Rheinhessen

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Karte 78 ‘Weihnachtsgebäck’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 298.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Weihnachtsgebäck

Vergrößern Sie die Legende durch Anklicken.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Gefragt wurde ganz allgemein nach dem Wort für das Weihnachtsgebäck. Die im heutigen Standarddeutschen übliche Bezeichnung Plätzchen (für Singular und Plural) findet sich auch im Untersuchungsgebiet, und zwar fast ausschließlich in den Dialekten Rheinhessens. Gemeldet wurde die Plural­form Plätzjer u. ä. Das Wort ist möglicherweise aus der Hochsprache über­nommen worden und hat das dort sonst übliche (Weihnachts‑)Guts ver­drängt. Plätzchen ist Diminutiv zu Platz, das, seit dem 14. Jh. belegt, in vie­len Dialekten verschiedene flach geformte Gebäckarten bezeichnet. Eine eindeutige etymologische Bestimmung des Wortes ist bisher nicht gelungen. Vielleicht gibt es eine Verbindung zu dem Verb platzen. Motivgebend könnte das Aufplatzen des eingeschnittenen Backwerks in der Ofenhitze sein.

In der Zusammensetzung Butterplätzchen benennt das Bestimmungs­wort einen der Hauptbestandteile des Backprodukts. Parallele Bildungen stellen die Komposita mit Zucker- dar (Zuckerbackes usw.), die unten be­handelt werden. Neuhochdeutsch Butter, spätalthochdeutsch butira, ist aus spätlateinisch būtȳrum ent­lehnt. Dieses wiederum geht auf griechisch boútȳron ‘Kuhquark’ zurück.

Zu den im Untersuchungsareal sehr häufig vorkommenden Ausdrücken gehört das als Kollektivum verwendete Guts (Neutrum). Auf dem Nomen beruhen die pluralisch gebrauchten Diminutivbildungen Gutschen (dialektal Gutsjer u. ä.) und Gutsel. Die Diminutive bezeichnen in den Dialekten auch den Bonbon, so dass teilweise Polysemie vorliegt. Man vergleiche hierzu den Kommentar zur Karte 77., der Erläuterungen zu dem aus (etwas) Gutes hervorgegangenen Wort enthält. Die drei Ausdrücke kommen auch in Kom­posita mit dem Element Weihnacht- vor (Weihnachtsguts usw.).

Etliche der gemeldeten Wörter enthalten die Wurzel back‑. Die Kol­lektiva Zuckergebackenes und Buttergebackenes sind analoge Bildungen mit Hervorhebung jeweils einer anderen der grundlegenden Backzutaten durch das Bestimmungswort. Die zweiten Glieder von Zuckerbackes sowie Zuckerbacks stellen wahrscheinlich Kontraktionen von ‑gebackenes dar, das eine Substantivierung des Partizip II von backen ist. (Zu Zucker aus italienisch zucchero vgl. Karte 77. Bonbon.) Bei Gebäcks und Gebäcksel handelt es sich um Kollektivbildungen mit dem Präfix Ge- und dem Suffixs bzw. ‑sel. Nach diesem Muster konstruierte Ableitungen finden sich zahlreich in den pfälzischen Dialekten, vgl. z. B. Gemachs ‘Getue, Betrieb’, Gelaufs ‘Hin- und Herlaufen, unnötiges Laufen’, Gestopfsel ‘unfachmännisch Zusammen­gebautes’, Geschreibsel ‘schlechte Handschrift, schlecht Geschriebenes’, Geschnäuksel ‘Naschwerk’. Mit Gebäck hat die Standardsprache eine ver­gleichbare Sammelbezeichnung. Das Wort kommt im 15. Jh. zunächst mit der Bedeutung ‘das, was auf einmal gebacken wird’ vor, seit dem 19. Jh. ist ‘feines Backwerk’ belegt. Das Motiv für die Wortbildungen mit ‑back- ist dem Herstellungsprozess entnommen. Neuhochdeutsch backen weist über althochdeutsch bahhan/ backan auf gleichbedeutend germanisch *bak‑/ *bakk- zurück. Die weitere Her­kunft ist unklar.

