Osthofen in Rheinhessen

Zur Geschichte von Osthofen

von Jonathan Bugert

Von der Römerzeit zur Fränkischen Herrschaft

Luftbild von Osthofen[Bild: Alfons Rath]
Blick auf Osthofen von denen den Ort umgebenden Weinbergen aus.[Bild: IGL-Bildarchiv]

Die früheste schriftliche Nennung des Ortes Osthofen findet sich in einer Urkunde des Lorscher Codex von 784. In dieser Urkunde wird unter anderem Osthofen, damals noch unter dem Namen „Ostowa“, von Gerold von Anglachgau und seiner Frau Imma, den Schwiegereltern Karl des Großen, dem Kloster Lorsch geschenkt. Das heute eingemeindete Mühlheim wird sogar schon 767 schriftlich erwähnt. Die Gegend von Osthofen, wo der Seebach in den Rhein mündet, war jedoch schon sehr viel früher ein beliebter Siedlungsplatz. So deuten archäologische Funde östlich des heutigen Dorfgebietes auf Siedlungspuren aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. hin. [Anm. 1]

In der Zeit um Christi Geburt wurden die römischen Legionen aus Innergallien an den Rhein verlegt und beeinflussten die dortigen Siedlungen maßgeblich. Die nicht weit entfernt bei Eich liegende Furt über den Rhein machte das Seebachtal als Marschweg der römischen Legionen relevant. Doch auch in Osthofen selbst sind viele Spuren der römischen Zeit bekannt. So wurden an verschiedenen Stellen um das Ortsgebiet herum römische Gräber gefunden, deren Grabbeigaben teilweise auf das 1. Jahrhundert n. Chr. datiert werden und damit zu den frühesten römischen Funden in der Region gehören. [Anm. 2] Die verschiedenen Fundstellen deuten darauf hin, dass in der Gemarkung Osthofen römische villae rusticae lagen. Zeugnisse römischer Bauwerke fanden sich vor allem am Mühlheimer Hof, an der Neupforte und dem nördlichen Ufer des Seebachs. Nachdem die Römer die Rheinlinie um 400 n. Chr. aufgaben, folgte jeweils eine kurze Herrschaft der Burgunder und Alemannen. Nach Chlodwigs Sieg über die Alemannen 496 zogen sich diese zurück und das Gebiet um Worms wurde in das fränkische Reich eingegliedert.

Im 6. Jahrhundert gehörte Osthofen damit zu Austrien, einem der Teilreiche des Fränkischen Reiches mit der Hauptstadt Metz. Der Name des Ortes geht wahrscheinlich auf diesen fränkischen Einfluss zurück und stammt aus der Benennungstradition eine Gruppe von Orten, die um eine Königspfalz liegen nach den jeweiligen Himmelsrichtungen zu benennen. Osthofen, das benachbarte Westhofen und „Nordhofen“, das heutige Gundersblum, würden sich daher der merowingischen Königspfalz in Worms-Neuhausen zuordnen lassen und gehörten damit wahrscheinlich zum alten fränkischen Königsgut. [Anm. 3]

Mittelalter

Nordseite der Evangelischen Bergkirche in Osthofen
Nordseite der im 11. Jahrhundert erbauten Bergkirche[Bild: P. Schmelzle [CC BY-SA 2.5]]

Schon bald nach der Inbesitznahme durch die Franken entstand eine Kapelle auf dem Osthofener Goldberg, die dem Heiligen Remigius, Bischof von Reims und Taufvater Chlodwigs (Heiligsprechung 550 n. Chr.), geweiht war. Im 11. Jahrhundert entstand hier eine dreischiffige Pfarrbasilika mit Turm über dem nördlichen Seitenschiff und geschlossenem Chor. Der benachbarte Gutshof wurde wohl im 9. Jahrhundert befestigt und bildete den Grundstock aus dem sich die Osthofener Burg entwickelte. Die erste schriftliche Nennung dieser Burg findet sich 1195 als Kaiser Heinrich VI. seinen Vogt Heinrich von Wartenberg beauftragte, der Domkirche zu Worms das Öffnungsrecht der Osthofener Burg zu erteilen. Nach allgemeiner Annahme war der Hof der Sitz der königlichen, später kaiserlichen, Vögte. In einer Fehde zwischen den Osthofener Einwohnern und dem Wormser Bischof Landolph 1241 wurde die Vogtsburg von den Wormsern belagert und komplett zerstört

