Mainz in Rheinhessen

Mainz - eine Stadt mit bewegter Vergangenheit

von Elmar Rettinger

0.1.Einführung

Luftbild von der Mainzer Neustadt[Bild: Alfons Rath]

"Vier Stück machen Mayntz sonderlich berühmt: Erstens die von Berthold Schwarz erfundene Pulver- und Stück-Verfertigung. Zweytens die wo nicht daselbst erfunden doch noch vollkommener gemachte Buchdruckerey. Drittens die Stapel-Gerechtigkeit und dann viertens, daß diser Stadt Erz-Bischof der vornehmste churfürst und Reichs-Cantzler ist."
Diese Einschätzung des Rheinischen Antiquarius, einer Beschreibung von 1739, stimmt heute nur noch zum Teil. Pulvererfindung und Stapelrecht (d.h. wirtschaftliche Bedeutung) wird man vermutlich nicht in erster Linie mit Mainz in Verbindung bringen.
Laut einer kürzlich durchgeführten Imageanalyse verbinden die meisten mit Mainz in erster Linie die Geschichte der Stadt und dann gleich die Fastnacht. Mainz kann auf eine über 2000-jährige, bewegte Geschichte zurückblicken. Hier wurde in früheren Jahrhunderten große Politik gemacht. Bis 1800 war die Stadt Zentrum kirchlicher und weltlicher Macht im Reich. Die Mainzer verstehen zu Feiern. Alljährlich ziehen an Fastnacht Hunderttausende durch die Mainzer Straßen. Im Jahre 2000 beging die Stadt den 600. Geburtstag ihres größten Sohnes, dem auch das jährlich im Juni stattfindende Johannisfest gewidmet ist. Seine Erfindung - das Drucken mit beweglichen Lettern - hat die Welt verändert.
Mainz, eine Stadt mit über 200.000 Einwohnern, ist heute die Landeshauptstadt des Bundeslandes Rheinland-Pfalz. In der Stadt begegnet man auf Schritt und Tritt Überresten aus der Vergangenheit.

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0.2.Mogontiacum - eine bedeutende römische Stadt

Das frührömische Mainz[Bild: Heinz Cüppers]

Die ersten Menschen, die hier siedelten, waren die Kelten. Doch begonnen hat eigentlich alles mit den Römern und deren Plan, das römische Reich bis an die Elbe auszubreiten. Im Jahre 13/12 vor Christi Geburt ließ der römische Feldherr Drusus ein Militärlager für 12.000 Soldaten errichten. Rasch entstand eine Siedlung, die sich zu "Mogontiacum", einer bedeutenden römischen Stadt - benannt nach dem keltischen Gott Mogon -, entwickelte. Zeitweise lebten hier bis zu 50.000 Menschen. Man kann sich heute nur schwer vorstellen, wie Mainz in römischer Zeit ausgesehen hat, da nur sehr wenige Reste erhalten sind.
Allerdings setzt sich das Bild des römischen Mainz allmählich mosaikartig zusammen; denn bei Bauarbeiten im Stadtgebiet tauchen regelmäßig Überreste aus der Vergangenheit auf: zum Beispiel 1985 ein spätrömisches Stadttor, dessen Reste man heute noch an seinem Originalstandort besichtigen kann, oder die Relikte eines römischen Tempelbezirks, welchen man jüngst entdeckte. Teile davon sind heute nach Ende der Bauarbeiten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Die größte Grabungsstelle in Mainz ist das römische Bühnentheater aus dem 1. Jahrhundert nach Chr. im Bereich des heutigen Südbahnhofs, welches ca. 16.000 Besuchern Platz bot und damit eines der größten römischen Theater nördlich der Alpen war.
Im Zusammenhang mit den Ausgrabungen sind ständig Kompromisse zwischen Bauherren und Archäologen notwendig. Dabei zeigt sich durch Bürgerinitiativen und aktive Mithilfe bei den Ausgrabungen, dass die Mainzer sich ihrer bedeutenden Vergangenheit bewusst sind. Das Landesmuseum verfügt über eine imposante Sammlung römischer Grabdenkmäler. Einmalig sind die Anfang der 80er Jahre ausgegrabenen Römerschiffe, die im Museum für Antike Schiffahrt gezeigt werden. Die römische Herrschaft endete in der Völkerwanderungszeit Mitte des 5. Jahrhunderts.

