kostheim weitgehend unbeschadet. Nach dem Krieg wurde Kostheim dem neuen Bundesland Hessen zugeteilt und wird seitdem nicht mehr von Mainz, sondern von Wiesbaden aus verwaltet.

Die Kostheimer Fähre

Das Überfahrtsrecht von Kostheim über den Main und nach Mainz stand dem dortigen Altmünsterkloster zu. Im Jahr 1283 trug der Ritter Kuno von Hazechistein die Hälfte dieses Überfahrtrechtes vom Kloster zu Lehen. Im Jahr 1432 übertrug die Altmünsterer Äbtissin Katharina von Worms dieses Privileg an die Fährleute von Kastel. Dieses Erbpachtrecht wurde 1662, als Kurfürst Johann Philipp von Schönborn die Rheinbrücke errichtet hatte, in eine Zeitpacht umgewandelt. Der Pachtzins betrug 160 Gulden jährlich, von der Entrichtung des Fährgeldes war nur das St. Stephansstift als Ortsherr von Kostheim befreit. Am 11. Oktober 1730 wurde zwischen dem Kloster und der Gemeinde Kostheim eine neue Fährordnung für die Mainfahrt und die Rheinüberfahrt errichtet und vom Mainzer Viztumamt "außer der Stadt" genehmigt. Bei Aufhebung des Klosters im November 1781 fiel das Überfahrtsrecht an den Mainzer Universitätsfonds, dem die Güter des Altmünsterklosters übertragen worden waren.

Nachweise

Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Grathoff, Sarah Traub

Verendete Literatur:

  • Karl Johann Brilmayer: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung. Gießen 1905.
  • Ulrich Schmilewski. Vortrag während des Brunnenfestes in Kostheim am 8. September 1990 aus Anlass der ersten urkundlichen Erwähnung Kostheims vor 1200 Jahren. Gefunden bei www.kostheim.info.

Aktualisiert am: 20.05.2016