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Karte 87 ‘Mehlschwitze’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 330.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Mehlschwitze

In der Alltagsküche wird zum Eindicken von Soßen und Suppen Mehl­schwitze verwendet. Diese wird hergestellt, indem man Weizenmehl in Fett anbräunt und anschließend mit Wasser, Brühe oder Milch ablöscht.

Die Bezeichnung Mehlschwitze ist auch in den Dialekten des Untersu­chungsraums verbreitet, seltener kommt das Simplex Schwitze vor. Das (Grund‑)Wort ist vom Verb schwitzen rückgebildet. Die Ableitung erfolgt von der übertragenen Bedeutung des Verbs: ‘Flüssigkeit, Feuchtigkeit ab­sondern’ (vgl. dazu z. B. das Nomen Schwitzwasser). Die Entwicklung des Inhalts ‘in Fett bräunen’ wird folgendermaßen erklärt: Scharf angebratenes Fleisch scheidet Fett ab, es „schwitzt“. Das Verb schwitzen wird in diesem sachlichen Kontext umgedeutet zu ‘stark erhitzen’ und dann auch auf Nah­rungsmittel übertragen, die beim Bräunen keine Flüssigkeit abgeben, also nicht „schwitzen“ wie z. B. Zwiebeln oder Mehl. Die einmal vorkommende Komposition Mehlschmitze lässt sich nicht eindeutig analysieren. Vielleicht liegt eine lautliche Spielart von Mehlschwitze vor.

Das Nomen Mehl führt über gleichbedeutend germanisch *melwa- auf die Wurzel indogermanisch *mel- ‘zerreiben, mahlen’ zurück, die auch dem Verb neuhochdeutsch mahlen zugrunde liegt. Mehl hat also die ursprüngliche Bedeutung ‘das Ge­mahlene’.

Das Rösten des Mehls in Fett bei der Zubereitung der Mehlschwitze ist das Motiv für die Wortbildungen, die auf dem Verb (ein)brennen basieren. Es sind dies: Einbrenne (dialektal Inbrenn u. ä.), das Diminutiv Einbrennchen, das Kompositum Mehlbrenne sowie die Ableitungen mit dem Suffixsel: Einbrennsel (dialektal Oibrenzel u. ä.) sowie Brennsel (vgl. hierzu mit der glei­chen Endung Füllsel, Häcksel usw.) Das zugrundeliegende Verb brennen hat hier die Bedeutung ‘rösten, mit Zufuhr von Hitze behandeln’ (vgl. z. B. Kaffee/Mandeln brennen).

Die Mehlschwitze kann als eine Art Teig aufgefasst werden. Das spie­geln die Bildungen mit Teig wider. Gemeldet wurden: Teigel (dialektal Dägel), Teigelchen (dialektal Dägelche u. ä.) sowie die Komposita Mehlteigel (dialektal Mähldägel u. ä.) und Mehlteigelchen (dialektal Mähldägelsche u. ä.). Alle Aus­drücke sind Diminutive entweder mit ‑el oder dem doppelten Verkleine­rungssuffix ‑elchen. Teig gehört zu der Wurzel indogermanisch *dheiǵh- ‘kneten’. Die Ursprungsbedeutung des Substantivs ist demnach ‘das Geknetete’. Auf die teigige Konsistenz der Mehlschwitze weist das Kompositum Mehlpappe (dialektal Mehlbapp) hin. Das Grundwort ist ein lautmalerischer Ausdruck der Kindersprache und bezeichnet im eigentlichen Sinn den Brei. Das Wort ist als papp(e), pepp(e) im 15. Jh. nachweisbar, doch wahrscheinlich älter.

Geschmälztes ist wahrscheinlich gekürzt aus geschmälztes Mehl. Der Ausdruck verweist auf das Fett der Mehlschwitze. Das Wort ist das substan­tivierte Partizip II des Verbs schmälzen ‘mit Schmalz zubereiten’, einer Ab­leitung von Schmalz ‘ausgelassenes tierisches Fett’. In den Dialekten wird auch die ausgelassene Butter so bezeichnet. Das Nomen gehört etymologisch zu dem Verb schmelzen ‘durch Wärmezufuhr flüssig werden, zerfließen’, das über gleichbedeutend germanisch *smelta- wahrscheinlich auf indogermanisch *sem- ‘gießen’ zurückgeht.

Bräune (dialektal Broi mit regelhaftem ‑ne-Abfall, vgl. auch Zäh ‘Zähne’) ist abgeleitet von dem Verb bräunen im Sinne von ‘rösten’. Das Verb (althochdeutsch brūnen) ist eine Bildung zu dem Adjektiv braun. Dieses führt auf die Wurzel indogermanisch *bher- ‘braun’ zurück, die auch in den Wörtern neuhochdeutsch Bär und Biber vor­liegt. (Die Tiere sind also nach der braunen Tönung ihres Fells benannt.) Der Ausdruck Bräune bezieht sich auf die bräunliche Färbung des angerösteten Mehls.

Schweißel (dialektal Schwäsl) ist ein Substantiv mit der Diminutivendung ‑el. Es ist abgeleitet von dem Verb schweißen. In den Dialekten ist teilweise die ursprüngliche Bedeutung des Wortes bewahrt. Althochdeutsch sweiӡen hat den In­halt 1. ‘Schweiß vergießen’ und 2. ‘braten, rösten’. Schweißel ist demnach ‘das Geröstete’. In der neuhochdeutschen Standardsprache sind beide Bedeutungen unter­gegangen. Die erste wird von dem Ausdruck schwitzen abgedeckt. Das Verb schweißen weist heute nur noch die bereits für das Mittelhochdeutsche belegte Bedeutung ‘Metallteile in Weißglut verbinden’ auf.

Bei der Verbindung geröstetes Mehl (dialektal gereeschdes Mehl) liegt das gleiche Benennungsmotiv vor wie bei Schweißel. Das Attribut geröstetes ist das Partizip II zu rösten. Das Verb – althochdeutsch rosten, mittelhochdeutsch rœsten – ist von dem Nomen Rost ‘Gitter’ abgeleitet und bedeutet zuerst ‘auf dem Rost braten’.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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