Die Benediktinerabtei Hornbach ist seit 1153 als Besitzer von Fronhöfen in Osthofen urkundlich belegt, jedoch ist anzunehmen, dass diese auch schon früher in Osthofen Besitztümer hatte. Gemeinsam mit dem Liebfrauenstift in Mainz, welches ebenfalls seit dem 12. Jahrhundert Gut in Osthofen besaß, hatte das Kloster Hornbach die Gerichtshoheit in Osthofen inne. Die Vogtei des Ortes gehörte ab dem 12. Jahrhundert dem Kaiser, der damit verschiedene Adlige belehnte. So hatten nacheinander die Herren von Wartenberg, die Grafen von Zweibrücken, sowie die Grafen von Leiningen und deren Vasallen von Randeck, im Verlauf des späten 12. und der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Vogtei inne.

1260 wurde die Vogtei an Eberhard Ware von Ehrenberg, einem Wormser Ritter, verliehen. Dieser befand sich 1268 im Streit mit den Inhabern der Fronhöfe in Osthofen, vor allem dem Liebfrauenstift in Mainz, da er ungewöhnliche Abgaben gefordert hatte. Zwar wurde dieser Streit beigelegt, jedoch flammte dieser 1269 erneut auf, als der Vogt erneut Abgaben zu erpressen begann. Bischof Eberhard von Worms zog ihn daraufhin zur Verantwortung; er musste die Geschädigten Inhaber um Verzeihung bitten und sich verpflichten von solchen Forderungen abzusehen.

1342 belehnte der Abt des Klosters Hornbach den Domprobst Friedrich von Leiningen und seinen Bruder, den regierenden Grafen Friedrich VII. von Leiningen mit Dorf und Gericht Osthofen. 1349 wurden sie auch als Obervögte der Besitztümer des Wormser Domstifts eingesetzt. Ab 1401 begann das Kloster Hornbach seine Besitztümer in Osthofen zu verkaufen. 1435 gelangte so der Klosterhof mit seinen Leuten und Kirchensatz in Osthofen in den Besitz des Pfalzgrafen Ludwig III. 1468 wurde dann die gesamte Vogtei Osthofen als ein Lehen von Bischof Rheinhard von Worms an den Pfalzgrafen verliehen. Damit gehörte Osthofen der Kurpfalz an, was erst im Jahre 1798 endete. [Anm. 4]

Frühe Neuzeit

Die Reformation war ab dem Jahr 1545 in der Kurpfalz in vollem Gange und bis 1556 waren die meisten Osthofener Bürger zum reformierten Glauben übergetreten. Die Pestwellen des 16. Jahrhunderts (1539, 1553, 1562, besonders stark 1596/97 und 1605/06) dezimierten die Bevölkerung des Dorfes jedoch enorm. Die Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) brachten keine Erleichterung.  Im Gegenteil wurde das Dorf 1621 kurzzeitig von den kaiserlichen Truppen besetzt und geplündert. Kurz darauf brannten die Truppen des protestantischen Grafen Ernst von Mansfeld die Ortschaft nieder, damit sich die kaiserlichen Truppen nicht noch einmal dort verschanzen konnten. Ab 1642 bis zum Kriegsende 1648 war Osthofen damit menschenleer. Als der Dreißigjährige Krieg endete kehrten nur ein Siebtel der früheren Bevölkerung zurück. Eine Masseneinwanderung aus weniger stark vom Krieg betroffenen Gebieten Europas sorgte dafür, dass im Jahr 1666 wieder etwa 500 Menschen in Osthofen lebten. Die verheerende Pestwelle dieses Jahres tötete jedoch mit etwa 256 Menschen mehr als die Hälfte der Bewohner.

