Streithausen im Westerwald

Die Abtei Marienstatt bei Hachenburg

Klosterstätte bei Neunkhausen

Der Meginheresfanc, jener grundherrliche Rodungsbezirk, zu dem auch der Bereich um das heutige Kirburg gehörte, war durch Aleidis von Molsberg ihrem Ehemann Burggraf Eberhard von Aremberg überlassen worden. Die Ehe blieb kinderlos und so schenkten Burggraf Eberhard und Aleidis im Jahr 1215 ihr Eigengut südöstlich Neunkhausen an der Kleinen Nister in der Pfarrei Kirburg dem Abt von Heisterbach, damit dieser dort ein neues Zisterzienserklosters gründen konnte.
Am 25. Juni 1215 bestätigte der Trierer Erzbischof Dietrich (Theoderich) von Wied die neue Stiftung nördlich von Kirburg, die an der Stelle stand, die heute noch »Zum alten Kloster« (Altenklosterhof) genannt wird. Die Schutzvogtei über das neue Kloster behielt sich der Trierer Erzbischof vor.[Anm. 1] Doch Abt Hermann, der am 20. August 1215 mit zwölf Mönchen aus Heisterbach gekommen war, konnte sich mit dem rauen Klima nicht anfreunden und plante, nach Heisterbach zurückzukehren. Zudem hatten Aleidis Verwandte in Molsberg Einspruch gegen die Überlassung des Gutes an die Kirche erhoben. Der daraus entstehende Streit konnte erst Jahrzehnte später beigelegt werden.[Anm. 2]

Gründungslegende

Nun soll – den Marienstatter Tafeln von 1324 zufolge[Anm. 3] - dem Abt in dieser Zeit die Jungfrau Maria im weißem Gewand, mit einem blühenden Weißdornzweig in der Hand erschienen sein und ihm aufgetragen haben, einen solchen Zweig in der Nähe zu suchen. Dorthin solle er das Kloster verlegen. Angeblich suchte der Abt zunächst vergeblich auf der Meinbrechtsaue und auch auf der Wiese, auf der später der Ort Arfelden bei Hachenburg entstehen sollte. Dann habe er aber, mitten im Februar, den blühenden Zweig  im Ainvelde an der Großen Nister gefunden.

Abtei an der Großen Nister

Die Klosterkirche der Abtei Marienstatt in Streithausen wurde 1831 zur Pfarrkirche umgewidmet
[Bild: Rosi baloni (Gemeinfrei)]

