Rheinhessen

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Fest

In der neuhochdeutschen Standardsprache wird die Buchstabenverbindung st am Wortanfang scht gesprochen. Man schreibt z. B. stellen, Strumpf, sagt aber schtellen bzw. Schtrumpf. Das gilt auch für Zusammensetzungen wie abstellen und Wollstrumpf. Im Wortinnern und am Wortende hingegen wird st nicht scht gesprochen, vgl. z. B. Kasten, Lust und (du) machst. Die für die Standardsprache gültige Aussprachenorm spiegelt die in zahlreichen Dialekten herrschenden Verhältnisse wider. Zwei Areale weichen von der Regel ab. In den südwestdeutschen Dialekten (Pfälzisch, Schwäbisch usw.) wird st in allen Positionen – von gewissen Ausnahmen abgesehen – als scht artikuliert. Man sagt also schtelle ‘stellen’, Kaschte ‘Kasten’, Luscht ‘Lust’, (du) machscht ‘(du) machst’ usw. In Norddeutschland hingegen ist die s‑t-Aussprache generalisiert, also auch am Wortanfang vertreten: s‑tellen, S‑tein usw. Tabellarisch zusammengefasst und die sprachlichen Verhältnisse vereinfachend, bieten die Dialekte folgendes Bild:

Aussprache von st in den Dialekten
am Wortanfangim Wortinnern/am Wortende
Norddeutschland st st
Südwestdeutschland scht scht
übriges Gebiet (und Standardsprache) scht st

Karte 9: Fest. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 36.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Der nordwestliche Teil des Gebietes mit scht-Aussprache von st im Wortinnern und am Wortende ragt in unseren Dialektraum hinein. Die Karte zeigt die arealen Verhältnisse exemplarisch anhand des Wortes Fest (‘Feierlichkeit’). Die Fest/Fescht-Scheide verläuft, von der Obermosel westlich Saarburg kommend, nach Osten bis zur Nahe nordöstlich Birkenfeld und dann in mehreren Bogen an Kirn und Simmern vorbei bis zum Rhein bei St. Goar. Nördlich gilt Fest, südlich Fescht. Im weiteren Verlauf setzt sich die Grenze durch den Taunus nach Osten fort, dreht dann nach Süden und quert westlich von Mainz den Rhein. Nun wieder im Kartenbild erscheinend, verläuft sie in einem Bogen um Mainz herum, überschreitet abermals den Rhein und geht anschließend in Richtung München. Bei dem Fest-Gebiet um Mainz handelt es sich also nicht um eine Sprachinsel, wie die Karte auf den ersten Blick insinuiert, sondern um einen Ausläufer des Fest-Areals.

Die aktuelle Entwicklungstendenz im Dialekt der jüngeren Generation zeigt folgendes Bild: Das Fest-Areal um Mainz dehnt sich leicht aus. Offensichtlich ist das mehr dem stadtdialektalen Einfluss auf das Umland (Mainz hat Fest) als dem Vorbild der Standardsprache zuzuschreiben, wofür die Tatsache spricht, dass die Fest/Fescht-Linie ansonsten im Kartenfeld stabil bleibt. Auf Grund ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung haben Städte Vorbildcharakter für die Umgebung, und das gilt auch für die Sprache.

An der Ahr, im Übergangsgebiet des Moselfränkischen zum Ripuarischen, wird t in Fest abgestoßen. Es heißt dort Fess. Dieses sprachliche Phänomen ist charakteristisch für die Dialekte des Kölner Raums. Nach stimmlosen Reibelauten wird das End‑t getilgt, Beispiele: Loss ‘Lust’, Jeff ‘Gift’, Naach ‘Nacht’ usw.

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.