Die französischen Raubkriege, vor allem der Holländische Krieg (1672 – 1679), trafen die Bewohner Osthofens erneut sehr hart. So wurde die Gemeinde 1676, zusammen mit Westhofen, von der Armee des Vicomtes de Turenne niedergebrannt. Die BewohnerInnen suchten in Worms Schutz. Der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688 – 1697) sorgte für eine allgemeine Fluchtbewegung aus der Kurpfalz. Ende 1698 wurden die Geflohenen von der kurpfälzischen Regierung, unter Androhung von Enteignung, aufgefordert zurückzukehren. Die Bevölkerungslücken, die so zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und dem Beginn des 18. Jahrhunderts durch Pest und Kriege entstanden waren, wurden durch EinwanderInnen aus Österreich, der Schweiz, Luxemburg, den Niederlanden und den rechtsrheinigen deutschen Gebieten gefüllt. Während direkt nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg nur 39 rückkehrende Haushalte gezählt wurden, was etwa 200 Menschen entsprach, nahm die Bevölkerung Osthofens in den kommenden Jahren deutlich zu. So wohnten im Ort 1722 bereits 787 Einwohner, 1787 sogar 1727 Personen in 364 Familien. [Anm. 5]

Am 10. Oktober 1792 kamen die französischen Revolutionstruppen im Zuge des Ersten Koalitionskrieges (1792 – 1797) nach Osthofen und brachten ihr Gedankengut und ihre Parole „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ mit. Die anfängliche Begeisterung wurde durch Requisitionen und Einquartierungen erheblich gedämpft. Im Zeitraum von Oktober 1792 bis April 1796 waren in Osthofen abwechselnd preußische, französische und kaiserliche Truppen untergebracht, die meistens von der Dorfgemeinschaft verpflegt werden mussten.

1798 wurde das linksrheinische Gebiet offiziell von Frankreich annektiert. Osthofen wurde Teil des Departement Mont-Tonnerre im Canton Bechtheim. Auf französische Anordnung hin stellte die Gemeinde am 21. Januar 1798 einen sogenannten Freiheitsbaum auf den Platz vor das Rathaus. Als demonstratives Zeichen wurde zu diesem Anlass auch das alte kurpfälzische Wappen über dem Eingang des Rathauses weggemeißelt. Doch das Ende des Krieges bedeutete nicht, dass die entstandenen Probleme Osthofens gelöst waren. So betrugen die Lasten die Osthofen in der Kriegszeit (Oktober 1792 – 1. Mai 1797) geleistet hatte 27.112 Gulden an Geldleistungen, 43.700 Gulden an Frondiensten, Plünderungen und Erpressungen, sowie 156.546 Gulden an Feld- und Gebäudeschäden. 1804 beliefen sich so die Gemeindeschulden noch immer auf 94.308 Gulden und konnten nur langsam abgetragen werden. [Anm. 6]

In der Nacht vom 24. auf den 25. Januar des Jahres 1809 löste eine massive Schneeschmelze eine Überschwemmung des Seebachs und des Ortes aus. Da das Stadttor Wormser Tor geschlossen war, konnten die Wassermassen nicht in die außerhalb der Mauern gelegenen Gebiete abfließen, sodass nach kurzer Zeit der gesamte innerörtliche Bereich in Bachnähe unter Wasser stand. Als Lehre aus dieser Überschwemmung wurde das Wormser Tor abgerissen und der „Neue Graben“ als Verlängerung des Baches und als Überschwemmungsschutz gebaut. [Anm. 7]

Nach dem Wiener Kongress gehörte Osthofen ab 1816, zusammen mit dem linksrheinischen Gebiet um Bingen, Alzey, Worms und Mainz zu den Gebieten der Großherzöge von Hessen-Darmstadt, die sich fortan „zu Hessen und bei Rhein“ nannten. Damit endete zwar die französische Herrschaft, die Lage der OsthofenerInnen wurde aber nur langsam verbessert. Eine Auswanderungswelle (etwa 1849 – 1861) erreichte 1853 ihren Höhepunkt, als mit insgesamt 146 Personen, etwa 7% der Bevölkerung auswanderten. Ursache, warum viele Personen, teilweise mit Genehmigung und teilweise ohne, die Gemeinde verließen, waren unter anderem hohe Steuern, Strafen, Schulden und der Militärdienst. [Anm. 8]

Weinbergshaus und Miniaturburg Leckzapfen in Osthofen
Die Miniaturburg und Weinberghaus Leckzapfen wurde 1891 im Weinberg Weißheimer errichtet. Das restaurierte Bauwerk ähnelt dem Märchenschloss Lichtenstein. [Bild: Immanuel Giel [CC BY-SA 4.0]]

Im selben Jahr 1853 begann jedoch durch den Bau der Hessischen Ludwigsbahn zwischen Mainz und Mannheim eine Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs für Osthofen. Der Bau der ersten Fabriken im Dorf, sowie die Veränderung der landwirtschaftlichen Struktur zu immer größeren Feldern sorgten unter anderem dafür, dass auf der Liste der Höchstbesteuerten im Landkreis Worms des Jahres 1854 gleich 20 Osthofener Betriebe zu finden waren. Dieses wirtschaftliche Wachstum spielte sicher einen Faktor in der baulichen Erweiterung des Dorfes gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wodurch neben verschiedenen prunkvollen Villen in der Schwerdstraße auch die repräsentativen Weinbergshäuser entlang der Bahnlinie, im Stile kleiner Burgen und Schlösser errichtet wurden.