Die Stelle war günstig, kreuzte doch hier, von der Köln-Leipziger Straße kommend, ein Weg (Eisenweg) über die Furt, um weiter ins Siegerland zu ziehen. Burg Nister, die in unmittelbarer Nachbarschaft stand, war zu dieser Zeit bereits Ruine.
Die Vögtin Guda von Greifenstein, Ehefrau Rorichs des Kleinen (aus dem Haus Nister), die zu dieser Zeit wohl schon in Hachenburg wohnte, ließ im Ainvelde eine Kapelle errichten,[Anm. 4] die noch bis ins 14. Jahrhundert neben dem dortigen Siechenhaus zu sehen war. An der Stelle, wo der blühende Dornbusch gefunden worden war, wurde ein Altar errichtet. Der Name Marienstatt leitet sich von diesem magischen Ort, dem locus Sanctae Mariae, der Stätte der hl. Maria ab. Zur Erinnerung an diese wunderbare Begebenheit nahm die Abtei einen blühenden Weißdornzweig in ihr Wappen auf.
Im Jahr 1221 gestattete Erzbischof Engelbert I. von Köln (1216-1225) den Mönchen eine Abtei auf dem Grund und Boden zu errichten, den Graf Heinrich III. von Sayn (1202-1246) und seine Gemahlin Mechthild den Klosterleuten überlassen hatten.[Anm. 5] Diese Schenkung wurde am 27. Februar 1222 auf Burg Blankenberg schriftlich festgehalten.[Anm. 6] Das Gut, Teil der Grundherrschaft Nister (Nistria), bestand aus dem Ainvelde am Bach, mit dem Grund und Boden der ehemaligen Burg Nister auf dem Felsen. Erzbischof Engelbert von Köln (1216-1225) bestätigte am gleichen Tage als Lehnsherr von Nister diese Schenkung und genehmigte als zuständiger Erzbischof die Verlegung des Klosters an den neuen Platz.[Anm. 7]
Im Jahr 1227 konnte Graf Heinrich III. von Sayn (1202-1246) dann endlich den Grundstein zu einer neuen Abtei legen.[Anm. 8] Am 27. Dezember 1227 zog Abt Konrad mit seinem Konvent von Kirburg an ihre neue Wirkungsstätte.[Anm. 9]
Der neuen Gründung gelang es in den Folgejahren, einen ansehnlichen Besitz im Westerwald, an Rhein und Mosel zu erwerben.[Anm. 10] Im Jahr 1344 versuchte Graf Johann III. von Sayn (1327-1359) mit dem Bau der Burg Vroneck seinen Oberhoheitsanspruch über die Abtei zu demonstrieren. Abt und Konvent baten Erzbischof Walram von Köln (1322-1349) um Hilfe und dieser verhinderte den Bau der bereits begonnenen Burg. Das »»Felsenstübchen«, die ausgehauenen Fundamente des geplanten Wohnturms sowie der Halsgraben erinnern noch heute an diesen Bauversuch.
Die Blüte seiner Entwicklung erlebte das Kloster Ende des 15. Jahrhunderts. In dieser Zeit war es Begräbnisstätte der Grafen von Sayn und anderer Adliger, dazu Anziehungspunkt für zahlreiche Pilger.
Im Gefolge der Reformation änderte sich nach 1560 das Verhältnis zwischen der katholischen Abtei und den evangelischen Grafen in Hachenburg grundlegend. In den Jahren 1567-1582 versuchten die Grafen, die Abtei aufzuheben, indem sie den Abteileuten Sittenverfall, Leben in Üppigkeit und Wollust vorwarfen. Die mehrfach durchgeführten Visitationen und Reformationen, die der geistliche Vorsteher der Abtei, der Abt von Heisterbach, anordnen ließ, brachten aber keine Bestätigung der Vorwürfe. Doch der Streit mit den Grafen sollte bis zur Aufhebung der Abtei im Jahr 1803 nicht mehr enden.
Im Dreißigjährigen Krieg (16181-1648) wurde die Abtei in den Strudel der politischen Ereignisse hineingezogen. Im Jahr 1633 beschlagnahmten die Schweden Abtei und Abteigüter mit all seinen Besitzungen. Die Pestwelle des Jahres 1636 fand auch im Abteibereich ihre Opfer.
Während der Koalitionskriege Ende des 18. Jahrhunderts diente die Abtei lange Zeit als Lazarett. Der »Kaiserliche Friedhof« erinnert noch heute an die Soldaten, die damals im Lazarett verstarben.

Die Abtei nach 1799

[Bild: StAH]

