Rheinhessen

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Karte 46 ‘Schornstein’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 198. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

Schornstein

Das Dialektwort des Arbeitsgebietes ist Schornstein in verschiedenen lautli­chen Ausprägungen. Nur im äußersten Südosten findet sich ein Kamin-Be­leg, dem sich südlich außerhalb des Kartenfeldes das entsprechende Wort­areal anschließt. Bei der Dialektform Kamie, die auf mittelhochdeutsch kamīn (seit dem 13. Jh. nachweisbar) zurückführt, ist ‑n abgefallen nach einer allgemei­nen für Rheinhessen und große Teile der Pfalz gültigen Regel. Diese besagt, dass nach langem Vokal ‑n apokopiert wird, vgl. etwa dialektal grii ‘grün’ (vgl. auch unten Schornstää). Kamin ist aus lateinisch camīnus ‘Feuer­stätte, Schmiedeesse, Herd’ entlehnt. Dieses geht auf griechisch kámīnos ‘Ofen’ zurück.

Schornstein mit volltönendem Vokal im Grundwort (dialektal Schornstää u. ä.) kommt nicht oft vor. Überwiegend wurden Formen mit zu Schwa ([ə]) lautlich abgeschwächtem ‑ei gemeldet, und zwar Schornste und Schorste (dialektal Schornschde, Schorschde usw.). Die phonetische Reduktion hängt mit dem Wortakzent zusammen, der auf der ersten Komponente der Zusammen­setzung liegt (Initialbetonung), so dass der unbetonte zweite Teil lautlich ab­gebaut wird. Analoge Entwicklungen finden sich in den Dialekten z. B. bei Händsche ‘Handschuh’ und Wohret ‘Wahrheit’ (beide mit zu Schwa redu­ziertem ‑e()).

Bei Schornster (Beleg: Schornschter u. ä.), das sich überwiegend in Rheinhessen findet, ist ‑r unorganisch angewachsen. Somit stellt sich die Wortform zu anderen Ausdrücken auf ‑er, die Teile des Hauses bezeichnen wie z. B. Fenster, Keller, Zimmer und Geländer. Möglich ist auch, dass der Schornstein als ein Gerät (zur Rauchableitung) aufgefasst wird. In diesem Fall wäre Schornster nach dem Muster eines Nomen Instrumenti mit Suffixer gebildet wie etwa Ständer, Halter und Schalter.

Im Westen des Untersuchungsraums kommt das Wort Schornstein in einer Form ohne ‑n- am Ende der ersten Komponente vor: Schorste (dialektal Schorschde u. ä.). Schornstein weist bereits im Mittelhochdeutschen neben schornstein zwei Varianten ohne ‑n- auf, nämlich schorstein und schürstein. Das erste Glied hat in mittelniederdeutsch scharre, schore ‘festes Land, Stütze’ eine Entsprechung. Etymologisch gehört auch das Verb althochdeutsch scorrēn ‘emporragen’ in diesen Zu­sammenhang. Der Schornstein war ursprünglich der Stützstein auf der offe­nen Feuerstelle, der den darüber aufgebauten Rauchabzug stützte. Bereits in althochdeutscher Zeit wurde die Bedeutung von scorrenstein auf die gesamte Feuerstätte samt Rauchabzug erweitert. Nachdem Öfen die offenen Feuerstellen ersetzt und den Rauchfang überflüssig gemacht hatten, erfolgte die Einengung der Bedeutung von Schornstein auf ‘Rauchabzugsgang’.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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