Das 20. Jahrhundert

Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg scheint in Osthofen durch eine allgemeine Zufriedenheit geprägt gewesen zu sein. Nach dem Sieg über Frankreich 1870/71 hatte sich das Kaiserreich etabliert und eine friedliche Zeit folgte, in der eine patriotische Grundstimmung vorherrschte. Osthofen hatte sich zu einem Eisenbahnknotenpunkt in der Umgebung entwickelt und der wirtschaftliche Aufschwung machte die Gemeinde wohlhabend. Im Jahr 1900 hatte der Ort 3707 EinwohnerInnen verschiedenster Konfessionen.

Der Beginn des Ersten Weltkriegs am 28. Juni 1914 wurde zunächst mit Begeisterung aufgefasst und auch ca. 350 Osthofener Bürger verpflichteten sich für das Kaiserreich zu kämpfen. In Osthofen selbst wurde gegen Ende 1914 ein Lazarett eingerichtet, das in der gesamten Kriegszeit durchgehend Verwundete behandelte. Wie auch in den Kriegen der Vergangenheit wurden immer wieder Truppenregimenter in Osthofen einquartiert. Die wohlhabenden Osthofener schienen zumindest zu Beginn des Krieges aber in der Lage gewesen zu sein, die dadurch entstandenen Kosten zu bewältigen. Durch verschiedene Kriegsanleihen und Spenden von mehreren Millionen Reichsmark unterstützte die Ortschaft die Kriegsbemühungen des deutschen Kaiserreiches. Der Krieg endete dennoch mit einer Niederlage und nach Kriegsende am 8. November 1918 begann die Besetzung des linken Rheinufers durch französische und italienische Truppen. [Anm. 9]

In der Zeit der Weimarer Republik (1918 – 1933) mussten zunächst die finanziellen Schwierigkeiten bewältigt werden, in die der Krieg die Ortschaft letztlich doch gestürzt hatte. In den Wahlen der Nationalversammlung von 1919 stimmten die etwa 2.000 wahlberechtigten OsthofenerInnen noch vor allem für die Deutsche Volkspartei (804 Stimmen) und die Sozialdemokratische Partei (836 Stimmen). Bis 1933 änderte sich diese Wahlverteilung allerdings durch die wachsende Popularität der NSDAP. In der hessischen Landtagswahl 1932 erhielt die NSDAP mit 1302 Stimmen beinahe 50% der Osthofener Stimmen, ein höherer Anteil noch als in Gesamt-Hessen (44%). Die Wahl Hitlers zum Reichskanzler 1933 wurde in Osthofen weitestgehend positiv aufgefasst. Die Osthofener Nationalsozialisten feierten die Reichskanzlerschaft mit einem Fackelzug durch die Stadt. Im März 1933 wurde die Sturmabteilung (SA) Osthofen gegründet.

Gedenkstätte KZ-Osthofen
Eingang der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Osthofen[Bild: Wikipedia-Nutzer "Mahabalaindia" [CC BY-SA 4.0]]

Am 1. Mai 1933 ordnete der Staatskommissar für das Polizeiwesen in Hessen Dr. Werner Best offiziell die Eröffnung des ersten Konzentrationslagers Hessens in Osthofen an. Werner Best galt als Experte für die Bekämpfung politischer Gegner und hatte mit den Boxheimer Dokumenten, die Pläne für eine gewaltsame Machtübernahme der NSDAP beinhalteten, bereits die öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Durch die Veröffentlichung der Boxheimer Dokumente 1931 durch Wilhelm Schäfer wurde Best wegen Hochverrat angeklagt, wegen Mangel an Beweisen jedoch nicht verurteilt. Die ganze Affäre erregte jedoch die Aufmerksamkeit Adolf Hitlers, der ihm in der Folgezeit eine steile Karriere in der Partei und dem Polizeiwesen ermöglichte.