Nach dem Ende der selbständigen Grafschaft Sayn wurde die Abtei am 19. Oktober 1802 im Zuge der Säkularisierung aufgehoben und dem neuen Landesherrn, dem Grafen Wilhelm von Nassau-Weilburg zugesprochen. Die Mönche mussten das Nistertal im März 1803 verlassen. Die Abteikirche wurde 1831 zur Pfarrkirche erhoben.
In den Jahren der Aufhebung wurden einige Klostergelände zeitweise als Fabrikgelände benutzt. Von 1806-1811 ließ sich eine Manufaktur für Eisenwaren und 1816 eine »Panzerfabrik« nieder. Dann richtete die englisch-deutsche Bergwerksgesellschaft ihre Verwaltung und die Wollweberei und Walkerei (Gebrüder Lorsbach aus Hachenburg) ihre Produktionsstätte in den Abteigebäuden ein.
Im Jahr 1842 erwarb der Fiskus die Klostergebäude von den Fürsten von Nassau-Weilburg zurück, um dort ein Arbeitshaus einzurichten. Dazu kam es aber nicht. So überließ das Herzogtum Nassau die Abteigebäude am 18. Mai 1864 dem Limburger Bischof Peter Josef Blum. Dieser richtete in den in Verfall geratenen Abteigebäuden eine heftig umstrittene Erziehungsanstalt für Knaben ein.
Im Jahr 1888 wurde die Abtei von Zisterziensern der Abtei Wettingen-Mehrerau bei Bregenz am Bodensee neu besiedelt. Am 30. August 1888 riefen die Glocken erstmals wieder zum nächtlichen Chorgebet.
1909 vervollständigte man den Abteibau durch einen Bibliotheksflügel, an den man den Erweiterungsbau für den 1910 aufgenommenen Schulbetrieb anschloss. Anlässlich des 700-jährigen Jubiläums im Jahre 1927 erhob Papst Pius XI die Abteikirche in die Würde einer römischen Basilika, eine Auszeichnung, die nur wenigen Kirchen zuteil wird.
Im zweiten Weltkrieg waren in den Abteigebäuden die Kinder des Raphaelshauses in Dormagen untergebracht, dazu kamen die Theologische Hochschule der Jesuiten Sankt Georgen (Frankfurt), das Altenheim der Frankfurter Ursulinen und in den letzten Kriegsjahren noch ein Lazarett für Soldaten.
Kirche und Abteigebäude waren im 2. Weltkrieg nur wenig beschädigt worden. Die Jesuitenschule wurde in ein altsprachliches Gymnasium umgewandelt. Von 1958 bis 1962 wurde erst ein Schülerwohnheim, dann ein Internatsbetrieb eingerichtet, der dann aber wieder geschlossen wurde.
Heute befindet sich das Kirchengebäude im Eigentum des Landes Rheinland-Pfalz, während die Abteibauten und das Gymnasium, das Gymnasium für die Verbandsgemeinde Hachenburg ist, der Zisterzienserabtei gehören.
Mit dem Umbau der Gaststätte im Jahr 2004 zum Brauhaus, knüpfen die Mönche an eine alte Tradition an, denn eine Abteibrauerei hatte es schon früher gegeben.

Das Gebäudeensemble

[Bild: StA Hachenburg]

Die Abteikirche wurde seit 1227 in drei Bauabschnitten bis jeweils 1243, 1324 und um 1425 errichtet bzw. ausgebaut. Nach dem »Großen Krieg« (1618-1648) wurde unter Abt Benedikt Bach (1688-1720) der Kirchbau einer umfassenden Barockisierung unterzogen und unter Abt Petrus Emons (1734-1751) 1747 das neue Klostergebäude mit dem charakteristischen Mittelpavillon eingeweiht. Heute gilt die Kirche als eines der ältesten gotischen Bauwerke in Deutschland.[Anm. 11]

Anmerkungen:

  1. Beyer/Eltester/Goerz III Nr. 33. Zurück
  2. Vgl. zu den weiteren Vorgängen in Kirburg Vogel, Topographie S.139. Zurück
  3. Sie befinden sich heute im Rheinischen Landesmuseum (Bonn). Zurück
  4. Struck, Cistercienserkloster Nr. 327 von 1211. Zurück
  5. HHStAW Abt. 1032 Nr. 6a. Zurück
  6. Struck, Cistercienserkloster Nr. 7 vom 27.2.1222. Zurück
  7. Struck, Cistercienserkloster Nr. 8. Zurück
  8. Struck, Cistercienserkloster Nr. 327 von 1211. Zurück
  9. Beyer/Eltester/Goerz III Nr. 34. Zurück
  10. Auch am Rhein konnten Güter größeren Umfangs erworben werden. Dies waren u.a. Güter zwischen Koblenz und Sinzig und im Raum Limburg. Bedeutende Klosterhöfe befanden sich in Koblenz, Andernach, Metternich, Arienheller und Dorchheim. Zurück
  11. Beschreibung des Inneren bei Struif, Zeitspuren S. 14-17. Roth: Kloster Marienstatt; Dehio, Rheinland-Pfalz Saarland S. 640-645 mit ausführlicher kunsthistorischer Würdigung; Handbuch S. 226f. Zu weiteren Einzelheiten der Geschichte der Abtei und seiner Bauwerke vgl auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Abtei_Marienstatt. Vgl. auch Goerz, Abteikirche S. 1; Kessler, Kloster Marienstatt S.150f.; Gensicke, Geschichte Stadt Hachenburg S. 7-9; Gensicke, Landesgeschichte S. 203 ff., S. 121; Söhngen S.2; Halbekann, Besitzungen, S.14; Vogel, Topographie S.136f. Zurück