0.Der Laubenheimer Park und sein Gestalter Heinrich Siesmayer
[Anm. 1]
Nur vorwärts, nicht verzagt, Nicht viel nach rechts und links gefragt, Mit Gott gewagt.
H. Siesmayer
- Abb. 1: Franz Heinrich und Nicolaus Siesmayer[Bild: Hermann Jäger: Die Gebrüder Siesmayer (1882)]
So lautete das Lebensmotto von Franz Heinrich Siesmayer, der am 26. April 1817 als zweitältester Sohn des Kunstgärtners Jakob Philipp Siesmayer aus Nieder-Selters, „Auf dem Sande“ bei Mainz, heute Mainz-Mombach, geboren wurde und am 22. Dezember 1900 in Frankfurt verstarb. [Anm. 2]
Siesmayer gilt als typischer Vertreter des „Gemischten Stils“, der die rein landschaftliche Gestaltung mit kleinteilig-ausstattungsreichen oder regelmäßigen Gartenteilen verband. Prächtige Wegeführungen mit wechselnden Perspektiven, Gehölzgruppierungen sowie Teich- und Wasseranlagen prägen seine Anlagen.
Er wuchs in Mainz, Wiesbaden, Offenbach und Groß-Karben auf. 1832 begann er eine Lehre bei der Gärtnerei Sebastian & Jacob Rinz in Frankfurt am Main, die er wegen guter Leistungen bereits nach anderthalb Jahren beenden konnte. 1840 gründete Siesmayer in Bockenheim bei Frankfurt am Main eine eigene kleine Gärtnerei. Nach dem Eintritt des Vaters und des Bruders Nicolaus (1815–1898) im Jahr 1842 wurde die Firma unter dem Namen Gebrüder Siesmayer geführt.
Sie legten u. a. den Frankfurter Palmengarten und den großen Kurpark in Bad Nauheim an. Als nach dem österreichisch-preußischen Krieg im Jahre 1866 Frankfurt und das Herzogtum Nassau von Preußen annektiert wurden, verkaufte Herzog Adolph von Nassau die in seinem Privatbesitz verbliebene Pflanzensammlung zusammen mit den Gewächshäusern und weltberühmten Wintergärten in Biebrich. Siesmayer, der zuvor einige Parks in Frankfurt, Eltville, Darmstadt und anderen Orten mitgestaltet hatte, wurde mit der Auflösung der Sammlung beauftragt. Ihm gelang es, die Frankfurter Gesellschaft für den Pflanzenankauf und für eine Idee eines Wintergartens zu gewinnen. Am 6. Mai 1868 bildete sich ein Komitee zum Erwerb des Biebricher Wintergartens. Dieses Datum gilt auch als der Gründungstag des Frankfurter Palmengartens, dessen erster Direktor Siesmayer von 1868 bis 1886 war.
In den Jahren 1870 bis 1880 nahm das Geschäft mit Garten-Neuanlagen stark zu. Auftraggeber waren vor allem gutsituierte Bürger, darunter viele Bankiers und Industrielle, wie die Familie Rothschild, Carl Geigy (Schweiz) und viele Adelige wie Prinz Alfred zu Löwenstein-Wertheim- Freudenberg oder die Freiherren Heyl zu Herrnsheim. Auch Städte und Kurorte gaben in dieser Zeit viele Stadt- und Kurparks bei den Gebrüder Siesmayer in Auftrag.
Dr. Heinrich von Brunck, Vorstandsvorsitzender der BASF, beauftragte die Gebrüder Siesmayer mit der Planung und Ausführung seines Schlossparks in Kirchheimbolanden, bis heute noch einer der schönsten Landschaftsparks Südwestdeutschlands.
Zu den bedeutenden Anlagen gehörten neben Städteparks und Zoologischen Gärten, wie z. B. in Elberfeld (Zoo Wuppertal), auch die Gartenanlagen bei der Kammgarnspinnerei in Kaiserlautern und die Neuanlage des Stadtparks in Mainz sowie dessen Erweiterung nach 25 Jahren.
2.1.Umber, Obstgarten in Laubenheim
In seinen Lebenserinnerungen berichtet Siesmayer auch über den Laubenheimer Park. Er gehörte zu den zahlreichen Anlagen, die in den 1870er bis 1880er Jahren geschaffen wurden:
„Herr Umber, ein reicher Spekulant in Gütern, kaufte sich in Laubenheim eine kleine Besitzung mit ansehnlichem Ackerland und Weinbergen an. Zu seinem bescheidenen Landhaus vor dem Städtchen erwarb er sich ein Areal von etwa 12 Morgen, früher, wenn ich nicht irre, städtische Gänseweide, und beauftragte mich, ihm ein Projekt für einen Obst- und Ziergarten vorzulegen. Ich entwarf ihm in seinem Sinne einen Obstgarten in landschaftlichem Stil, in dem anstatt Ziersträucher (Koniferen) nur größtenteils Obstbäume Verwendung fanden.
