Rheinhessen

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schöne

Karte 50: schöne. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 120.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Wenn zwischen unbestimmtem Artikel (Geschlechtswort) und Substantiv (Haupt-wort) ein Adjektiv (Eigenschaftswort) eingeschoben ist, dann wechselt in der neuhochdeutschen Standardsprache dessen Endung je nach grammatischem Geschlecht des Substantivs. Die folgenden Beispielsätze mögen das Gesagte erhellen:

Das ist ein schöner Apfel.

Das ist eine schöne Birne.

Das ist ein schönes Glas.

Die Dialekte unseres Gebietes (aber nicht nur diese) zeigen zahlreiche Besonderheiten bei der Flexion (Beugung) der Adjektive. Dieser Teilbereich der Dialektgrammatiken ist überaus komplex, so dass er in diesem Atlas selbst überblicksartig nicht umrissen werden kann. Ich beschränke mich daher auf einen besonders interessanten Fall der Adjektivflexion, den ich exemplarisch darstelle. Es geht um die weibliche Form des Adjektivs, demonstriert am Beispiel von schön in der Verbindung eine schöne Birne.

Die Karte zeigt die Variation der Adjektivendung. Es sind drei Raumstrukturen erkennbar: 1. In einem kleinen Areal südlich Koblenz endet das Adjektiv auf ‑e, es heißt dort z. B. en scheene Bia. (Das Wort Birne heißt im Mittelhochdeutschen bir. Die Dialekte setzen diese Form als Bia, Bea usw. durchgängig fort.) 2. Im Norden, in der Mitte und im Südwesten des Kartengebietes bis zu einer Linie nördlich Saarbrücken – nördlich Worms weist schön keine Flexionsendung auf. Es heißt: en schiin Bia, en schee Bea, e sching Bia usw. 3. Südlich der genannten Linie kommt die Adjektivendung ‑i vor, z. B. e schääni Bea, e schäini Bea. Das Flexionselement ‑i ist besonders auffällig und beachtenswert. Um seine Herkunft zu erklären, muss wie sooft bei der Deutung dialektaler Befunde die Sprachgeschichte herangezogen werden. Im Mittelhochdeutschen lautet die Adjektivendung der weiblichen Formen (nach dem Artikel eine) ‑iu (gesprochen: ü), also z. B. eine schœniu bir. Dem entspricht in der neuhochdeutschen Standardsprache eine schöne Birne. In den meisten deutschen Dialekten ist ‑iu im Laufe der Sprachentwicklung zu dem Murmelvokal ‑e geworden (ebenso in der neuhochdeutschen Standardsprache) oder sogar völlig geschwunden. Nicht so in der Pfalz und in den angrenzenden Gebieten. Hier zeigen sich Reflexe des alten ‑iu in Form von ‑i. Diese Flexionsendung findet sich darüber hinaus auch in einer Vielzahl von Dialekten außerhalb des Kartenausschnitts, z. B. im Südhessischen und im Alemannischen.

Die dialektalen Entwicklungen des Wortstammes werden an dieser Stelle nicht behandelt. Zum Abfall von n (schee usw.) sowie zum Wandel von n zu ng (sching usw.) vergleiche man die Karte 14 Wein.

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.