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0.3.Mainz - "Centralort des Reiches"

Der Übergang von römischer zu fränkischer Zeit bzw. von der Antike zum Mittelalter war kein abrupter Bruch, wie es vielfach beschrieben wird. Vielmehr lebte in Mainz eine romanisierte Bevölkerung weiter, während die fränkische Besiedlung sich vor allem auf die Gründung von Landgemeinden konzentrierte. Trotz der vermutlich verheerenden Zerstörungen überdauerten zahlreiche römische Bauwerke die Wirren der Völkerwanderungszeit. Vor allem aber war das Christentum ein wesentliches Element der Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter am Rhein.
Nachdem das Christentum unter Konstantin Anfang des 4. Jahrhunderts im römischen Reich anerkannt war, bildete sich auch in Mainz eine christliche Gemeinde. Mainz wurde Sitz eines Bischofs. Entscheidende Impulse für die kirchliche und politische Entwicklung gingen von Missionserzbischof Bonifatius aus, der von 746 bis zu seinem Märtyrertod im Jahre 754 Mainzer Bischof war. Nach ihm wurde die Erzbischofswürde fest mit dem Mainzer Stuhl verbunden. Der Mainzer Erzbischof setzte sich allmählich gegen konkurrierende Adlige als Stadtherr durch, indem er wichtige Rechte wie Markt, Münze, Zoll sowie den Besitz von Grund und Boden an sich zog. Um 900 war er der unbestrittene Stadtherr in Mainz. Er sollte bis zum Ende des Alten Reiches um 1800 eine dominierende Rolle in der Stadt spielen.
Der Mainzer Erzbischof vereinigte eine für heutige Verhältnisse ungewöhnliche Macht auf seiner Person. Er war als Herr über ein Erzbistum nicht nur ein geistlicher Würdenträger, sondern er verfügte auch als Landesherr über ein wachsendes Territorium. Schließlich gehörte er zu den Fürsten, welche den deutschen König wählten. Dem Mainzer Erzbischof kam somit eine zentrale Funktion im Herrschaftssystem des Mittelalters zu. Vor allem im Mainzer Dom und seinen Grabdenkmälern manifestiert sich der kirchliche und weltliche Herrschaftsanspruch eines geistlichen Fürsten im Reich.
Den Dom hatte der Mainzer Erzbischof Willigis Ende der 90er Jahre des 10. Jahrhunderts nicht zuletzt deshalb errichten lassen, weil er das traditionell an Aachen und das Kölner Erzbistum gekoppelte Krönungsrecht für den Mainzer Stuhl sichern wollte. Auch wenn in Mainz sieben Könige gekrönt wurden, ließen sich die politischen Pläne der Mainzer Erzbischöfe nicht ganz realisieren. Schon im 11. Jahrhundert hatte sich der Kölner Erzbischof als Königskröner durchgesetzt. Dennoch gelang es dem Mainzer immerhin, seinen entscheidenden Einfluss bei der Königswahl zu behaupten, wie es dann in der so genannten Goldenen Bulle im Jahre 1356 reichsrechtlich fixiert wurde.
Im Gegensatz zu anderen Bischofsstädten hatte sich der Erzbischof in Mainz gegen die aufstrebende Bürgergemeinde durchgesetzt. Die kirchlich-politische Bedeutung des Stadtherrn strahlte auch auf die Stadt aus. Der erzbischöfliche Hof war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Stadt. Mainz wurde im 18. Jahrhundert als "Centralort des Reiches" bezeichnet. Am Rhein errichtete sich der Erzbischof im 17./18. Jahrhundert eine repräsentative Residenz, das Kurfürstliche Schloss.
Zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten hatten das Amt des Erzbischofs in Mainz inne; so war zum Beispiel Johann Philipp von Schönborn (1647-1673) ein Politiker von europäischem Rang.

