Rheinhessen

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Karte 42.1 ‘Schluckauf’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 180. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

Schluckauf

Die am häufigsten vorkommenden Bezeichnungen sind Bildungen auf der Grundlage der Verben schlucksen/schlücksen und glucksen/glücksen. Diese stellen mit dem intensivierenden Suffixsen Erweiterungen des Wortstamms von schlucken bzw. glucken dar, wobei der Stammvokal mit oder ohne Um­laut vorliegt. Die Substantivbildung erfolgt einerseits durch Konversion (mit regelhaftem n-Abfall in den Dialektformen): Schlücksen (dialektal Schlickse u. ä.) sowie Schlucksen (dialektal Schluckse u. ä.). Das Genus ist überwiegend Maskulinum. Auf der anderen Seite erfolgt die Wortbildung durch ‑er-Ab­leitung: Schlückser (dialektal Schlickser u. ä.), Schluckser (dialektal Schlugser u. ä.) und Gluckser, Glückser (dialektal Glickser). Der Einzelbeleg Schlücker (dialektal Schlicker) ist auf der Verbbasis ohne ‑sen-Erweiterung, also schlücken ge­bildet. In allen Fällen ist der Umlautü- in den Dialekten regelhaft zu ‑i- ent­rundet. Schlucksau lässt sich nicht eindeutig bestimmen, ist aber womöglich eine scherzhafte Abwandlung von Schluckse(r) mit Anspielung an Sau, die Bezeichnung für das Schwein.

Das neuhochdeutsche Verb schlucken resultiert aus gleichbedeutend mittelhochdeutsch slucken. Im Althochdeutschen und in den anderen germanischen Sprachen ist das Wort nicht bezeugt. Verwandt ist griechisch lýzō ‘ich schlucke, schluchze’ ohne anlautendes s‑.

Das lautmalende Verb glucksen ist wie auch das mit ihm verwandte glu­ckern eine Bildung des Frühneuhochdeutschen. Beide Ausdrücke beziehen sich auf Vor­gänge, bei denen ein gluck-artiges Geräusch entsteht. Das ist vor allem dann der Fall, wenn eine Flüssigkeit durch eine Enge fließt. In den Dialekten des Untersuchungsgebietes, in denen als drittes noch das Verb glucksern hinzu­tritt, umfasst das Bedeutungsspektrum zum Teil auch Vorgänge, bei denen keine Flüssigkeit beteiligt ist. So bedeutet glucksen im Pfälzischen auch ‘hörbar aufstoßen; schluchzen; unterdrückt lachen’. Die drei Wörter sind Bildungen zu dem Schallverb glucken, das den Ruf der Henne beim Brüten und Locken der Küken abbildet (vgl. auch Karte 29.).

Die Wortbildung bei Hickser und Hicksen (dialektal Hickse u. ä.) entspricht dem Muster von Schlückser/Schluckser bzw. Schlücksen/Schlucksen. Die Grundlage bildet das Dialektverb hicksen ‘Schluckauf haben’, das mit dem Suffixsen eine Intensivbildung zum gleichbedeutenden hicken darstellt. Der Ursprung des Ausdrucks ist Lautmalerei. Auf expressiver Verdoppelung be­ruht Hickhick, das im Dialekt zu Higig verkürzt wird. Um eine Wortkreu­zung mit Schluckauf handelt es sich wahrscheinlich bei Hickauf.

Pipser (dialektal Bibbser u. ä.) sowie Pipsen (dialektal Bibse) stellen Bildungen zu Pips dar. Dieses Nomen bezeichnet im Dialekt zunächst eine Hühner­krankheit (so auch in der Standardsprache), sodann in Übertragung auch all­gemein eine menschliche Erkrankung sowie den Schluckauf. Pipser und Pipsen übernehmen die Bedeutungen des Simplex. Pips ist die niederrheini­sche Form von althochdeutsch pfipfiz, das aus lateinisch pītuīta ‘Verschleimung’ entlehnt wurde.

Der singuläre Beleg Goser lässt sich nicht deuten. Er findet sich auch nicht, wenn ich richtig sehe, in den Dialektwörterbüchern, die das Arbeits­gebiet des Atlasses abdecken.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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