Rheinhessen

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Karte 8.1 ‘Stachelbeere’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 60. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

Stachelbeere

Das mit standarddeutsch Stachelbeere zusammenfallende Dialektwort Sta­chelbeer kommt lediglich viermal im Süden der Pfalz vor. Die Belege sind Vorboten eines sich rechtsrheinisch anschließenden umfangreichen Stachel­beere-Gebietes. Das Wort – seit dem 17. Jh. nachweisbar – bezeichnet so­wohl die Frucht des dornigen Strauchs als auch diesen selbst. Das erste Kompositionsglied Stachel- ist eine Instrumentalbildung zu dem Verb ste­chen (aus westgermanisch *stek-a‑). Außerdeutsch vergleichen sich mit dem Verb griechisch stígma ‘Stich, Punkt’ sowie englisch to stick ‘stechen, stoßen, stecken’. (Vgl. auch Karte 20. Stechmücke.) Die Herkunft des Grundworts ‑beere ist nicht geklärt.

Das Dialektwort Rheinhessens und der nördlichen Pfalz für ‘Stachel­beere’ ist Gruschel, seltener Grussel. Die sprachgeschichtlich-etymologi­sche Herkunft der zusammengehörenden Varianten lässt sich nicht zweifels­frei klären. Es besteht Verbindung zu altfranzösisch grosele, groisele, neufranzösisch groseille ‘Johannisbeere’ (neufranzösisch groseille à maquereau ‘Stachelbeere’). Die altfranzösischen For­men sind wahrscheinlich das Resultat der Entlehnung von altfränkisch *krusil ‘Stachelbeere’. Ob dialektal Gruschel/Grussel eine Rückentlehnung aus dem Französischen darstellt oder unmittelbar aus *krusil hervorgeht, ist un­klar. Manche Forscher bringen das altfränkische Wort mit kraus (mittelhochdeutsch krūs) in Verbindung. Die Stachelbeere wäre dann nach den gekräuselten Haaren einer rauhäutigen Unterart benannt. Es lässt sich nicht eindeutig entscheiden, ob Grusselbeere eine Wortkreuzung aus Stachelbeere und Grussel ist oder ob Gruschel/Grussel eine Verkürzung von zeitlich vorangehendem Grussel­beere darstellt.

Der Anlaut D- in Druschel/Druchel ist das Ergebnis einer Assimilation: Der ursprüngliche Gaumenverschlusslaut G- in Gruschel wird unter dem Einfluss des nachfolgenden Zungenspitzen-r durch den am gleichen Artiku­lationsort (Zahndamm) gebildeten Verschlusslaut D- ersetzt. In der Südost­pfalz ist einmal die Zusammensetzung Drusselbeer belegt. Auch hier gilt das oben zu Grusselbeere Gesagte.

Um Mainz kommt Klosterbeere und daraus verkürzt Kloster (dialektal Kloschder) vor. Das Motiv für die Bildung der Bezeichnung ergibt sich aus dem Faktum, dass die ursprünglich wildwachsenden Stachelbeerbüsche zu­erst von Mönchen in den Klostergärten kultiviert wurden.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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