In Deutschland sind die Obstkulturen und Obstgärten nicht Hauptsache, wie in Frankreich. Es ist überhaupt sehr zu bedauern, dass unsere Gärtner nicht genug die Obstzucht kultivieren. Dieses Feld der gärtnerischen Tätigkeit wird immer noch zu stiefmütterlich behandelt. Hoffentlich werden bald einsichtsvollere Fachleute an die Stelle der alten Gärtner treten; denn nur jene sind im Stande eine rationelle Baumzucht einzuführen, nicht allein in dem eigentlichen Obstgarten, sondern allgemein zur Förderung der Landwirtschaft, der durch Obstzucht unberechenbare Vorteile in Aussicht stehen.
Das ganze Terrain des Umber’schen Gartens wurde – der Brückenübergang und die kleine Weiheranlage, an deren Ufern nur ganz spärliches Gehölz stand, ausgenommen – mit Fruchtbäumen bepflanzt, namentlich Birnen und Äpfeln in Pyramidenform. Die Wände bekamen Spaliere mit Pfirsich und Aprikosen; als Standbäume wurden Mirabellen, Zwetschgen usw. verwendet. Die übrigen Flächen sind gruppenweise mit Kirschen, Haselnüssen, Zellernüssen, Quitten, Mispeln etc. im landschaftlichen Stil angelegt. Diese bilden vermöge ihres freien Wuchses, da sie nicht geschnitten werden, prächtige und zierliche Laubgruppen, welche sich passend den Gehölzpartien anreihen. Sowohl in ihrer Blütezeit als in ihrem Wachstum machen dieselben auf jeden Besucher, Kenner und Laien, einen erfreulichen und ganz aparten Eindruck, der durch die muldenartige Formation des Bodens noch verstärkt wird. Herr und Frau Umber, schlichte und freundliche Leute, erzählen mir jedesmal, wenn ich sie besuche, von ihren reichen und prächtigen Obsternten, denen Jedermann Bewunderung zolle, sowohl in Bezug auf Sorten und Massen, als auch auf die enorme Größe der Frucht. Wäre es nun nicht lohnend für einen jeden praktisch und theoretisch gebildeten Gärtner diesem Beispiele zu folgen und die Obstkultur zu fördern, wie dies in Frankreich schon lange geschieht? Ich habe in den letzten Jahren außer diesem noch verschiedene andere Obstgärten in französischem Stil ausgeführt, welche allerwärts ungeteilten Beifall finden. Sie sind in der Form der Bäume und im Stil echt französisch und sehen infolge ihrer strengen Regularität, sowohl in Kreis- als gerader Form mit ihren scharfkantigen Buxeinfassungen allerliebst aus. In diesen Gärten befinden sich kunstgerecht gezogene Säulen- und Pyramidenbäume, Schnurbäume (Kordons), Spalierbäume, hochstämmige, halbstämmige und Fächerbäume; ferner Beerenobst als: Stachel- und Johannisbeeren, in Kugelform gezogen, Himbeeren, Haselnüsse, Quitten, Maulbeeren, freigezogen, an den für sie passendsten Stellen. Diese Art Obstgärten eigenen sich für Jedermann, da hiermit auch gleichzeitig Erdbeeren- und Gemüsekulturen verbunden werden können, namentlich, wenn der Gärtner nicht vergisst, dass man auch mit Gemüse durch die Wahl der Farbe, Höhe und Form recht viele, für das Auge gefällige Abwechslung erzielen kann. Ich kann daher dieses System nicht genug empfehlen.“ [Anm. 3]
Eine Obstanlage im echten französischen Stil wurde damals streng regelmäßig angelegt, angelehnt an die Barockgärten aus dieser Zeit. Der Laubenheimer Park war eine landschaftliche Obstgartenanlage und damit wirklich eine große Besonderheit. Vermutlich hat Siesmayer sie deshalb in seinen Lebenserinnerungen ausführlicher erläutert.
Leider geht aus Siesmayers Bericht über den Park nicht hervor, welcher „Umber“ den Park in Auftrag gegeben hat. In alten Schriften – wie auch in den „Lebenserinnerungen“ – wird von einem „reichen Spekulanten in Gütern“, aus heutiger Sicht ein Immobilienhändler, gesprochen, was durchaus auf Friedrich Umber (1804–1890), den Vater von Adolph (1849–1928) und Karl Umber (1845–1927), schließen lässt. Er wird 1852 im Zusammenhang mit dem Verkauf der Besitzungen des Grafen von Bassenheim als „Spekulant, Friedrich Umber aus Laubenheim …“ genannt. Leider ist das bisher noch ungeklärt.
