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Handfeger
Bei den Bezeichnungen des Handfegers ist das Untersuchungsareal des Atlasses lexikalisch dreigeteilt. Der Westen weist Zusammensetzungen mit dem Zweitglied ‑bürste auf (nur einmal ist das Wort als Simplex vertreten). Der Südosten hat Kehrwisch, und im restlichen Gebiet dominiert Besen, das alleine oder – meistens – als Grundwort eines Kompositums vorkommt.
Im Bürste-Gebiet (dialektal Berscht u. ä.) herrscht die Zusammensetzung Handbürste vor. Dreck- und Kehrbürste sind wie das Simplex Bürste jeweils einmal belegt. Die Bestimmungswörter dienen hier wie bei den noch zu behandelnden Komposita der Präzisierung. Das Nomen Bürste ist seit dem 12. Jh. überliefert. Es gehört etymologisch zu Borste ‘steifes Haar’, das sich wie Bart auf indogermanisch *bhar‑, *bhor- ‘Hervorstechendes, Borste, Spitze’ zurückführen lässt.
Das Substantiv Wisch kommt in der ursprünglichen Bedeutung ‘Bündel’ in der gegenwärtigen Standardsprache kaum vor. In vielen Dialekten jedoch wird das Wort in diesem Sinn noch heute verwendet. Meistens bezieht es sich auf ein Bündel Stroh, Getreide, Kräuter usw. Im Mittelhochdeutschen bedeutet wisch ‘Strohbündel’. Den Ursprung stellt die Wurzel indogermanisch *ṷei- ‘drehen, biegen’ dar. Unter Wisch wurde zuerst ein aus Stroh oder biegsamen Ruten gedrehtes Bündel verstanden, das als Flurzeichen, später auch als Fackel (15. Jh.) und als Strohbesen (16. Jh.) Verwendung fand. Der Zusatz Kehr- in Kehrwisch dient der Spezifizierung von ‑wisch, das auch z. B. in Strohwisch, Brimmenwisch ‘Ginsterbesen’, Würzwisch ‘geweihter Strauß aus Würzkräutern’ Gebindearten bezeichnet. Das pfälzische Kehrwisch-Areal setzt sich nach Südosten ins Oberdeutsche fort.
Im Besen-Gebiet überwiegt an Zahl das Kompositum Handbesen. Zweithäufigster Belegtyp ist das Simplex Besen. Beide kommen auch als die Diminutive Handbesenchen und Besenchen vor. Besen weist in den arealen Varietäten am Wortende überwiegend an Stelle von ‑n den Konsonanten ‑m auf (wenn der auslautende Konsonant nicht – wie in der Südpfalz – generell abfällt). Es heißt also dialektal Besem, Handbesem, Besemche, Handbesemsche. Die Dialekte bewahren mit ‑m den ursprünglichen Laut, der sich über mittelhochdeutsch bes(e)m(e) bis althochdeutsch bes(a)mo zurückverfolgen lässt. Die Etymologie des Wortes ist unklar. Vielleicht ist die Wurzel indogermanisch *bhes- ‘fegen, reinigen’ anzusetzen.
Neben dem singulären Beleg Staubbesen (dialektal Staabbesen) kommt als weitere Zusammensetzung Kehrbesen (Dialektbeleg: Kehrbese u. ä.) vor. Bemerkenswert ist, dass das letztgenannte Kompositum ausschließlich im Kehrwisch-Gebiet erscheint. Möglicherweise handelt es sich hier um eine neuere Entwicklung, bei der eine Wortkreuzung von Kehrwisch und dem benachbarten Handbesen erfolgt ist, wobei das großflächig vertretene zudem durch die Standardsprache gestützte Grundwort ‑besen die Komponente ‑wisch ersetzt hat. Interessant ist die Verteilung der Kehrbesen-Belege und zweier von Westen ins Kehrwisch-Gebiet eingedrungener Handbesen-Belege. Sie sind Orten zuzuordnen, die nahe an einer Fernstraße liegen, die die Südpfalz mit den rheinischen (Industrie-) Zentren (Wörth, Karlsruhe) verbindet.
Das Zurückweichen von Kehrwisch zugunsten von (Hand-)Besen lässt sich außerdem für ein anderes Teilgebiet nachweisen. Vor mehr als 75 Jahren hat Bertram (1937, 155) die Nordgrenze zwischen den beiden Worttypen ermittelt. Sie verlief damals, wenn man die Belegorte des vorliegenden Atlasses als Bezugspunkte nimmt, am Rhein beginnend zwischen Ludwigshafen und Altrip (Ar), nördlich Mutterstadt (Mu) und Gönnheim (Gö), südlich Wachenheim (Wa), nördlich Haardt (Ha) und Appenthal (Ap). Die aktuelle Karte zeigt, dass die Kehrwisch-Nennungen heute weiter südlich beginnen. Beachtenswert ist, dass die wenigen Handfeger-Meldungen gerade aus der Übergangszone zwischen Besen und Kehrwisch kommen. Handfeger ist das standardsprachliche Wort. Es ist weder im Pfälzischen Wörterbuch noch im Südhessischen Wörterbuch als Dialektausdruck verzeichnet. Offensichtlich weichen die Sprecher im Grenzareal auf den Standard aus, weil sie unsicher bezüglich der geltenden dialektalen Norm sind.
Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.