Weisenau in Rheinhessen

Zur Geschichte von Weisenau - von Sigrid Schmitt

Luftbild von Weisenau[Bild: Alfons Rath]
Drususstein in Weisenau.[Bild: Harald Strube]

Grundherrschaft

Da Nachweise über frühe Schenkungen aus Weisenau fehlen, kann man davon ausgehen, dass das Gebiet in der Merowingerzeit bereits im wesentlichen der Mainzer Kirche unterstand. Große Teile der Weisenauer Gemarkung gelangten im 10. Jahrhundert an das St. Viktorstift, das für diesen Bereich bis ins 18. Jahrhundert eine Immunität mit eigenem Gerichtsbezirk besaß. Wichtige geistliche Grundherren in Weisenau waren außerdem das nahe gelegene Stift Maria in Campis (Heilig Kreuz), das Altmünsterkloster, die Johanniter und die Kartause.

Ortsherrschaft

Die Nähe zur Stadt Mainz einerseits und ihren Kirchen andererseits bewirkte eine sehr vielschichtige Herrschaftsentwicklung in Weisenau, die zeitweise zur Aufspaltung des Ortes in vier Einzelgemeinden führte und sich erst kurz vor dem Ende des alten Reiches zu einheitlichen Verhältnissen unter der Herrschaft des Mainzer Erzbischofs klärte. Aus der Weisenauer Gemarkung spalteten sich im 10. bzw. 13. Jahrhundert zwei Sonderbereiche ab: Dies war zum einen die bereits genannte Immunität des St. Viktorstiftes, bei der zwischen der Engstimmunität des eigentlichen Stiftsgebietes und dem weiteren, in den Quellen Montheit genannten Sonderbereich des zum Stift gehörenden geschlossenen Besitzkomplexes in Weisenau und den Nachbargemarkungen zu unterscheiden ist. Die Vogtei über die St. Viktorsgüter hatten bis ins 12. Jahrhundert die Grafen von Saarbrücken inne. 1207 kaufte das Stift ihnen die Vogtei für die um das Stift gelegene Immunität ab; seither übte der Stiftspropst diese Funktion selbst aus, bis er sie 1783 an den Mainzer Erzbischof abgeben mußte. Zu einem weiteren Sonderbereich innerhalb Weisenaus entwickelte sich der Bezirk der Weisenauer Burg. Diese Burg war vermutlich in der Zeit des Erzbischofs Christian von Buch (1165-83) von den Mainzer Kämmerern, die die Weisenauer Vogtei vom Erzbischof zu Lehen hatten, erbaut worden. Kaiser Friedrich Barbarossa ließ sie sich zu Lehen auftragen, so dass sie dem Erzstift entfremdet und erst unter Erzbischof Konrad von Wittelsbach (1183-1200) wiedergewonnen wurde, indem sie an die Kämmerer von Mainz zurückfiel. Auf dem Erbweg gelangte die Burg an die Reichsministerialen von Bolanden. Der Hohenfelser Zweig dieser Familie geriet als treuer Stauferanhänger in Konflikt mit der auf die päpstliche Seite übergewechselten Stadt Mainz, die die Gelegenheit nutzte, sich der ungeliebten Burg in ihrem unmittelbaren Vorfeld zu entledigen. Die Burg wurde offenbar von den Mainzern zerstört, denn 1250 ließen sie sich von Wilhelm von Holland verbriefen, dass keine Festung im Umkreis von vier Meilen um die Stadt ohne ihre Zustimmung errichtet werden dürfe, wobei ausdrücklich der Wiederaufbau der Weisenauer Burg verboten wird. In der Folgezeit gelang es den Mainzern, die von der Weisenauer Burg für sie ausgehenden Gefahren endgültig auszuschalten. Nachdem die Bolander Vettern ihre Besitzrechte an dem Burgplatz geklärt hatten, kaufte Mainz zunächst dem Philipp von Hohenfels eine Hälfte, später dann den Falkensteiner und Bolander Erben die zweite Hälfte des "Burgstadels" ab. So gelangte die Stadt Mainz in den Besitz eines Teils von Weisenau, der noch im 17. Jahrhundert, zu den eylff häußern genant, nicht wie der übrige mainzische Ortsteil dem Amt Olm sondern dem Viztumamt Mainz unterstellt war und bereits im Mittelalter einen eigenen, der Stadt Mainz unterstellten Rechtsbezirk bildete. Bis 1823 blieben die elf Häuser am Ortsausgang Richtung Mainz Teil der Stadt. Eine besondere Entwicklung nahm auch die Weisenauer Fähre, die nicht, wie die übrigen Herrschaftsrechte im Ort, erzstiftisches sondern Reichslehen war. 1215 ging sie wohl zusammen mit der übrigen Weisenauer Erbschaft an die Bolander über. Philipp von Falkenstein verpachtete sie 1402 an 16 Fährleute, die als Genossenschaft organisiert waren und - wie die Fährordnung von 1492 zeigt - ein eigenes Gericht bildeten. Nach dem Aussterben der Falkensteiner fiel das Lehen 1418 an das Reich zurück. Kaiser Sigismund verlieh es 1421 seinem Kämmerer Konrad von Weinsberg, der seine Ansprüche daran jedoch nicht gegenüber der bereits 1420 mit allen falkensteinischen Reichslehen belehnten Luitgard von Eppstein-Königstein durchsetzen konnte. Die Fähre gelangte später an Kurmainz, verlor jedoch ihre Bedeutung nach dem Bau der Mainzer Schiffsbrücke im Jahre 1661. Wie es zur Aufteilung des restlichen Ortes Weisenau (d.h. also Weisenau ohne die Stiftsimmunität, die elf Häuser und die Rheinfähre) kam, lässt sich aus den Quellen nicht klar ersehen. Es gab offenbar einen Teil, der dem Erzbischof direkt unterstand und der gemeinsam mit Laubenheim vom Amt Olm verwaltet wurde, sowie einen Teil, der zusammen mit Hechtsheim als mainzisches Lehen in der Hand der Bolander Erben verblieben war. Die enge Verbindung mit Laubenheim legt es nahe, den von Olm aus verwalteten Teil in Zusammenhang mit der Geschichte dieses Nachbarortes zu betrachten. Möglicherweise gelangte er gemeinsam mit Laubenheim nach 1263 an den Mainzer Erzbischof zurück. 1618 besaßen der olmische Teil Weisenaus und Laubenheim ein gemeinsames Gericht.

Nachweise

Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Grathoff

Verwendete Literatur:

  • Karl Johann Brilmayer: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung. Gießen 1905.
  • Landesamt Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 2.3: Stadt Mainz. Bearb. v. Dieter Krienke. Worms 1997.
  • Sigrid Schmitt: Ländliche Rechtsquellen aus den Kurmainzischen Ämtern Olm und Algesheim. Stuttgart 1996 (Geschichtliche Landeskunde.44).

Aktualisiert am: 24.07.2016