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Karte 6.1 ‘Brombeere’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 50. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

Brombeere

Der bei weitem größte Teil der in der Karte vertretenen Ausdrücke lässt sich auf Brombeere zurückführen, auch wenn das etlichen Formen auf den ersten Blick nicht anzusehen ist. Verschiedenartige lautliche Entwicklungen haben eine Vielzahl von Varianten hervorgebracht, wie weiter unten zu zeigen sein wird. Brombeere bedeutet wörtlich ‘Beere des Dornstrauchs’. Die erste Komponente der Zusammensetzung geht auf das Substantiv mittelhochdeutsch brāme (aus althochdeutsch brāmo/ brāma) mit der Bedeutung ‘Dornstrauch’ zurück. Das Wort ist in die neuhochdeutsche Standardsprache nicht überkommen und existiert heute nur noch in dem Kompositum. Indogermanische Grundlage ist möglicherweise die Wurzel *bher- ‘hervorstechen; Kante, Spitze, Ecke’.

Das Grundwortbeere, dessen Herkunft ungeklärt ist, lautet althochdeutsch beri, mittelhochdeutsch ber, so dass die historischen Kompositumsvarianten entsprechend als althochdeutsch brāmberi und mittelhochdeutsch brāmber überliefert sind. Der Vokal ‑o- im heutigen Brombeere ist damit zu erklären, dass eine Dialektform mit zum ‑o- ver­dumpften ‑a- zum Wort der neuhochdeutschen Standardsprache geworden ist (vgl. auch z. B. neuhochdeutsch ohne aus mittelhochdeutsch āne).

In den Dialekten des Erhebungsareals kommt am häufigsten Brombeere (dialektal Brombeer u. ä.) vor. Daneben gibt es mit hellem Vokal im ersten Wortteil Brimbeer, Brembeer u. ä. Es wird angenommen, dass hier lautliche Anlehnung an Brimme ‘Besenginster’ erfolgt ist. Dieses Substantiv – mittelhochdeutsch brimme – stellt eine Ablautform zu mittelhochdeutsch brāme dar. Alle übrigen mit Br- oder Bl- beginnenden Belege sind phonetisch mehr oder weniger veränderte Varianten der Vollform Brombeer oder Brimbeer. Zur Brombeer-Gruppe gehören neben Blomer auch Brumbele und Brummele (Pl.), beide mit He­bung von ‑o- zu –u‑, sowie Blambeer mit erhaltenem mittelhochdeutschem ā. Den Di­phthong ‑äu- weist die Diminutivform Bräumelsche auf. Zur Brimbeer-Gruppe sind alle Ausdrücke zu zählen, die in der ersten Silbe einen hellen Vokal aufweisen, also Bremer, Breeme, Brembel, Bleemer usw.

Im Fall von Blomer, Bleemer und Blamber wechselt ursprüngliches ‑r- der anlautenden Konsonantengruppe Br- zu ‑l- (Bl-). Der Wandel wird mit Dissimilation erklärt. Dadurch wird vermieden, dass zweimal der gleiche Laut (r) artikuliert wird. (Da die Bezeichnung für die Brombeere im All­tagsleben überwiegend im Plural gebraucht wird, bleibt das ‑r- der zweiten Silbe vor der Pluralmarkierung ‑e erhalten, vgl. Blomere (Pl.) usw.) Ein komplementärer Fall von Dissimilation liegt bei Brumbele, Brembel, Brummele, Bräumelsche vor. Hier wird das ‑r- von ‑beere zu ‑l- dissimi­liert.

Ebenfalls als Dissimilation ist der Ersatz von ‑b- durch ‑d- im zweiten Teil von Bräämderre (Pl.) zu betrachten. (Dem Atlas wurde nur die Plural­form gemeldet, der Singular lautet gemäß dem Pfälzischen Wörterbuch (I, 1245): Bräämder.) Somit wird dem zweifachen Vorkommen von b – jeweils im Silbenanlaut – ausgewichen.

Bei einem Teil der zum Typ Brombeer/Brimbeer gehörenden Ausdrü­cken ist das zweite ‑b- geschwunden. Der Lippenverschlusslaut hat sich an den vorangehenden Lippenlaut ‑m- vollständig angeglichen. Die durch die totale Assimilation entstandenen Formen sind: Bremer, Breeme, Bremme (Pl.), Blomer, Bleemer, Brummele (Pl.) und Bräumelsche.

Die dialektalen Zusammensetzungen Dornbeer, Dernerbeer und Dern­beer – ins Standardsprachliche übertragen: Dorn‑, Dörner‑, Dörnbeere – sind Kürzungen aus Bremerdornbeer bzw. Bremerdern(er)beer. Als Bre­merdorn wird der Brombeerbusch bezeichnet. Es handelt sich hier um eine verdeutlichende Wortbildung, die erfolgt ist, als den Sprachbenutzern nicht mehr bewusst war, dass im ersten Teil des Ausdrucks ein Wort für ‘Dorn’ enthalten ist (s. o.).

Bei Heckenbeere (Beleg: Heggebeer) liegt ein Parallelfall zu Dorn‑/ Dörn(er)beere vor. Wie Bremerdorn (s. o.) so wurde auch Bremerhecke als verdeutlichende Zusammensetzung zur Bezeichnung des Brombeerstrauchs gebildet. Aus dem umständlichen Kompositum Bremerheckenbeere ist durch Weglassen des ersten Gliedes Heckenbeere geworden.

Die erste Komponente von Schwarzbeere bezieht sich auf die dunkle Farbe der Frucht. Das Kompositum stellt eine Verkürzung aus Schwarz­himbeere dar. Dieser Ausdruck unterscheidet die Frucht von der botanisch verwandten roten Himbeere, die im Dialekt Hember u. ä. heißt.

Bei dem einmal belegten Humber handelt sich hier um eine lautliche Variante von Himbeere. Wie Brom- so kommt auch Him- in der neuhochdeutschen Stan­dardsprache nicht allein und nur in Kombination mit ‑beere vor. Das mittelhochdeutsche Kompositum lautet hierzu hintber. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Zusammensetzung aus (dem heute veralteten) Hinde ‘Hirschkuh’ und Beere, jedoch ist das Benennungsmotiv unklar. Aus dem mittelhochdeutschen Kompositum entwi­ckelt sich durch t-Ausfall und Assimilation von ‑n- zu ‑m- vor ‑b- neuhochdeutsch Him­beere. Hinde folgt aus indogermanisch ḱemtā- ‘die Geweihlose’.

Dialektal Katzdoub, Katzedouwe (Pl.) – typisiert: Katzentappe(n) – bedeutet ‘Katzenpfote(n)’. Es wird vermutet, dass das Wort auf die Brombeere über­tragen wurde, weil ihre Stacheln den Krallen der Katze ähneln. Tappe ‘Pfote, Tatze; Schlag mit der Pfote’ ist eine lautmalende Bildung, die seit dem 14. Jh. belegt ist und heute nur noch in den Dialekten vorkommt. Von dem Sub­stantiv sind das Verb tappen ‘plump auftreten/gehen, sich vorwärtstasten’ sowie das Adjektiv täppisch ’schwerfällig, plump, ungeschickt’ abgeleitet, die beide auch in der Standardsprache vorkommen.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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