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Karte 63 ‘Kamm’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 252.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Kamm

Für das mit Zähnen versehene Gerät zum Ordnen und Säubern der Haare gibt es in der neuhochdeutschen Standardsprache die Bezeichnung Kamm. Der gleiche Ausdruck mit der Lautvariante Komm ist auch in den Dialekten des Untersu­chungsgebietes verbreitet. Das Wort kann man über die mittelhochdeutschen Varianten kambe, kamme, kam(p) bis ins Althochdeutsche zurückverfolgen, in dem es kamb(o) heißt. Als germanische Form ist *kamba- erschlossen worden. Das Wort lässt sich mit altindisch jámbha- ‘die Zahnreihen’ und griechisch gómphos ‘Zahn’ in Verbin­dung bringen. Der Kamm wird demnach als eine Aufeinanderfolge von Zäh­nen aufgefasst. Für Mutterstadt (Mu; südwestl. von Ludwigshafen) ist neben Strehl die Zusammensetzung Haarkamm (dialektal Hoorkamm) belegt. Das No­men Haar ist im 8. Jh. als althochdeutsch hār bezeugt. Die germanische Form lautet *hǣra-. Die weitere Herkunft ist ungewiss.

Strähl (dialektal Strehl u. ä.) ist im 13. Jh. als mittelhochdeutsch strÏl überliefert. Das Wort hängt etymologisch mit dem Verb althochdeutsch strālen ‘kämmen’ zusammen, das wahrscheinlich mit dem Nomen althochdeutsch strāla ‘Pfeil, Blitzstrahl’ verwandt ist. Althochdeutsch strālen bedeutet also ursprünglich, wenn Zusammenhang mit althochdeutsch strāla besteht, ‘mit dem Pfeil bearbeiten’. Unter dieser Voraussetzung kann man folgern, dass zum Kämmen – vielleicht ging es zunächst auch mehr um das Entwirren der Haare – Pfeile verwendet wurden. Der Dialekt von Hinz­weiler (Hr; nordöstl. von Kusel) hat das Kompositum Haarsträhl (Beleg: Hoorstreel).

Das Südhessische Wörterbuch (V, 1500) kennzeichnet Strähl für Rheinhessen als weit verbreitet, aber veraltend. Dem vorliegenden Wortatlas liegen nur noch vier Belege aus dem südwestl. Teil vor. Valentin (1934, 112) ermittelt das Verb strählen ‘kämmen’ noch in der unmittelbaren Umgebung von Mainz. Mittlerweile hat der von der Standardsprache gestützte Ausdruck Kamm al­tes Strähl aus Rheinhessen fast gänzlich verdrängt. Diese Entwicklung ist ohne Zweifel dem sprachlichen Einfluss der Metropolregion Rhein-Main zu­zuschreiben, zu deren Einzugsbereich Rheinhessen gehört. Das Pfälzische Wörterbuch (VI, 662) vermerkt, dass Strähl 1928 in der gesamten Pfalz vertreten war, aber bereits dazumal von Kamm stark bedrängt wurde. Die Erhebungen dieses Atlasses zeigen, dass Strähl derweil in der Pfalz zwischen Ludwigshafen und Kirchheimbolanden vollständig durch Kamm ersetzt wurde. Offensichtlich diffundiert das neue Wort von Rheinhessen in das Nachbargebiet. Ansonsten ist in der Pfalz noch Strähl verbreitet, allerdings nicht flächendeckend. Kamm ist auf dem Vormarsch, zwar nicht frontal, aber punktuell. In zahlrei­chen Fällen treten beide Wörter noch nebeneinander als Varianten auf. Es spricht alles dafür, dass das gegenwärtige variative Stadium einstmals zu Gunsten von Kamm beendet werden wird.

Bierbach (Bb; westl. Zweibrücken) meldet Haarstab (dialektal Hoorstaab). Das Pfälzische Wörterbuch kennt das Wort nicht. Möglicherweise hat die Gewährsperson die Frage missverstanden. Der Mittelrheinische Sprachatlas hat 1984 in Bierbach für den Basisdialekt Strähl erhoben.

Altrip (Ar; südl. Ludwigshafen) hat Zinken (dialektal Zinke). Das Wort – althochdeutsch zinko – gehört etymologisch zu Zinne, das über althochdeutsch zinna auf germanisch *tenda- ‘Spitze’ zurückgeht. Weiteres ist unklar. Vielleicht besteht Zusam­menhang mit indogermanisch *dont- ‘Zahn’. Die Zinken sind eigentlich die Zähne des Kamms. Vielleicht wurde die Frage von der Gewährsperson falsch verstan­den. Das Pfälzische Wörterbuch (VI, 1620-1621) verzeichnet unter dem Lemma Zinken die Bedeutung ‘Kamm’ jedenfalls nicht.

Einige Orte melden – und das überwiegend als Variante – den Ausdruck Lausrechen oder Läuserechen (dialektal Lausreche bzw. Laisreche). Nach Ausweis der einschlägigen Dialektwörterbücher handelt es sich hierbei um eine scherzhafte Bezeichnung des Kamms. Offensichtlich wollten einige In­formanten mit diesem zusätzlichen Beleg die Originalität der dialektalen Wortbildungsmöglichkeiten demonstrieren. Die sprachschöpferische Phanta­sie hat hier, angeregt durch die Ähnlichkeit zwischen Kamm und Rechen, die Bezeichnungen für das Gartengerät und die lästigen Kopfhautparasiten auf originelle Weise zusammengebracht. In Schifferstadt (Sf; nördl. Speyer) ist auch das Simplex Rechen (neben Strähl) belegt.

Striegel bezeichnet im neuhochdeutschen Standard ein gezähntes Gerät mit Griff zum Reinigen des Fells bestimmter Haustiere. Der Ausdruck kommt in dieser Bedeutung auch in den Dialekten des Untersuchungsgebietes vor. Darüber hinaus hat er nach Ausweis des Pfälzischen Wörterbuches (VI, 710) und des Südhessischen Wörterbuches (V, 1546) die scherzhafte Zweitbedeutung ‘Kamm’. In diesem Sinne ist das Wort als Striggel in Kallstadt (Kl; nördl. Bad Dürkheim) als Variante neben Kamm vertreten. Der althochdeutsche Vorläufer strigil ist aus lateinisch strigilis ‘Schabeisen’ entlehnt. Dieses ist eine Bildung zu lateinisch stringere ‘streichen, abstreifen’.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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