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0.4.Mainz - die Stadt der Kirchen

St. Quintin zu Mainz.[Bild: Stefan Dumont]

Die Rolle der Stadt als kirchliches Zentrum spiegelt sich im Stadtbild wider. Hier haben sich - vor allem im 13. und 14. Jahrhundert - zahlreiche Klöster niedergelassen, viele Stifte und Pfarrkirchen wurden gegründet. Auch wenn viele Kirchen zerstört wurden, prägen die zahlreichen kirchlichen Gebäude aus allen Epochen noch heute das Stadtbild. Eine besondere Sehenswürdigkeit ist St. Stephan. Das Stift St. Stephan ist von Erzbischof Willigis Ende des 10. Jahrhunderts gegründet worden. Die heutige Kirche stammt aus dem 13./14. Jahrhundert. Für die Stephanskirche hat der Künstler Marc Chagall noch in hohem Alter neun Kirchenfenster gestaltet. Auch nach dem Tode Chagalls wurden weitere Fenster eingebaut. Inzwischen ist die ganze Kirche mit Fenstern, die von Chagall selbst stammen bzw. in seiner Tradition stehen ausgestattet. Die Fenster verleihen der gotischen Kirche einen besonderen Reiz und werden von Besuchern aus aller Welt besichtigt. Im 13. Jahrhundert hatte sich auch der Orden der Augustiner in Mainz niedergelassen. Diese ersetzten im 18. Jahrhundert ihre alte Kirche durch einen prächtigen barocken Neubau. Neben St. Ignaz und dem jüngst renovierten St. Peter gehört die Augustinerkirche zu den herausragenden Beispielen barocker Kirchenbaukunst. Die Kirche hat noch einen Großteil ihrer originalen Ausstattung bewahrt. Sie beherbergt vor allem eine der bedeutendsten Barockorgeln in Deutschland.

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0.5.Mainz - der Geburtsort Johannes Gutenbergs

Gutenbergdenkmal von Thorvaldsen

Im Jahre 2000 feierte Mainz den 600. Geburtstag Johannes Gutenbergs, der hier um 1400 geboren wurde. In einer amerikanischen Rangliste der bedeutendsten Personen der letzten 1000 Jahre wurde Gutenberg zu Recht auf Platz eins gesetzt; denn seine Erfindung des Druckens mit beweglichen Lettern hat die Welt verändert. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren damals alles andere als günstig. Die Stadt war hoch verschuldet - Zünfte, Patrizier und Erzbischof lagen in erbittertem Streit. Mitte des 15. Jahrhunderts setzte sich der Erzbischof endgütig als Stadtherr gegen die Bürgerschaft durch. Gutenberg hat die Drucktechnik in Straßburg und Mainz entwickelt. Er war nicht nur ein versierter Handwerker, sondern auch ein risikobereiter Unternehmer, der mit der Massenproduktion von Texten eine Marktlücke entdeckt hatte. In Mainz druckte er unter anderem zwischen 1452 und 1455 180 Bibeln, die an Schönheit den Handschriften nicht nachstanden. In Finanzangelegenheiten war er wohl weniger versiert; denn obwohl die Bibel ein Verkaufserfolg war, ging er 1455 in Konkurs und verlor seine Werkstattt. Gutenberg starb 1468 in Mainz. Er war wohl kein armer Mann, große Reichtümer hatte ihm seine Erfindung allerdings nicht eingebracht. Über sein Leben und Werk informiert man sich am besten im Gutenberg-Museum.
Obwohl Gutenberg zu seiner Zeit durchaus ein geachteter Mann war, setzte die Verehrung seiner Person - vor allem gefördert durch die Franzosen - so richtig erst im 18./19. Jahrhundert ein. 1837 errichteten die Mainzer das Gutenberg-Denkmal auf dem Gutenbergplatz. Der Däne Bertel Thorvaldsen hatte es in Rom entworfen.

