Worms in Rheinhessen

Der Rheinübergang bei Worms

Nibelungenbrücke bei Worms.[Bild: Horst Goebel]

Im Mittelalter hing die Bedeutung der Stadt Worms unter anderem mit ihrer Lage entlang wichtiger Land- und Wasserwege zusammen. So war das Rheinufer an dieser Stelle weitgehend hochwasserfrei und als Anlegestelle für den Schiffsverkehr gut geeignet. Die Existenz eines Fährbetriebes wird indirekt erstmals im Jahr 858 erwähnt, als König Ludwig der Deutsche (806-876) den Schiffern des rechtsrheinisch gelegenen Klosters Lorsch gestattete, zollfrei bei Worms vor Anker zur gehen. Es muss also zu diesem Zeitpunkt bereits einen institutionalisierten, mit der Eintreibung von Abgaben verbundenen Verkehr über den Rhein bei Worms gegeben haben. Zur Zeit des Zweiten Kreuzzuges (1147-49) konnte das aus Frankreich kommende Kreuzfahrerheer auf seinem Weg ins Heilige Land hier problemlos mit Hilfe von Schiffen über den Fluss setzen.

Ein nicht sehr wohlwollendes Bild der Wormser Fährleute zeichnet das um 1200 entstandene "Rosengartenlied", eine Variation des Nibelungenstoffes, in der ein riesenhafter Fährmann namens Norprecht von seinen Kunden nicht weniger als eine Hand und einen Fuß als Lohn für seine Dienste fordert. Die Durchführung des Fährverkehrs war im Mittelalter ein Privileg, das an Personen und Institutionen vergeben wurde, die ihrerseits Fährleute ("Fergen") mit der Abwicklung beauftragten. In Worms waren der Bischof, das Kloster Lorsch, die Herren von Dalberg, das Heilig-Geist-Spital, das Martinsstift und zwei Adelsfamilien Inhaber der "Fährgerechtigkeit". Gegen den Bau einer Rheinbrücke sprachen angesichts dieser Sachlage neben technischen auch wirtschaftliche Gründe, da die genannten Nutznießer nur ungern auf ihre Einnahmen aus dem Fährgeschäft verzichten wollten.

Stadtansicht von Sebastian Münster (1550).[Bild: gemeinfrei]

Die erste Wormser Fergenordnung, entstanden um das Jahr 1400, verpflichtete die ungefähr 15 ansässigen Fährleute dazu, stets mindestens zwei Fahrgelegenheiten an jedem Ufer bereitzuhalten. Zum Leben im Hafen gehörte auch ein Kran, der auf einer Stadtansicht von Sebastian Münster aus dem Jahr 1550 zu erkennen ist. Vom Rhein kommend, musste man noch zwei Brücken über die heute verschwundenen Rheinarme Gießen und Woog passieren, bis man vor dem Stadttor stand. Die Zahl der Fährleute scheint über die Jahrhunderte bemerkenswert konstant geblieben zu sein, denn noch im Jahr 1822 zählte des Großherzogtum Hessen in Worms nicht mehr als 15 Schiffer mit insgesamt 18 Fahrzeugen.

Zu diesem Zeitpunkt war Worms schon lange nicht mehr die stolze Reichsstadt, die sie im Mittelalter gewesen war. Die weitgehende Stadtzerstörung durch französische Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-97) hatte zwar die Hafenanlagen nicht nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen, wohl aber die Stadtmauer, die in der Folgezeit nicht wieder aufgebaut wurde. Als Frankreich das linke Rheinufer während der Revolutionskriege annektierte, verlor Worms seine Unabhängigkeit und wurde in das Département du Mont Tonnerre eingegliedert. Diese Wendung hinderte den Wormser Stadtrat erstaunlicherweise nicht daran, im Jahr 1798 bei den Pariser Behörden um Erlaubnis zum Bau einer Brücke zwecks besserer Anbindung an das rechte - also von Frankreich aus gesehen feindliche - Rheinufer nachzusuchen. Ob das Direktorium auf dieses Gesuch reagiert hat, ist nicht überliefert. Erst als Worms nach dem Sturz Napoleons und der darauffolgenden Neuordnung Europas im Jahr 1816 an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt kam, wurde der Bau einer Rheinbrücke wieder vorangetrieben, da sich nun die dringende Notwendigkeit ergab, die rechts- und linksrheinischen Gebiete des Fürstentums besser miteinander zu verbinden.

