Rheinhessen

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Leute

Karte 11: Leute. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 40.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Der Norden und Nordwesten unseres Gebietes haben Anteil an einer Lautentwicklung, deren geographisches Zentrum der Kölner Raum bildet. Sie gilt deshalb allgemein als typisch kölnisch. Es ist hier die Rede vom Wandel der Konsonanten (Mitlaute) t und d zu k oder g nach bestimmten Vokalen (Selbstlauten). Einige Beispiele mögen das Phänomen illustrieren: Der Kölner sagt: Zick, schnigge,
rigge, Lück, Huck, wenn er Zeit, schneiden, reiten, Leute, Haut meint. Der Fachmann bezeichnet diese Lautentwicklung (deren Ursache noch nicht befriedigend geklärt ist) als Rheinische Velarisierung oder Rheinische Gutturalisierung. (Einen anderen Typus der Rheinischen Gutturalisierung stellt die Karte 14 Wein vor.) Am Beispiel von Leute zeigt die Karte die Verbreitung dieses Phänomens in unserem Dialektraum, wobei anzumerken ist, dass der Grenzverlauf von Wort zu Wort variieren kann. Die Formen Lück sowie Lick kommen zwischen westlich Prüm und der Ahrmündung vor. In der Westeifel schließen sich südlich Areale mit Mischformen an. Die Lickt- und Leckt-Variante haben sich in der Grenzzone herausgebildet, wo die auf k (Lick) sowie die auf t (Lait usw.) ausgehenden Varianten, die das restliche Gebiet des Kartenfeldes einnehmen, zusammentreffen.

Das Wort Leute lautet im Mittelhochdeutschen liute. (Die Buchstabenfolge iu wird ü ausgesprochen.) Der mittelhochdeutsche Vokal iu hat sich zu neuhochdeutsch standardsprachlich eu/äu entwickelt, so dass man heute Leute und – um weitere Beispiele zu nennen – Mäuse (mittelhochdeutsch miuse) sowie neun (mittelhochdeutsch niun) sagt. Das heißt: Aus dem einfachen Vokal iu (= ü) ist der Diphthong (Zwielaut) eu/äu entstanden. In den Dialekten unseres Gebietes hat sich altes iu zu verschiedenen Diphthongen entwickelt. Im Norden ist es zu öü geworden – westlich von Koblenz ist Löüt belegt. Südlich davon, den größten Raum des Kartenfeldes einnehmend, sind Lait und Läit verbreitet. In der Pfalz um Neustadt/ Weinstraße ist a in ai zu o „verdumpft“, was Loit ergibt. Um Mainz ist aus ai der Laut ää entstanden, wie die Form Läät belegt. Südlich Saarbrücken tritt der Wandel von mittelhochdeutsch iu zu einem Diphthong – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – nicht ein. Der Laut entwickelt sich lediglich zu i, was im Falle von Leute zu Liit führt. Als weitere Beispiele lassen sich nennen: Liis ‘Läuse’ und Hitt ‘Häute’. Das Areal mit erhaltenem einfachem Vokal setzt sich außerhalb des Kartenfeldes nach Süden und Osten fort. Es nimmt den gesamten deutschsprachigen Südwesten ein. Auch im äußersten Norden unseres Dialektraums hat sich kein Diphthong entwickelt. Es heißt dort Lüüs ‘Läuse’ und Hüüt ‘Häute’. Wir fassen mit diesen Formen südliche Ausläufer des sich nördlich anschließenden Areals mit unterbliebener Diphthongierung. (Vgl. zur parallelen Entwicklung von mittelhochdeutsch î die Karten 14 Wein und 25 weiß.)

Die rheinische Gutturalisierung geht mit Kürzung des Vokals einher, so dass es entgegen der regulären Entwicklung im Falle von Leute Lück und nicht etwa Lüük heißt. Südlich einer Linie etwa Prüm – Koblenz werden in den Dialekten die Vokale ü, ö, und öü (= standardsprachlich eu/äu) zu i, e, ai/äi. Nördlich der genannten Linie sagt man also z. B. Stückche ‘Stückchen’, Köpp ‘Köpfe’, Löüs (im Gebiet mit unterbliebener Diphthongentwicklung (s. o.): Lüüs) ‘Läuse’, südlich hingegen Stickche, Kepp, Lais oder Läis. Die Formen Lick(t), Lait, Liit usw. sind das Resultat dieses Vokalwandels. Aus i kann im Moselfränkischen e werden, was Leckt ergibt (vgl. auch z. B. deck ‘dick’).

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.