Die Heimatforscher Eugen Caspary und Robert Spitzlay bezeichnen Heinrich Siesmayer als „großen Kunst- und Handelsgärtner [...] an der Wende zwischen feudal-privatwirtschaftlichem und bürgerlichkommunalwirtschaftlichem Zeitalter.“ [Anm. 4]
Vor 1927 – das genaue Datum ist nicht bekannt – wurde das Grundstück von der Familie Umber an die Familie Lange veräußert. Der Park blieb nach dem Verkauf weiterhin für die Laubenheimer Bevölkerung unzugänglich. Die früheste bekannte Fotografie stammt aus dem Jahr 1927 und zeigt einen Blick in den Park vom Kaffeeplätzchen aus. Dieses befand sich zwischen dem Wohnhaus und dem im nordischen Stil gebauten Holzhaus unter den vier Platanen, die es heute noch gibt.
Diese Gebäude waren beim Verkauf an die Familie Lange bereits vorhanden. Bei dem nordischen Holzhaus handelte es sich ursprünglich um das Haupthaus und das andere, kleinere Gebäude, das ehem. Pförtnerhaus, wurde nach dem 2. Weltkrieg zum Wohnhaus umgebaut.
Durch den Bau der Parkstraße 1938/39 wurde der Park, der ursprünglich bis zur Bahnlinie reichte, „durchschnitten“ und verlor ca. ein Fünftel seiner Fläche (vorher 25.000 m², danach ca. 20.000 m²).
25.000 m², danach ca. 20.000 m²). Bei dem schweren Bombenangriff am 1. Februar 1945 wurde der katholische Kindergarten ausgebombt und fand bis 1947 Obdach im Anbau des nordischen Holzhauses. Für die Kinder wurde ein Spielplatz mit Außentoilette abgetrennt und ein eigener Zugang von der Straße Im Brühl eingerichtet.
1952/53 wurde ein Teil des Parks an die Gemeinde Laubenheim verkauft. Den restlichen Teil konnte sie 1956 erwerben und machte den Park für die Laubenheimer Bürger zugänglich. Die Gebäude auf dem Grundstück wurden vermietet und erhielten 1970 im Zuge der Sanierung des Parks eine gemeinsame Zufahrt. Die evangelische Kirchengemeinde besaß im Park bis zur Eingemeindung ebenfalls ein Grundstück von ca. 3.300 m² im Bereich zu den Talstraßen hin. Geplant war ein großes evangelisches Zentrum mit Kirche, Kindergarten, Pfarrhaus und Küsterwohnung. Nach der Eingemeindung entschied die Stadt Mainz, dass der Park als Park erhalten bleiben solle. Die evangelische Gemeinde wurde durch einen Grundstückstausch entschädigt und konnte ihr Gemeindezentrum samt Pfarrhaus bauen.
Der mittlerweile verschlammte und verlandete Teich wurde nach der Eingemeindung aus Sicherheitsgründen zugeschüttet und die darüber führende Brücke abgerissen.
Für die Sanierung 2021 wurde von der Stadt Mainz ein Parkpflegwerk beauftragt, das die historischen Gestaltungen Siesmayers, soweit es möglich war, eingebunden hat, was sich u.a. in der Wegeführung zeigt. Der Wunsch vieler Laubenheimer Bürger, den Teich wieder herzustellen oder die Kontur mit Pflanzen kenntlich zu machen, konnte nicht berücksichtigt werden.
Seit vielen Jahrzehnten werden im Park neben dem Rebblütenfest, das weit über Laubenheim hinaus bekannt ist, auch die Kerb und weitere Feste gefeiert. Bereits 1963 fand ein Festwochenende der Sängervereinigung mit Weinlaube und Sektbar statt. An dem „Bunten Abend“ traten damals die „Nauheimer Mädche“ auf, die später als die „Jakob Sisters“ bekannt wurden. Man erzählt sich, dass bei diesem Fest auch manch einer unfreiwillig im Teich „baden“ ging.
Zur Geschichte des Laubenheimer Parks, der Familie Umber, den Söhnen Karl und Adolph sowie der evangelischen Kirche, deren Erbauer Adolph Umber war, werden weiterhin Informationen, Unterlagen, Bilder etc. gesucht. Ansprechpartner ist die Arbeitsgruppe Historisches Laubenheim.
Anmerkungen:
- Ich bedanke mich sehr herzlich bei Barbara Vogt, Gartendenkmalpflege, für die Informationen über Siesmayer. Zurück
- Das Bild der Geschwister stammt aus: Jäger, Hermann: Die Gebrüder Siesmayer. Ein Doppellebensbild. In: Deutsche Gärtner-Zeitung 6 (1882), S. 243–245, 258–259. Die Abbildung befindet sich auf S. 243. Zurück
- Aus meinem Leben – Lebenserinnerun- gen von Heinrich Siesmayer, Königl. Preuß. Gartenbau-Direktor und Großh. Hess. Hof-Garten-Ingenieur, Bocken- heim, 1892. Zurück
- Eugen Caspary; Robert Spitzlay: Franz Heinrich Siesmayer, 1817–1900. Der Le- bensweg eines großen Kunst- und Han- delsgärtners an der Wende zwischen feu- dal-privatwirtschaftlichem und bürgerlich-kommunalwirtschaftlichem Zeitalter. Selters 1983. Zurück