Fotostrecke zur Ernst-Ludwig-Brücke[Bild: Robert Franck]

Zu diesem Zweck wurde der Bau einer Schiffbrücke in Angriff genommen, die am 14. Juni 1855 im Beisein des Großherzogs und der Großherzogin eingeweiht werden konnte. Zur Feier des Tages wurden 101 Kanonenschüsse abgegeben und sämtliche Glocken der Stadt geläutet. Die Brücke erwies sich als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor, behinderte aber den Schiffsverkehr auf dem Rhein und war bei Hochwasser häufig nicht benutzbar. So arbeitete der Stadtrat auf den Bau einer festen Straßenbrücke hin. Nach langer Planungszeit erhielten schließlich die Firmen MAN und Bilfiger & Grün im Jahr 1896 den Zuschlag für das Großprojekt. Die Entwürfe für die neue Ernst-Ludwig-Brücke stammten von dem Wormser Stadtbaumeister Karl Hofmann, der auch für den Wasserturm und das Ludwigsdenkmal verantwortlich gezeichnet hatte. Beide Brückenköpfe waren dem im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstörten Mainzer Tor nachempfunden und galten von Beginn an als neue Wahrzeichen der Stadt. Am 26. März 1900 konnte die Brücke mit großem Pomp eingeweiht werden. Bereits ein halbes Jahr später wurde ihr eine Eisenbahnbrücke zur Seite gestellt.

Mit der Besetzung des Rheinlands nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Rhein abermals eine deutsch-französische Landesgrenze und die Ernst-Ludwig-Brücke eine Zollstation. Den Abzug der Franzosen feierte man 1930 in Worms unter anderem mit einem Blitzbesuch des Reichspräsidenten Hindenburg, der am Rheinufer vor Anker ging. Schon wenige Jahre später machten sich die ersten Kriegsvorbereitungen in der Stadt dadurch bemerkbar, dass die neoromanischen Brückentürme abgetragen wurden, um Plattformen für Flakgeschütze zu schaffen. Die Wehrmacht sprengte die Ernst-Ludwig-Brücke schließlich am 20. März 1945, um den Vormarsch der Alliierten zu erschweren. Nach dem Krieg stand man in erster Linie vor der Aufgabe, den Verkehrsweg über den Rhein möglichst schnell wieder herzustellen. Ästhetische Erwägungen spielten eine weniger große Rolle. Schließlich entschloss man sich zu einem Kompromiss: Der linksrheinische Torturm wurde wieder aufgebaut, der rechtsrheinische Stumpf dagegen abgerissen. Die Einweihung der "Nibelungenbrücke" fand am 30. April 1953 in Anwesenheit des Bundesverkehrsministers statt. Seit 2008 gibt es in Worms eine zweite, parallel verlaufende Straßenbrücke, die das in den letzten Jahrzehnten stark gestiegene Verkehrsaufkommen bewältigen helfen soll.

Nachweise

Verfasserin: Sarah Schrade
Verwendete Literatur:

  • Gerold Bönnen: Fähren, Häfen, Brücken - Worms und der Rhein bis zum Bau der Nibelungsbrücke 1953. In: Die neue Rheinbrücke in Worms - Festschrift zu ihrer Fertigstellung 2008. Herausgegeben vom Landesbetrieb Mobilität Worms und Stadtarchiv Worms. Worms 2008. S. 11-35.
  • Die Nibelungenbrücke in Worms am Rhein. Festschrift zur Einweihung und Verkehrsübergabe der neuen Straßenbrücke über den Rhein. Herausgegeben und gewidmet von dem Oberbürgermeister der Stadt Worms. Worms 1953.
  • Die Straßenbrücke über den Rhein bei Worms. In: Deutsche Bauzeichnung [1900]

Erstellt am: 31.07.2013

Aktualisiert am: 19.12.2014