Rheinhessen

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dat/das-Linie (Rheinischer Fächer)

Karte 6: das. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 30.
[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Mit Hilfe ausgewählter sprachlicher Grenzen teilt die Dialektgeographie den Sprachraum in Dialektgebiete ein. Die Binnengliederung des Westmitteldeutschen, das Dialekte mit bestimmten gemeinsamen Merkmalen zusammenfasst und dem die in diesem Atlas behandelten Dialekte angehören, erfolgt anhand der Linien des „Rheinischen Fächers“ (vgl. die Einführung sowie die Karten 1 und 2). Die dat/das-Linie wird traditionell als die Grenze angesetzt, die das Moselfränkische vom Rheinfränkischen trennt. Kennzeichnend für alle moselfränkischen Dialekte ist, dass das Wort das als dat ausgesprochen wird (dat Haus). Das Rheinfränkische hingegen hat das (das Haus). Den westlichen Abschnitt der dat/das-Linie erfasst die Karte. Der Verlauf ist in etwa folgender: südlich Saarlouis – St. Wendel – Kirn – Simmern – St. Goar.

Das Wort das kann in der gesprochenen Sprache betont oder unbetont vorkommen. Betontes das lautet im Moselfränkischen dat, im westlichen Teil daat (dat/daat Brut ‘das Brot’), unbetontes et oder det (et/det Brut). Im Rheinfränkischen findet sich im betonten Fall neben das östlich einer Linie etwa Bad Bergzabern – Kaiserslautern – Alzey – Bingen des (das/des Brot). Die unbetonte Form ist es oder gekürzt ’s (es/’s Brot). Wie ist der Wegfall von d in et bzw. es zu erklären? Man nimmt an, dass falsche Abtrennung dafür verantwortlich ist. In Sätzen wie z. B. Er hod des Haus gekaaft ‘Er hat das Haus gekauft’ wurde das d von des zum d von hod „herübergezogen“ (hod deshodd es), so dass aus des es entstand. Diese neue Form verfestigte und verselbständigte sich anschließend.

Die hervorstechende auf dem lautlichen Gegensatz von t und s beruhende Differenz zwischen dat und das ist mit der zweiten Lautverschiebung zu erklären, in deren Verlauf u. a. der Konsonant (Mitlaut) t des Germanischen – das ist die historische Vorstufe des Deutschen – im Hochdeutschen zu s bzw. (t)z verschoben wurde, vgl. z. B. englisch water, cat mit deutsch Wasser, Katze. (Vgl. hierzu ausführlicher die Einführung.) Die von Süden des deutschen Sprachgebietes nach Norden bis zu einer Linie etwa Aachen – Düsseldorf – Olpe – Kassel – Dessau – Frankfurt/ Oder vordringende Lautverschiebung hat im Rheinland die Wörter das, was, es und als nicht erfasst. (Als kann je nach Zusammenhang und Betonung verschiedene Bedeutungen haben: ‘immer’, ‘bisweilen’, ‘schon’, ‘nun einmal’ usw. Beispiele – hier im Standarddeutschen: Der wird als dicker, Das kann ja als vorkommen, Ist die Schule als aus?, Das ist als so.) Es heißt in den moselfränkischen und ripuarischen Dialekten entsprechend dat, wat, et und alt. In allen anderen Fällen hingegen wurde altes t konsequent zu s verschoben, man vergleiche z. B. moselfränkisch/ripuarisch Wasser mit niederdeutsch Water. Die Ausdrücke dat, wat, et und alt bezeichnet man als Reliktformen. Reliktformen sind sprachliche Überbleibsel, die von einer Sprachentwicklung, die sonst eingetreten ist, nicht erfasst wurden, also einen älteren Sprachstand konservieren. Dat, wat, et und alt sind Kennwörter der betreffenden Dialekte. Sie dienen als Ausweis der Identifikation mit der Sprachgemeinschaft und als Ausdruck sprachlandschaftlicher Zugehörigkeit. Diesen wichtigen Funktionen ist es wohl zuzuschreiben, dass die dat/das-, die wat/was sowie die et/es-Linie, die nahezu geographisch zusammenfallen, in ihrem Verlauf zumindest in unserem Gebiet stabil bleiben, d. h. die jungen Dialektsprecher halten an der Variante der Alten fest.

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.