Das Osthofener Lager wurde zwar erst im Mai offiziell eröffnet, die NSDAP des Ortes hatte es allerdings bereits im März dieses Jahres in der ehemaligen Papierfabrik errichtet und fast die gesamte SPD-Gemeindefraktion ohne rechtliche Grundlage dort eingesperrt. Am 1. Mai bestand das Lager also schon fast zwei Monate und mindestens 250 Personen waren bereits dorthin verbracht worden. Der Osthofener SS-Sturmbannführer Karl d’Angelo wurde als Lagerleiter ernannt. Im Herbst wurde der zunächst von der SA durchgeführte Wachdienst von SS-Männern aus Sonder- und Wachkommandos aus Darmstadt und Offenbach übernommen. Das Lager wurde als Umerziehungslager deklariert und war durchgängig von 80 bis 200 Personen belegt, die hauptsächlich aus politischen Gegnern verschiedener Parteien und einigen Juden zusammengesetzt waren. Insgesamt 1600 Gefangene sind heute namentlich bekannt. Das KZ in Osthofen war kein Vernichtungslager, wie etwa das Lager in Ausschwitz, dennoch war die Lage der Gefangenen nicht einfach. Die ehemalige Papierfabrik war zunächst nicht für diese Nutzung ausgelegt und die ersten Gefangenen schliefen auf dem nur mit dünnem Stroh bedeckten Betonboden. Später bauten sie selbstgeschreinerte doppelstöckige Pritschen. Die hygienischen Verhältnisse der Gefangenen waren katastrophal, was gerade in den kalten Wintermonaten zu teils schweren Erkrankungen führte. Doch auch die Wachleute machten den Lageralltag nicht einfach. So waren Misshandlungen, vor allem der jüdischen Gefangenen, an der Tagesordnung. Das Lager wurde Ende 1934 im Zuge der angestrebten Zentralisierung der Konzentrationslager aufgelöst. Die dort noch befindlichen Gefangenen wurden entweder freigelassen oder in andere Lager versetzt. [Anm. 10]

Nach dem Krieg wurde die Erinnerung an das Konzentrationslager Osthofen weitestgehend verdrängt und verharmlost. Ab 1972 übernahm dann eine Gemeinschaft ehemaliger Häftlinge die Aufgabe, das fast vergessene und verdrängte Lager in die Erinnerung zurückzubringen. So wurde 1978 eine Gedenktafel am Gebäude des ehemaligen KZ angebracht. 1986 wurde der Förderverein Projekt Osthofen gegründet, der sich seitdem der Erinnerung des KZ annimmt und seit 2004 in einer Dauerausstellung über die „Verfolgung und Widerstand in Rheinland-Pfalz 1933 – 1945“ informiert.

Die Osthofener Betriebe nutzten in den Kriegsjahren (1939 – 1945) die Möglichkeit, Kriegsgefangene und Zivilarbeiter aus den besetzten Gebieten als Arbeiter in den Fabriken und der Landwirtschaft einzusetzen, um die an der Front kämpfenden Männer auszugleichen. Diese Arbeiter wurden vor allem in den Großbetrieben des Ortes, der Elektromotorenfabrik Glaser, von Praun GmbH, der Firma Armaturenbau Stephan, sowie bei der Reichsbahn genutzt und lebten in Lagern oder Unterkünften nahe der Betriebsgelände. [Anm. 11]

1938 wurde die jüdische Synagoge in Osthofen von NSDAP nahen Personen niedergebrannt. Der Freiwilligen Feuerwehr wurde untersagt das Feuer zu löschen und nur erlaubt die Ausbreitung des Feuers auf Nachbargebäude verhindern.

Am 20. März 1945, wenige Monate vor Kriegsende, marschierten schließlich die Amerikaner in Osthofen ein.

Nachkriegszeit bis Heute

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehörte Osthofen zur französischen Besatzungszone. Die Situation nach Kriegsende war zunächst nicht einfach, da Lebensmitteln und Brennholz knapp waren und sich viele ehemalige Wehrmachtssoldaten noch immer in Kriegsgefangenschaft befanden. Die Franzosen verwalteten das Land nach militärischen Regeln und verließen sich dabei auf unbelastete Deutsche. Die Besetzung selbst hatte erneut Beschlagnahmungen von Unterkünften und Hausrat zur Folge.

