Rheinhessen

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Karte 34.1 ‘Pferd’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 152. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

Pferd

Das Wort Gaul, das im Kartengebiet dominiert, stellt in den Dialekten die allgemeine, wertfreie Gattungsbezeichnung des Pferdes dar. In der neuhochdeutschen Standardsprache hingegen hat Gaul die negative Bedeutung ‘minderwertiges Pferd’. Die Pejorisierung setzt bereits im 14./15. Jh. ein, kann sich aber nicht durchgängig etablieren. Der Ursprung des Wortes liegt im Dunkeln. Mittelhochdeutsch gūl bedeutet ‘männliches Tier, Eber, Pferd, Ungeheuer’. Wahrscheinlich ist zunächst das männliche Pferd gemeint. Ab dem 15. Jh. gilt der Ausdruck als geschlechtsneutrale Gattungsbezeichnung. Luther verwendet Gaul für ein stattliches Pferd.

In der Westpfalz beginnt das Pferd-Gebiet, das sich nach Westen und Norden fortsetzt. Die Dialektbelege weisen regelhaft unverschobene Formen auf: Perd u. ä. Das Wort, das im Althochdeutschen als parafred/ pfarifrit usw. sowie im Mittelhochdeutschen als pherit/ pfert usw. vorliegt, ist aus mittellateinisch paraverēdus entlehnt. Der Ausdruck – wörtlich übersetzt: Nebenpferd – bezeichnete das auf Neben­strecken eingesetzte Zusatzpferd zum Postpferd (mittellateinisch verēdus). Mit mittellateinisch para- ist griechisch pará ‘bei, neben’ zu vergleichen. Mittellateinisch verēdus steht in Verbindung zum Keltischen, vgl. kymrisch gorwydd ‘Pferd’, das auf die Wurzel indogermanisch *reidh- ‘fahren, in Bewegung sein’ (vgl. neuhochdeutsch reiten) zurück­geht.

Erhobene Einzelbelege sind: Ross, Mähre sowie Kloben, wobei die zwei erstgenannten als Varianten von Gaul genannt wurden. Die Herkunft von Ross, das über mittelhochdeutsch ros, ors ‘Pferd’ auf gleichbedeutend althochdeutsch (h)ros (vgl. auch englisch horse) zurückführt, ist nicht klar. Das Wort ist als neutrale Gat­tungsbezeichnung in den oberdeutschen Dialekten verbreitet. In früherer Zeit war der Geltungsbereich um einiges ausgedehnter, wenn er nicht sogar den gesamten deutschen Sprachraum umfasste. Dafür sprechen u. a. die im Rheinland heimischen Ausdrücke Rossameise ‘große Waldameise’ und Rosskamm ‘Striegel’. Ross ist auch ein Wort der Standardsprache, aber wie im Fall von Gaul liegt semantische Spezialisierung, hier in die entgegenge­setzte Richtung vor. Der Ausdruck bezeichnet ein stattliches, edles Pferd. Er gehört der gehobenen Stilebene an und ist kein Element des Alltagswort­schatzes.

Die Bedeutungsgeschichte von Mähre lässt sich in drei Abschnitte ein­teilen. Bis zum 16. Jh. bezeichnet das Wort ohne wertenden Sinn die Stute, dann vom 16. bis zum 18. Jh. auch allgemein das Pferd. Gegen Ende des 17. Jh. kommt die Bedeutung ‘mageres, verbrauchtes Pferd’ auf. Das Pfälzische Wörterbuch (IV, 1123-1124) gibt den Inhalt ‘altes, mageres, abgetriebenes Pferd’ für große Teile der Pfalz an, die Bedeutung ‘Stute’ ist nur im Bliesgau (südöstli­ches Saarland) vertreten. Ein Hinweis auf die Verwendung als wertneutrale Gattungsbezeichnung findet sich nicht. Der althochdeutsche Vorläufer meriha ‘Stute’ ist die weibliche Form zu althochdeutsch marah- ‘Pferd’ (nur in Zusammensetzungen be­legt). Ein dem entsprechendes Verhältnis wurde für das Germanische erschlossen: *marhī/- ‘Stute’ steht *marha- ‘Pferd’ gegenüber. Die weitere Herkunft lässt sich nicht eindeutig bestimmen.

Den Inhalt von Kloben (dialektal Glowwe) gibt das Pfälzische Wörterbuch (IV, 312-313) wie für Mähre mit ‘mageres, abgetriebenes, altes Pferd’ an. Es handelt sich hier um eine Bedeutungsübertragung. Im eigentlichen Sinne versteht man in der Pfalz unter Kloben einen dicken Eisenhaken. Das Wort hat sich aus germanisch *klubōn ‘Spalte’ über mittelhochdeutsch klobe ‘gespaltener Stock zum Festhalten, Fessel, Riegel’ entwickelt. Es ist eine Substantivbildung zu dem oberdeutschen Verb klieben ‘spalten’ aus germanisch *kleuba- mit gleicher Bedeutung. Die indogermanische Grundlage ist *gleubh- ‘schneiden, schnitzen, abschälen’. Die Bedeutungsübertragung auf ‘Pferd’ erfolgte vermutlich nicht von ‘dicker Eisenhaken’, sondern von der mittelhochdeutschen belegten Bedeutung ‘gespaltener Stock’, denn die hervortretenden Knochen eines mageren Pferdes erinnern eher an Stöcke denn an (dicke) Ei­senhaken.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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