Rheinhessen

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barfuß

Karte 56: barfuß. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 132.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Im südöstlichen Teil unseres Dialektraums kommt der Ausdruck barfuß in dieser Struktur nicht vor. Die Wortbildung erfolgt vielmehr mit der Endung ‑ig, die an barfuß angehängt wird. Das Wort heißt also barfüßig. Da im Rheinfränkischen die Vokale (Selbstlaute) ü und ö zu i bzw. e werden, vgl. z. B. kihl ‘kühl’, bees ‘böse’, lauten die Dialektvarianten baafißich oder – mit „Verdumpfung“ von a zu òafißich.

Im übrigen Kartengebiet liegt die Form barfuß in verschiedenen lautlichen Varianten vor. Da das zweite Glied des aus bar und Fuß zusammengesetzten Wortes unbetont ist, wird der Vokal von ‑fuß, von einem kleinen Areal um Zweibrücken, in dem es baafuß heißt, abgesehen, durchgängig zu einem lautlich abgeschwächten e. Der zweite Wortteil lautet in den Dialekten ‑wes oder ‑bes. Die Entwicklung voller Vokale zum Murmellaut e lässt sich vielfach belegen: Handschuh wird zu Händsche (vgl. Karte 54), Wahrheit zu Wohret (vgl. Karte 55), Backhaus zu Bagges (vgl. Karte 42) usw.

Die Entwicklung von f zu w (‑wes) hängt offenbar mit der lautlichen Umgebung zusammen. In den Ausdrücken barwes, baawes, bääwes usw. sind sowohl das dem w vorangehende r bzw. der vorangehende Vokal als auch das folgende e stimmhafte Laute, d. h. die Stimmbänder im Kehlkopf erzeugen bei deren Hervorbringung einen Stimmton. Aus Gründen der Ausspracheerleichterung wird in diesem Fall das in stimmhafter Umgebung stehende f in den Dialekten ebenfalls mit Stimmton artikuliert, was w ergibt.

In Varianten wie barbes, bärbes usw. ist b an Stelle von f belegt. Offensichtlich liegt in diesem Fall in den Dialekten eine Entwicklung vor, die in der Sprachgeschichte Parallelen hat. In manchen Wörtern hat sich w nach l oder r im Wortinnern zu b verändert. Mittelhochdeutsch milwe wurde zu neuhochdeutsch standardsprachlich Milbe, mittelhochdeutsch narwe zu neuhochdeutsch Narbe usw. Dieser Vorgang setzt voraus, dass vorher das f in barfuß zu w geworden ist.

In einigen, in der Karte durch rote Linien markierten Teilarealen ist der erste Wortbestandteil nicht bar-, sondern bär- (dialektal auch bää-, a-). Das sprachhistorisch aus a hervorgegangene ä nennt man Umlaut (vgl. auch standardsprachlich GastGäste, TalTäler usw.) In manchen Dialekten tritt Umlaut vor r ein, vgl. etwa Ärwet ‘Arbeit’, stärk ‘stark’ usw.

Vor allem in der Pfalz, und dort besonders in den großen und größeren Städten sowie deren Umgebung wird die lautlich nicht reduzierte, dem Standarddeutschen entsprechende Form barfuß realisiert. (Diese Belege wurden nicht kartiert, da sie nicht flächenbildend sind.) Der sich hier anbahnende Dialektabbau setzt sich, wie die Erhebungen des Mittelrheinischen Sprachatlas zeigen, in der Sprache der Jüngeren auf breiter Front fort. Insbesondere in Rheinhessen und in der Pfalz nehmen die barfuß-Belege exorbitant zu.

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

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Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.