Die ersten Wahlen zum Gemeinderat fanden am 15. September 1946 statt und brachten vor allem Sozialdemokraten und Christdemokraten in den Gemeinderat. Der Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Gebäude konnte, angeregt durch die Währungsreform von Juni 1948, erstaunlich rasch von statten gehen. Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz und damit die offizielle Neuorganisation der westlichen Besatzungszonen zur Bundesrepublik Deutschland in Kraft. [Anm. 12]

Im Juni 1948 wurde ein Durchgangslager in Osthofen auf dem ehemaligen Gelände des Reichsarbeitsdienstes (R.A.D.) errichtet. Dieses diente dazu ehemalige Kriegsgefangene, Umsiedlungswillige, sowie Flüchtlingen und Vertriebenen Unterkunft zu gewähren, bevor sie weiter nach Frankreich gebracht wurden oder an anderer Stelle angesiedelt werden konnten. 1949 übergaben die Franzosen das Lager dann vollständig an das Land Rheinland-Pfalz, welches es als Landesdurchgangslager einrichtete und zur Kriegsfolgenhilfe nutzte. Von November 1949 bis Anfang 1953 wurden so monatlich etwa 1000 ZuwanderInnen durchgeschleust. [Anm. 13]

Am 24. Oktober 1970 wurde der Gemeinde (1970 6.732 EinwohnerInnen) von Ministerpräsident Helmut Kohl das Stadtrecht verliehen. Mitte 2014 schloss sich die bisher verbandsfreie Stadt Osthofen (2014 8.883 EinwohnerInnen) dann mit dem benachbarten Westhofen zur Verbandsgemeinde Wonnegau zusammen. Der Sitz der Verbandsgemeinde ist in Osthofen, einige Fachbereiche verblieben jedoch in Westhofen.

Nachweise

Redaktionelle Bearbeitung: Jonathan Bugert

Verwendete Literatur:

  • 1200 Jahre Osthofen. Auf den Spuren der Vergangenheit. Hrsg. von der Stadtverwaltung Osthofen. Osthofen 1984.
  • Arenz-Morch, Angelika / Ruppert-Kelly, Martina: Die Gedenkstätte KZ Osthofen. In: Blätter zum Land Extra-Ausgabe 2010.
  • Brilmayer, Karl Johann: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung. Gießen 1905.
  • Brüchert, Hedwig: Ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Osthofen während des Zweiten Weltkriegs. 1. Aufl. Worms 2011.
  • Förderverein Projekt Osthofen e.V. (Hg.): 25. Förderverein Projekt Osthofen e.V.: 1986-2011. Osthofen 2011.
  • Kazenwadel-Drews, Brigitte: Osthofen. Ein Rundgang durch die Geschichte. [Heidelberg] 2006.

Aktualisiert am: 09.10.2020

Anmerkungen:

  1. Vgl. Stümpel 1984. In: 1200 Jahre Osthofen, S. 13.  Zurück
  2. Vgl. Katzenwadel-Drews 2006, S. 20.  Zurück
  3. Vgl. Katzenwadel-Drews 2006, S. 23f.  Zurück
  4. Vgl. Scheim 1984. In: 1200 Jahre Osthofen, S. 23 – 32.  Zurück
  5. Vgl. Scheim 1984. In: 1200 Jahre Osthofen, S. 114 – 118.  Zurück
  6. Vgl. Scheim 1984. In: 1200 Jahre Osthofen, S. 150 – 157.  Zurück
  7. Vgl. Katzenwadel-Drews 2006, S. 46.  Zurück
  8. Vgl. Wechsler 1984. In: 1200 Jahre Osthofen, S. 180.  Zurück
  9. Vgl. Konrad 1984. In: 1200 Jahre Osthofen, S. 250 – 258.  Zurück
  10. Vgl. Arenz-Morch / Ruppert-Kelly 2010. In: Blätter zum Land Extra-Ausgabe; Förderverein Projekt Osthofen e.V. 2011.  Zurück
  11. Vgl. Brüchert, Hedwig (2011): Ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Osthofen während des Zweiten Weltkriegs. 1. Aufl. Worms: Worms-Verlag.  Zurück
  12. Vgl. Fischer 1984. In: 1200 Jahre Osthofen, S. 431 – 448. Zurück
  13. Vgl. Landesdurchgangswohnheim Rheinland-Pfalz Osthofen. In: 1200 Jahre Osthofen, S. 491 – 493.  Zurück