Rheinhessen

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Karte 3.1 ‘Kiefer (Pinus sylvestris)’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 34. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

Kiefer (Pinus sylvestris)

Bis auf die Vorder- und Südpfalz ist im gesamten Erhebungsgebiet Kiefer die übliche Bezeichnung für den Nadelbaum, der den wissenschaftlichen Namen Pinus sylvestris trägt. Das neuhochdeutsche Wort ist zusammengezogen aus althochdeutsch kienforaha (noch frühneuhochdeutsch kienfer), zu verstehen als ‘Kien-Föhre’, d. h. der Baum, aus dessen (harzreichem) Holz Kienspäne hergestellt werden. Kien ‘Holzspan, Fackel’ geht auf die Wurzel indogermanisch *ĝēi‑/ *ĝī- ‘keimen, aufblühen, sich spalten’ zurück, so dass als ursprüngliche Bedeutung für das Substantiv ‘das Abgespaltene’ angesetzt werden kann. Der Bedeutungszusammenhang ergibt sich dadurch, dass Kienspäne von größeren Holzstücken abgespalten, später auch abgehobelt wurden. Das in der Ost- und Südpfalz belegte Kien mit der Nebenform Kun gehört sprachgeschichtlich zu Kiefer. Die althochdeutsche und auch noch die frühneuhochdeutsche Form des Wortes zeigt dies deutlicher.

Die im selben geographischen Raum vorkommende Bezeichnung Forle ist aus mittelhochdeutsch vorhele, einer Variante von mittelhochdeutsch vorhe, hervorgegangen. Dem liegt althochdeutsch for(a)ha (s. o. das Kompositum althochdeutsch kienforaha) zugrunde. Der Ausdruck der neuhochdeutschen Standardsprache ist Föhre. Die Herkunft des Wortes ist nicht geklärt.

Die behandelten Wörter kommen nicht nur als Simplizia vor. Mit dem Grundwortbaum (dialektal ‑baam, ‑bäm u. ä.) werden sie zu Kieferbaum, Kien(en)baum und Forlenbaum zusammengesetzt. Auch Diminutive wer­den gemeldet: Kienel und Forlchen.

Bei der ersten Komponente von Weimannskien liegt eine volkstümliche eindeutschende Umdeutung des englischen Namens Weymouth vor. Dieser ist Be­standteil der Bezeichnung Weymouthskiefer, mit der eine ursprünglich aus Nordamerika stammende Kiefernart (Pinus strobus) benannt ist. Namens­geber ist Thomas Thynne, 1. Viscount of Weymouth (1640-1714), der die Grundlage für die Verbreitung des Nadelbaums in Europa legte.

Mit Krüppelkiefer (dialektal Gribbelkiefer u. ä.) ist in der Hochsprache ei­gentlich eine besondere Kiefernart gemeint, nämlich die zu den Bergkiefern gehörende Latsche (Pinus mugo). Es ist nicht klar, ob das zweimal gemel­dete Kompositum der allgemeine Ausdruck für ‘Kiefer’ in den betreffenden Belegorten ist oder ob die Gewährspersonen den Baum auf der Abbildung des Fragebogens falsch (nämlich als Latsche) identifiziert haben. Das Pf. Wb. verzeichnet das Kompositum nicht.

In den Dialekten wird zwischen Kiefer, Fichte und Tanne semantisch nicht streng geschieden. Fichte kommt auch als ‘Kiefer’ vor. Das Wort – althochdeutsch fiuhta – ist mit außerdeutschen Wörtern verwandt, die auf die Wurzel indogermanisch *peuk- ‘stechen’ zurückführen. Im Hinblick auf die Nadelblätter ist Fichte demnach als ‘die Stecherin’ aufzufassen.

Mit Zasseln (dialektal Zassele) liefert die Gewährsperson die Pluralform des Wortes. Der Ausdruck bezeichnet im Dialekt auch die Nadeln oder Äste ei­ner Kiefer. In der Schriftsprache fand sich das Wort Zasel ‘Faser einer Pflanze’ in früheren Zeiten, in der neuhochdeutschen Standardsprache ist es ausgestor­ben. Es liegt wohl Verwandtschaft mit niederdeutsch tasen ‘pflücken’ vor. Im Di­alekt erfolgte wohl eine Übertragung der Bezeichnung vom Teil (Nadelblät­ter) auf das Ganze (Baum).

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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