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0.6.Mainz - eine Adels- und Bürgerstadt

Der Osteiner Hof

Mainz profitierte erheblich von der Anwesenheit des Erzbischofs und Kurfürsten. Geht man heute durch die Stadt, fallen die zahlreichen barocken Adelspalais auf. Vor allem in der Schillerstraße und am Schillerplatz konzentrieren sich mit Erthaler Hof, Schönborner Hof, Bassenheimer und Osteiner Hof zahlreiche prächtige Adelshöfe. In ihnen kommt das Repräsentationsbedürfnis der Familien der Erzbischöfe zum Ausdruck. Darüber hinaus war es für die Adelsfamilien der Region wichtig, in Mainz präsent zu sein, da am kurfürstlichen Hof wichtige Ämter vergeben wurden.
Im Jahre 1477 wurde in Mainz auf Initiative des Erzbischofs Diether von Isenburg eine Universität gegründet, die entscheidend zum Ruf der Stadt als kulturelles Zentrum beigetragen hat. Bedeutende Wissenschaftler wie Forster und Soemmerring haben in Mainz gelehrt. Auch wenn es im Stadtbild heute nicht mehr sichtbar ist: Mainz war in früheren Jahrhunderten eine Stadt mit starken Befestigungsanlagen. Die Zitadelle, deren Eingang der barocke Kommandantenbau ziert, ist ein Relikt dieser Wehr-anlagen. Die Festungsanlagen der ehemaligen Festung des deutschen Bundes mussten laut Bestimmung im Frieden von Versailles 1918 geschleift werden - eher ein symbolischer Akt als militärische Notwendigkeit.
Im Gegensatz zu den großzügigen Adelspalais ist das bürgerliche Mainz von engen Gassen und schmalen Fachwerkhäusern geprägt. Mainz war wohl eine wichtige Handelsstadt, doch Patriziat und Zünfte vermochten nicht, sich gegen den Erzbischof durchzusetzen. Großbürgerliche Wohnhäuser findet man deshalb kaum in der Stadt.
Dennoch hieß es im 18. Jahrhundert nicht zu unrecht: "Unter dem Krummstab lässt sich gut leben". Die Stadt bot vielen Menschen Arbeitsmöglichkeiten. Auf den verschiedenen Marktplätzen wurde reger Handel getrieben. In Krisenzeiten wurde die Festungsstadt allerdings zur Falle. Zu allen Zeiten hatte die Mainzer Bevölkerung unter den Kriegsereignissen schwer zu leiden. In Krisenzeiten dezimierten Krankheiten, Hunger und Krieg die Bevölkerung. Vergeblich beteten die Menschen: "A peste, fame et bello, libera nos Domine!" So grassierte zum Beispiel zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges während der schwedischen Besatzung 1632 bis 1635 zwei Mal die Pest. Damals starb fast die Hälfte der Mainzer Bevölkerung.
Im Allgemeinen sind die damaligen Lebensverhältnisse in Städten nicht mit den heutigen zu vergleichen. Die Ernährung war einseitig, die hygienischen Bedingungen alles andere als gut. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug weniger als 40 Jahre, wobei dies vor allem an der hohen Kindersterblichkeit lag. Todesursachen waren vor allem Infektionskrankheiten, wie z.B. die regelmäßig grassierenden Pocken. Die Medizin stand den Krankheiten weitgehend hilflos gegenüber und wirkte nicht unbedingt lebensverlängernd. Ein Auszug aus der kurmainzischen Medizinalordnung von 1783 vermag dies schlaglichtartig zu verdeutlichen:

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"Von Hülfsmitteln für Personen, welche von schädlichen Dämpfen betäubt oder erstickt sind: Wenn ein Wundarzt zu erlangen ist: so wird er unverzüglich eine Ader, und zwar, wo möglich, am Hals öffnen. Die Umstehenden halten indessen dem Kranken scharfriechende Sachen in die Nase, blasen ihm auch reizende Mittel, als Schnupftabak, oder ein Nießpulver aus Violenzwurzel, Pfeffer, oder Mießwurz in die Nase.... Zu gleicher Zeit muß man dem Kranken so viel Tabaksdampf, als möglich, durch den Mastdarm in den Unterleib treiben…“!"

