Rheinhessen

Begriffsauswahl:

Karte 77 ‘Bonbon’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 296.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Bonbon

Die im Atlasgebiet bis auf den nördlichen Teil Rheinhessens so gut wie durchgängig vorkommenden Bezeichnungen für den Bonbon sind die Dimi­nutivbildungen Gutschen (dialektal Gutsje u. ä.) und Gutsel. Die Distribution beider Diminutivtypen ist arealspezifisch. Nordwestlich einer Linie Zwei­brücken – Frankenthal findet sich das mitteldeutsche chen-Suffix, südöstlich davon das oberdeutsche l-Suffix. Die Wortformen basieren auf dem Simplex Guts ‘Bonbon, Sü­ßigkeit, Naschwerk’, einer Zusammenziehung aus (etwas) Gutes. Dieses ist eine Substantivableitung vom Adjektiv gut (aus germanisch *gōda ‘trefflich, gut’). Guts ist also eine vom Wohlgeschmack der Sache her motivierte Bildung. Das Gutschen-Gebiet reicht linksrheinisch bis etwa zur Mosel, ab dem Huns­rück ist es aber stark von Zuckerstein(chen)-Belegen durchsetzt.

Ein sprachliches Analogon zum autochthonen Gutschen/Gutsel stellt Bonbon dar, das Mitte des 18. Jh. aus dem Frzanzösischen entlehnt wurde. Das gleich­bedeutende französisch bonbon resultiert aus einer kindersprachlichen Reduplikation des Adjektivs französisch bon ‘gut’. Dieses ist aus gleichbedeutend lateinisch bonum ent­lehnt. Bonbon-Belege finden sich vor allem im nördl. Rheinhessen. Das Wort ist aus der Standardsprache übernommen worden. Die gemeldeten Formen stimmen allerdings nicht mit der standarddeutschen Aussprache überein, sie sind vielmehr an den Dialekt phonetisch angepasst und lauten: Bombo, Bombon sowie Bumbum.

Auf den Nordosten Rheinhessens ist Klumpen (dialektal Glumbe u. ä.) ein­schließlich des Diminutivs Klümpchen (dialektal Glimbche) beschränkt. Das Wort bezeichnet im Dialekt (wie im Standarddeutschen) zunächst eine zu­sammengeballte, formlose Masse (z. B. einen Butterklumpen) bzw. einen Brocken (z. B. einen Klumpen Blei). Die Übertragung des Ausdrucks Klum­pen in der Bedeutung ‘Brocken’ auf die Zuckerware ist durch deren ur­sprüngliche Form motiviert. Bei der Bonbonherstellung hatte man früher die eingekochte, mit aromatischen Geschmackszusätzen (Kräutern, Früchten usw.) versehene Zuckerlösung zum Auskühlen auf eine glatte Steinplatte ge­gossen und nach dem Erstarren in Stücke, eben Klumpen zerteilt. Das Wort Klumpen gelangte im 16. Jh. aus dem Niederdeutschen (mittelniederdeutsch klump(e) ‘Klumpen, unförmige Kugel, Haufen’) ins Hochdeutsche. Es geht zurück auf die Wurzel indogermanisch *gel- ‘(sich) ballen, Gerundetes, Kugeliges’.

Zuckerbackens (dialektal Zuggerbaggs) und Zuckerbibbel verweisen mit dem Bestimmungswort auf den Grundstoff von Bonbons. Aber nicht nur in diesen Fällen liegen Bildungen mit Zucker- vor. Vor allem bei den Bezeich­nungen für das Weihnachtsgebäck gibt es Komposita, die dieses Erstglied aufweisen, z. B. Zuckerbrot und Zuckerdings (vgl. die Karte 78.). Die Wort­geschichte von Zucker spiegelt den Weg der Zuckerrohrpflanze aus dem al­ten Indien über Vorderasien ins mittelalterliche Europa wider. Altindisch śárkarā ‘Sandzucker’, eigentlich: ‘Grieß, Geröll, Kies’ wird über persisch šäkär, arabisch sukkar, sizilianisch zuccaru zu italienisch zucchero. Aus Ita­lien gelangen die Sache und das Wort im 13. Jh. nach Deutschland. Als An­fang des 19. Jh. Anbau und Verbreitung von Rübenzucker einsetzen, wird die Bezeichnung auf diesen Sachbereich übertragen.

Der zweite Bestandteil von dialektal Zuggerbaggs stellt wohl eine Kontrak­tion des Wortes (Ge‑)Backenes (vgl. oben Guts) dar. Das Herstellen der Zu­ckerlösung durch Einkochen wird als Backen aufgefasst. Das nur für Hat­zenbühl (Hz) in der Südpfalz belegte Wort wird dort auch als Bezeichnung für das Weihnachtsgebäck verwendet (vgl. Karte 78. mit weiteren Erläute­rungen hierzu). Offensichtlich werden die beiden Arten des Naschwerks in dem Ort sprachlich nicht differenziert.

Zuckerbibbel ist eine mit l-Suffix gebildete Diminutivableitung von Zu­ckerpuppe, der hochsprachlich Zuckerpüpplein entspricht. Im Dialekt ist p zu b geschwächt und ü zu i entrundet. Puppe ist im 15. Jh. aus vulgärlateinisch puppa, einer Variante von lateinisch pūpa ‘kleines Mädchen, Puppe’ entlehnt worden. Die Wortzusammensetzung mit ‑bibbel lässt sich damit erklären, dass Bonbons früher auch in Puppenform hergestellt wurden.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

Nach oben