Rheinhessen

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Papier

Karte 34: Papier. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 86.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Der Ausdruck Papier gehört seiner Herkunft nach nicht zum Germanisch-Deutschen. Er ist aus altfranzösisch papier entlehnt. Diesem liegt lateinisch papyrus/papyrum aus griechisch pápyros (‘Papyrusstaude, daraus hergestellter Beschreibstoff’) zugrunde, das seinerseits wohl auf ein ägyptisches Wort zurückgeht.

Die Karte zeigt für unser Gebiet zwei Variantentypen. Im Rheinfränkischen liegt Papier vor mit den Lautformen Ba'bia und Bo'bia (mit „Erweichung“ von p zu b). Das Zeichen ' zeigt an, dass die Wortbetonung auf der folgenden Silbe liegt (Akzentverteilung also wie im Standarddeutschen). Im Moselfränkischen – das Übergangsgebiet zum Ripuarischen und den Mittelrhein ausgenommen – kommt Papeier vor, ebenfalls mit Akzent auf der zweiten Silbe. Die Varianten lauten: Ba'baia, Ba'bäia, Bo'baia und Bo'bäia.

Die Variantentypen Papier und Papeier resultieren aus unterschiedlichen sprachhistorischen Grundlagen. Die dialektalen Papier-Formen haben sich aus dem mittelhochdeutschen Wort papier entwickelt, das auch unserem standardsprachlichen Ausdruck zugrunde liegt. Für Papeier hingegen ist eine historische Variante mit gedehntem i anzusetzen, die sich regional wohl im Spätmittelhochdeutschen als papîr herausgebildet hat. Aus dem mittelhochdeutschen Vokal (Selbstlaut) î ist im Neuhochdeutschen der Diphthong (Zwielaut) ei (gesprochen: ai) entstanden, vgl. z. B. mittelhochdeutsch îsneuhochdeutsch Eis, mittelhochdeutsch zîtneuhochdeutsch Zeit. In den Dialekten des Kartenfeldes wird mittelhochdeutsch î in der Regel zu ai, äi oder (in der Pfalz) zu oi, also z. B. Ais/Äis/Ois, Zait/Zäit/Zoit. (Vgl. hierzu ausführlicher die Karten 14 Wein und 25 weiß.) Die Varianten Ba'baia, Ba'bäia usw. resultieren aus der Diphthongierung von mittelhochdeutsch î in papîr.

Die Karte führt beispielhaft vor Augen, welch wichtigen Beitrag die Dialektologie zur Rekonstruktion alter Sprachzustände und damit zur historischen Sprach­wissenschaft leistet. Auf Grund der heutigen Dialektverhältnisse ist es möglich, Erkenntnisse über historische dialektale Varianten und deren Verteilung im Raum zu gewinnen. Aus der Karte lässt sich ableiten, wie in mittelhochdeutscher Zeit papier und papîr areal verteilt waren, wobei natürlich berücksichtigt werden muss, dass Sprachgrenzen im Laufe der Sprachgeschichte sich verschieben können.

Bemerkenswert ist, dass das Diphthong-Gebiet bei Papier mit dem bei du (vgl. Karte 32) und mehr noch bei Uhr (vgl. Karte 33) in der räumlichen Struktur fast übereinstimmt.

Die Karte wird durch die folgenden Karten 35 Biene und 36 ich ergänzt. Auch diese dokumentieren Diphthongierung von teilareal vorliegendem mittelhochdeutschem î, allerdings bei jeweils unterschiedlicher Verteilung im Sprachraum.

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.