0.1.Mayence - eine französische Stadt

Mainzer Kirschgarten

Die Ereignisse nach der Französischen Revolution 1789 bedeuteten das Ende des Alten Reiches und damit auch das Ende der zentralen politischen Rolle der Stadt. 1792 eroberten die Franzosen Mainz [Artikel in Arbeit]. Ihre Erwartung, dass die rheinische Bevölkerung die Ideen der Französischen Revolution mit Begeisterung übernehmen würde, bewahrheitete sich nicht. Die mit publizistischen Aufrufen, dem Setzen von Freiheitsbäumen und der Gründung von Jakobinerklubs verbundene "Anschubrevolutionierung" erwies sich als zu schwacher Impuls. Schon Ende 1792 ging man zur "Zwangsrevolutionierung" über. Dennoch war die so genannte "Mainzer Republik", ein - gemessen an den damaligen Verhältnissen - erstaunlicher demokratischer Versuch auf deutschem Boden. Der "Rheinisch-deutsche Nationalkonvent", der 1793 im Deutschhaus tagte, war die erste demokratisch gewählte Volksvertretung. Einer der führenden Mainzer Jakobiner war Georg Forster. Alliierte Truppen belagerten Mainz 1793 [Artikel in Arbeit] und bereiteten der "Mainzer Republik" [Artikel in Arbeit] ein gewaltsames Ende.
Nachdem die linksrheinischen Gebiete offiziell an Frankreich abgetreten worden waren, gehörte Mainz von 1797 bis 1814 als Hauptstadt des Départements du Mont Tonnerre zum französischen Staatsgebiet. Die französischen Reformen bedeuteten eine Umwälzung in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Erstmals wurde mit dem Code Civil eine einheitliche Rechtsprechung eingeführt. Mainz war als Zweitresidenz Kaiser Napoleons vorgesehen und sollte dementsprechend umgestaltet werden. Mit der Niederlage Napoleons endete auch die Herrschaft der Franzosen in Mainz.
Die Reformen hatten jedoch Signale für die Zukunft gesetzt und entfalteten ihre Wirkung nach dem Ende der französischen Herrschaft.

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0.2.Mainz - eine hessische Provinzhauptstadt

[Bild: Stadtarchiv Mainz]

Das 19. Jahrhundert brachte tiefgreifende Veränderungen. 1816 kam Mainz zum Großherzogtum Hessen. Aus dem "Centralort des Reiches" war die Hauptstadt der hessischen Provinz Rheinhessen geworden. Mainz war Festung des Deutschen Bundes, in der Stadt waren Tausende von Soldaten stationiert. Zeitweise betrug die Zahl der Soldaten 20 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Politischer Frust, wirtschaftliche Probleme und ständige Reibereien mit dem in Mainz stationierten Militär erzeugten in der Stadt eine explosive Stimmung. Ausgerechnet hier richtete der reaktionäre österreichische Politiker Metternich eine Zentraluntersuchungskommission für revolutionäre Umtriebe ein. "Mainz ist die revolutionärste Stadt im Reich", bemerkte der Zeitgenosse Heinrich von Treitschke. Die Protestbewegung des Bürgertums, die in den 40er Jahren ganz Europa erfasst hatte, schlug auch in Mainz hohe Wellen. Der 1841 errichtete Frankfurter Hof wurde zum Treffpunkt der Demokraten. Die Mainzer Aufstände wurden jedoch schon 1848 vom Militär rasch unterdrückt.
Der Frankfurter Hof war auch Ort der ersten Fastnachtssitzungen. Im 19. Jahrhundert wurde das alte christliche Vorfastenfest "Fastnacht" oder "Karneval" vom Bürgertum neu organisiert. Ausgehend von Köln fassten die neuen fastnachtlichen Formen schnell auch in Mainz Fuß, 1838 lief der erste Rosenmontagszug durch die Straßen der Stadt. Bald gründeten sich aus die ersten Fastnachtsvereine - heute sind es über fünfzig. Damals war die Fastnacht erheblich politischer als heute. Die Bütt bot den einflussreichen Bürgern die Möglichkeit, sich darzustellen und politische Kritik zu üben.
Die Industrialisierung kam in Mainz zunächst nur schleppend in Gang. Die Festungseigenschaft behinderte die wirtschaftliche und demographische Entwicklung der Stadt. Auch wenn die Bevölkerung von ca. 22.000 um 1800 auf 64.000 um 1890 anwuchs, war dies im Vergleich zu anderen Städten wenig. Erst nach der Niederlegung der Stadtmauern im Bereich des Gartenfeldes Ende des 19. Jahrhunderts konnte sich die Stadt weiter ausdehnen. Damals wurde die prächtige Kaiserstraße angelegt. 1918 wurde die Republik ausgerufen, Mainz kam zum Volksstaat Hessen. Ab 1933 begann mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten die schwärzeste Phase der Mainzer Geschichte.