In der Südpfalz wird das Weihnachtsgebäck als Brot bezeichnet. Neben den einfachen Diminutiva Brötchen und Brötle sind die Zusammensetzun­gen Zuckerbrot, Zuckerbrötle sowie Weihnachtsbrötel vertreten. Die Be­nennung ist damit zu erklären, dass die Form mancher Weihnachtsplätzchen an kleine Brote erinnert. Die historische Grundlage von neuhochdeutsch Brot ist germanisch *brauda‑. Die weitere etymologische Herleitung bereitet Schwierigkeiten.

Im Südwesten des Arbeitsgebietes wird die Bezeichnung für das Weih­nachtsgebäck mit dem allgemeinen, inhaltlich unscharfen Wort Ding gebil­det, wobei die lexikalisch-semantische Determinierung durch Zucker- er­folgt: Zuckerding(e)s. Das Zweitglied ‑ding(e)s mit auslautendem ‑(e)s stellt die in den Nominativ gewechselte Genitivform dar.

Mit dem Ausdruck Pfeffernüsse wird genaugenommen eine bestimmte Sorte von Weihnachtsgebäck benannt. Offensichtlich wurde die Bezeich­nung aber in zwei der erhobenen Ortsdialekte auf die Gesamtheit des weih­nachtlichen Backwerks übertragen. Die Grundlage der eigentlichen Pfeffer­nüsse ist Lebkuchenteig, aus dem nussförmige Gebäckstücke gefertigt wer­den. Das Grundwortnüsse bezieht sich deshalb wohl auf die Form des Naschwerks. Über die Verwendung von Nüssen sagt es zunächst nichts aus. Das Wort Pfeffer bezeichnete früher nicht nur das scharfe Gewürz, sondern auch eine mit anderen pikanten Gewürzen (Piment, Ingwer, Zimt usw.) zu­bereitete Soße. Mit dieser aromatischen Lösung wurde u. a. der Teig für manches Weihnachtsgebäck gewürzt (vgl. auch den Ausdruck Pfefferku­chen). Die Heimat der Pfefferpflanze ist Indien. Den Weg des Gewürzes nach Mitteleuropa spiegelt die Wortgeschichte wider. Am Anfang steht altindisch pippalī ‘Beere, Pfefferkorn’, das ins Griechische als pēperi entlehnt wird. Von dort gelangt das Wort ins Lateinische. Aus lateinisch piper ‘Pfeffer’ wird durch Entlehnung althochdeutsch pfeffar mit gleicher Bedeutung.

Weihnachtsgebäck wird nicht nur von Hand geformt. Verschiedene Sorten werden mit Hilfe kleiner Backformen zu Herzen, Sternen usw. ausge­stochen. Aus dieser Tätigkeit ergibt sich die Bezeichnung Ausgestochenes, die eine Substantivierung des Partizips II von ausstechen ist. Das mit dem Präfix aus- versehene Verb stechen ‘mit einer Spitze zustoßen’ gehört zum germanischen Erbwortschatz, für den gleichbedeutend *stika- rekonstruiert wurde.

Das Substantiv Konfekt kommt im Untersuchungsareal mit zwei Bele­gen jeweils als Wortvariante vor. Es hat erst im 20. Jh. hier und da in den Dialekten Fuß gefasst. Der Ausdruck stammt ursprünglich aus der Apothe­kersprache. Mittelhochdeutsch confect ‘zubereitete Arznei, Medikament’ bezeichnete ins­besondere eingezuckerte oder eingekochte Früchte, wie sie zu Heilzwecken eingesetzt wurden. Das Wort ist aus gleichbedeutend mittellateinisch confectum ent­lehnt, dem im Mittellateinischen substantivierten Partizip Perfekt Passiv von lateinisch con­ficere ‘fertigmachen, zubereiten’. Konfekt bedeutet also wörtlich ‘das Zube­reitete’. Im Sinne von ‘Zuckerwerk, Backwerk’ etabliert sich der Ausdruck im 16. Jh.

Das englische Wort cakes, der Plural zu cake ‘kleiner Kuchen’, wurde im 19. Jh. ins Deutsche übernommen und später zu Keks eingedeutscht. Die Plural-Bedeutung ging verloren. Englisch cake hängt mit germanisch *kōkōn- ‘Kuchen’ zu­sammen. In den Dialekt wurde Keks aus der Standardsprache entlehnt.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

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Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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