Rheinhessen

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Karte 30 ‘Hahn’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 142. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

Hahn

Die standardsprachliche Bezeichnung für das männliche Huhn ist Hahn. Dieses Wort kommt in verschiedenen lautlichen Ausprägungen (Hohn, Hah, Hahne usw.) auch in den Dialekten des Untersuchungsgebietes vor, und zwar überwiegend in dessen Westen und Süden. Hahn (germanisch *hanōn, althochdeutsch han(o), mittelhochdeutsch han(e)) lässt sich auf die indogermanische Wurzel *kann- ‘singen, klingen’ zurückführen, die u. a. auch griechisch ēïkanós ‘Morgenfrühe-Sänger’ (= Um­schreibung für Hahn) sowie lateinisch canere ‘singen’ zugrunde liegt. Der Vogel ist also nach seinem den Tagesanbruch anzeigenden Krähen benannt. Das Benennungsmotiv findet sich in vielen Sprachen. Man vergleiche etwa litauisch gaidȳs ‘Hahn’ mit litauisch gáida ‘Melodie, Gesang’ oder russisch petúch ‘Hahn’ mit russisch pet ‘singen’.

Bei den Ausdrücken Gockel (dialektal Goggl u. ä.) und Gickel (dialektal Giggel u. ä.) vermutet die Forschung lautnachahmenden Ursprung. Das akustische Vorbild liefert offensichtlich der Sammelruf des Hahns. Beide Wörter sind seit dem 16. Jh. in der Schriftsprache in verschiedenen Formen (guckel, gu­gel, gökel, gickel usw.) bezeugt, scheinen aber älter zu sein. Bereits früher, nämlich für das 15. Jh. ist die Zusammensetzung Gockelhahn (dialektal Guggel­hahn u. ä.) belegt, die sich im Untersuchungsgebiet nur selten neben noch seltenerem Hahnengockel (dialektal Hahnegoggl) findet. Gockel und Gickel sind zusammengesetzt aus der lautmalenden Wortwurzel Gock- bzw. Gick- und dem (nicht mehr produktiven) Wortbildungselement -el, das zur Ablei­tung von Nomina Agentis diente. Man vergleiche hierzu auch das veraltete Büttel ‘Gerichtsperson, Gemeindediener’, das Nomen Agentis zu germanisch *bend-a- ‘bieten’ ist. Bei den in anderen Dialektregionen (z. B. Bayern) vor­kommenden Bezeichnungen für den Hahn vom Typ Göcker liegt eine No­men-Agentis-Bildung mit dem Element -er vor, wie sie z. B. auch für Spre­cher zu sprechen oder Schwimmer zu schwimmen zu konstatieren ist. Die Karte zeigt, dass Gockel im gesamten Untersuchungsareal vorkommt, Gickel hingegen ist auf Rheinhessen beschränkt.

Das Wort Gockel hat Parallelen in anderen Sprachen. Zu vergleichen sind der mittellateinische lautmalende Ausdruck coccus und damit zusammenhängend frzanzösisch coq und englisch cock, alle mit der Bedeutung ʻHahn’.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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