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0.3.Mainz - eine zerstörte Stadt

Bildstrecke zum Mainzer Marktplatz nach 1945

Auch wenn die Nationalsozialisten aufgrund des starken Katholizismus und Arbeiterbewegung in Mainz nur schwer Fuß fassen konnten, setzten sie sich 1933 wie überall im Reich auch in Mainz rasch durch. Die innen- und außenpolitischen Erfolge der Nazis ließen die Bevölkerung die eigene politische Entmündigung in Kauf nehmen. Die Unterdrückung und schließlich die physische Vernichtung von Minderheiten, insbesondere der Juden, sah man nicht oder wollte sie nicht sehen. Die nationalsozialistische Herrschaft bedeutete für die Stadt eine Katastrophe. Die 1000-jährige blühende jüdische Gemeinde wurde ausgelöscht. Von den ca. 3.000 jüdischen Mitbürgern um 1930 wurden über 1.000 in den Konzentrationslagern ermordet. Die verheerenden Luftangriffe legten die Stadt in Schutt und Asche. 80 Prozent der Innenstadt wurden zerstört. Das Leid der Bevölkerung, aber auch die Leistungen des Wiederaufbaus kann man sich heute nur schwer vorstellen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gehörte Mainz zur französischen Besatzungszone. Empfand damals die Bevölkerung die Besatzung als drückend, wurden dennoch in dieser Zeit entscheidende Weichen für die Zukunft der Stadt gestellt. Die Franzosen gründeten 1946 das Bundesland Rheinland-Pfalz und bestimmten Mainz als Hauptstadt. 1946 wurde auf ihre Initiative die Universität neu gegründet.

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0.4.Mainz heute - politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum

Der Mainzer Marktplatz heute

Begann in den 50er Jahren der Wiederaufbau der Stadt zunächst langsam und unkoordiniert, so setzte in den 60er Jahren eine rasante Aufwärtsentwicklung ein. Ein entscheidender Impuls war die - etwas verfrühte - 2000-Jahr-Feier der Stadt im Jahre 1962. Mainz ist heute mit 200.000 Einwohnern die größte Stadt in Rheinland-Pfalz. Die Universität mit ihren über 30.000 Studenten trägt entscheidend zum Ruf der Stadt als wissenschaftliches Zentrum bei. Universität und Universitätsklinik sind mit zusammen 8.500 Beschäftigten (davon 5.500 in der Universitätsklinik, Stand 1999) der größte Arbeitgeber in Mainz. Zahlreiche renommierte Wirtschaftsunternehmen haben hier ihren Sitz, vor allem ist die Stadt ein Medienzentrum. Das Zweite Deutsche Fernsehen ist mit ca. 7.200 festen und freien Mitarbeitern der zweitgrößte Arbeitgeber.
Die großen Mainzer Feste Fastnacht, Johannisfest und der Weinmarkt locken alljährlich viele Menschen an. Am Rosenmontag säumen in der Regel über 500.000 Menschen die Straßen. Mainz hat städtebaulich seit den 70er Jahren erheblich an Attraktivität gewonnen. Das Programm der Altstadtsanierung hat dazu wesentlich beigetragen. In jüngster Zeit entsteht ein neuer städtebaulicher Schwerpunkt im Bereich des Südbahnhofs und des Winterhafens. Auch wenn immer wieder Großbaustellen Teile des Stadtbilds prägen: Mainz ist eine lebens- und liebenswerte Stadt.

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Nachweise

Verfasser: Elmar Rettinger

Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Grathoff

Verwendete Literatur:

  • Böcher, Otto u.a.(Hrsg.): Stadt-Land-Universität. Aus den Werken des Historikers Helmut Mathy. Stuttgart 2012.
  • Cüppers, Heinz (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990.
  • Darapsky, Elisabeth: Mainz. Die Kurfürstliche Residenzstadt 1648-1792. Mainz 1995.
  • Dumont, Franz: Mainz. Die Geschichte einer Stadt. Mainz 1999.
  • 2000 Jahre Mainz. Geschichte der Stadt -digital.

Aktualisiert am: 07.06.2016