Rheinhessen

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Mädchen

Karte 53: Mädchen. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 126.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Das standarddeutsche Wort Mädchen ist sprachhistorisch betrachtet ein Diminutiv (Verkleinerungsform) zu Magd. Der Dichter Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781) verwendet noch die Form Mägdchen, die durch Vereinfachung zum heutigen Mädchen wurde, wobei der Diminutivgehalt verblasst ist. Magdmittelhochdeutsch mag(e)t – war ursprünglich keine funktionelle Bezeichnung, sondern bedeutete ‘Jungfrau’. In dem bekannten, seit dem 16. Jahrhundert überlieferten Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“, in dem es von der Gottesmutter Maria heißt, sie habe ein Kind geboren und sei dennoch „reine Magd“ geblieben, haben wir noch die originäre Bedeutung des Wortes vorliegen. Das Wort Jungfrau (mittelhochdeutsch junc-vrouwe) hingegen bezeichnete ursprünglich die junge, unverheiratete Frau von adligem Stand. Durch Bedeutungswandel seit dem Mittelhochdeutschen haben sich die Wortinhalte von Magd und Jungfrau in dem bekannten Sinn geändert.

Die Karte zeigt die Varianten von Mädchen in den Dialekten unseres Gebietes. Drei Grundtypen lassen sich konstatieren (in der Reihenfolge von Norden nach Süden): 1. Mädchen, 2. Mäde und 3. Mädel.

Die Dialektvarianten Mädche, Meedche und Mäddche sind hervorgegangen aus dem Diminutiv zu Magd (s. o.). Auch das pfälzische Mädel/Medel ist eine Verkleinerungsform des Wortes Magd, an das jedoch nicht das Diminutivsuffix (Verkleinerungssilbe) ‑chen, sondern ‑el angehängt ist. (Über die areale Verteilung von ‑chen und ‑el gibt die Karte 52 Gläschen Auskunft.) Mitunter wird das d so schwach artikuliert, dass es ganz ausfällt. Es heißt dann Määl oder Meel.

Der Typus Mäde begegnet zumeist als Märe/Mere, seltener sind Mäle (n) und Mäde (n). Der Wandel von d zu r (Rhotazismus) sowie von d zu l (Lambdazismus) ist am Beispiel von Bruder (Brura, Brula) – vgl. die Karte 10 – ausführlich beschrieben. Bei Märe/Mere sowie Mäle(n) liegt eine parallele lautliche Entwicklung vor.

Mäde ist entstanden aus der mittelhochdeutschen Verkleinerungsform zu mag(e)t, verkürzt meit ‘Magd’. Diese lautet magedîn (u. ä.) bzw. meidîn. Auf mittelhochdeutsch meidîn basiert die Dialektform Mäde. Das mittelhochdeutsche Diminutivsuffix ‑în ist in den Dialekten des Kartenfeldes abgeschwächt und gekürzt worden zu dem Murmellaute. Nur vereinzelt ist n erhalten: Mäden/Mälen. Der Vokal ei ist regulär zu ää oder ee geworden, vgl. z. B. Klääd/Kleed ‘Kleid’(mittelhochdeutsch kleit), bräät/breet ‘breit’ (mittelhochdeutsch breit). Die Varianten Märe und Mere werden bereits bei der alten Generation zunehmend durch das von der Standardsprache gestützte Mädche ersetzt.

Die weitaus überwiegende Mehrzahl der deutschen Dialekte bildet die Bezeichnung für das weibliche Kind auf der Basis von Magd plus Diminutivsuffix. Außer den hier behandelten Varianten wären z. B. noch zu nennen: Maichen (um Kassel), Mäken (Niedersachsen, Brandenburg) Maidli (Südbaden), Mädle (Schwaben), Madla (Franken). Weitere Bezeichnungen auf anderer Wortgrundlage mit größerer Verbreitung sind Deern in Norddeutschland und Dirndl in Bayern und Österreich. Beiden Varianten liegt der Ausdruck Dirne zugrunde, der ursprünglich wie Magd die Bedeutung ‘Jungfrau’ hatte und im Sinne von ‘Mädchen’ in den Dialekten noch fortexistiert.

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.