Mainz in Rheinhessen

Der römische Friedhof an der Via Sepulcrum in Weisenau - von Udo Mosbach

Planausschnitt des römischen Mainz mit Gräberstraße nach Weisenau.
Ausschnitt aus einem Luftbild von Weisenau (Kopie vom Stadtarchiv Mainz).

An der Römerstraße, die vom Kästrichlager in Mainz zum Weisenauer Lager führte, wurde ein zweiter älterer Friedhof [Anm. 1] entdeckt und z.T. ausgegraben [Anm. 2]. Schon 1978 wurde auf Luftaufnahmen, die regelmäßig über Mainz erstellt werden, ein Teilstück der Römerstraße entdeckt:
Auf dem Ausschnitt in Abb. 1 ist oben das Gelände der IBM zu sehen, das helle Gebäude in der rechten Bildmitte ist der Bau der "Süddeutschen Metall-Berufs-genossenschaft". Die obere quer verlaufende Straße ist auf dem Werksgelände der IBM, die Straße in der unteren Hälfte ist die Theodor-Römheld-Straße, von der etwa in der Bildmitte der Fußweg des Bettelpfads abgeht. Neben diesem Fußweg ist in dem Acker ein diagonal verlaufender heller Streifen zu sehen: unsere Römerstraße, die durch den Hof der Schillerschule bis zum Radweg führte entdeckt und z.T. ausgegraben.
Von 1982 bis 1992 wurden hier auf einer Fläche von 250 m Länge und maximal 60 m Breite insgesamt 270 Beisetzungen und der Ausschnitt eines Töpferbezirkes freigelegt. Eine noch längere Strecke konnte wegen der vorhandenen Bebauung nicht ergraben werden. Daß der ergrabene Bezirk nur ein Ausschnitt aus dem großen Friedhof entlang der Römerstraße bildet, wird sofort klar, wenn man an die Entdeckung eines reichen Brandgrabes im Hof der Schillerschule denkt, wo die Römerstraße auch vorbeiführte. [Anm. 3] Dazu noch das Grabmal eines römischen Ehepaares (1928 beim Kanalbau in der Eleonorenstraße = Erich-Ollenhauer-Straße gefunden - siehe Abbildungen im Anhang) - die Überbauung hat den größten Teil dieser Gräberstraße unzugänglich gemacht bzw. zerstört. Aber das, was noch gefunden wurde, deutet auf eine sehr eindrucksvolle Friedhofsanlage hin. Während der 10-jährigen Ausgrabungen kam es wiederholt zu Raubgrabungen, so daß einer der ehemaligen Grabungshelfer auf der Grabungsstelle übernachten mußte, um Grabräuber fernzuhalten.

Dauerausstellung ("Aquarium")

Vorbereitung zur Verbrennung (aus Ausstellungsprospekt).[Bild: Udo Mosbach]

Die Ergebnisse der Ausgrabung wurden in einer großen Ausstellung im Herbst 1995 in Frankfurt gezeigt [Anm. 4]. Am Ort der Gräberstraße zeigt eine Dauerausstellung einen Teil der gefundenen Gräber und Töpferöfen. Die Erkenntnisse aus der Anordnung der einzelnen Gräber und deren Beigaben haben jedenfalls neues Licht auf die italisch-römischen bzw. einheimisch-keltischen Formen der Totenehrung geworfen.
Im 1. Jahrhundert v. und n. Chr. lebte in Mainz eine ethnisch und kulturell gemischte Bevölkerung. Es gab in der Frühzeit kein uniformes römisches Bestattungsbrauchtum. Die Unterschiede zum einheimischem Brauchtum verwischten sich unter Kaiser Augustus durch die Übernahme stadtrömischer Begräbnissitten. In dem betroffenen Gebiet - damals noch bei Weisenau - entwickelte sich eine Gräberstraße nach italisch-römischem Muster. Verbrannt wurden die Toten dort in oder über Gruben (bustrum / bustina), deren Anlagen sich bis zur heutigen Göttelmannstraße hinzogen.
Sowohl bei Kelten als auch bei Römern war es Brauch, Tote mit Beigaben zu verbrennen bzw. zu bestatten. In Rom lag die Bedeutung der Beigaben primär in einem Abschiedsgeschenk, während man bei gallischen Begräbnissen dem Toten mitgeben wollte, was ihm im Leben teuer war. In Weisenau bestanden die Beigaben oft aus Geschirr, gläsernen Salbölfläschchen und Nahrungsmitteln. Nach der Verbrennung wurden weitere Gegenstände und Speisen am Grab deponiert, wohl als Opfergaben für den zum Ahnen gewordenen Verstorbenen. Beigaben wie Lampen, Salbölfläschchen und Münzen zählen zu den charakteristischen Elementen römisch-italischen Brauchtums.

Grabbrauch und Beigaben, Grabschmuck

Ausschnitt aus der Gräberstraße (aus dem Prospekt).

An der Via Sepulcrum wurden die Gräber in sog. Grabgärten angelegt. Um die Anlage wurde eine Mauer errichtet, die dann nach außen mit Grabsteinen oder auch mit aufwendigen Architekturen geschmückt war - ein Abbild stadtrömischer Begräbnissitten, wie wir es von den großartigen Anlagen in Rom her kennen.
Daß die einheimischen Kelten den römischen Brauch schnell übernahmen, zeigt der Grabstein des Blussus. Auf rein keltischen Friedhöfen vor der Römerzeit gibt es keine Grabsteine und insbesondere keinerlei Inschriften. Im Rahmen der Romanisierung wurde das alles von den "einheimischen Kelten" übernommen.
Da die "römische Periode" in Weisenau recht bald endete - Mainz war durch den Bau des Limes eine relativ ruhige Provinzstadt geworden, die Hilfstruppen wurden an anderer Stelle benötigt, das Weisenauer Lager wurde aufgelöst und der Troß zog weiter, nur Handwerker und Töpfer blieben zurück - endet die Belegung der beiden alten Weisenauer Friedhöfe vor der Mitte des 3. Jh. n. Chr. [Anm. 5].
Aus Mainz sind jedoch weitere römische Friedhöfe bekannt, die z. T. bis ins Mittelalter weiter benutzt wurden. Schon früh hatten sich die Römer - und damit auch die romanisierte Bevölkerung der Einheimischen - durch die Auswirkungen des Christentums umgestellt von Brandbestattung zur Körperbestattung. Da die neue Religion von einem "Leben nach dem Tode" sprach, mußte man den Körper jetzt unversehrt bestatten. Mit diesem Brauch endete auch die Sitte, dem Toten Beigaben mit ins Grab zu geben, d.h. ein beigabenloses Grab ist in eine spätere (christliche) Zeit zu datieren. Christliche Symbolik auf Grabsteinen der römischen Zeit ist aus Weisenau nicht bekannt.

Fotostrecke zur Via sepulcrum[Bild: Udo Mosbach]

Ein Phänomen bei der Anlage römischer Friedhöfe läßt sich im Übersichtsplan der Mainzer "Eigenbetriebe Friedhofs- und Bestattungswesen" erkennen:

Alle Friedhöfe aus der Römerzeit beginnen entlang der Ausfallstraßen erst am Rand eines Kreises um einen Mittelpunkt, der im noch nicht genau lokalisierten römischen Forum in Mainz liegt und der Radius des Kreises ist genau 1 Leuge [Anm. 6]. Innerhalb dieses Kreises - also "intra leugam" - hatte der militärische Oberbefehlshaber des Lagers absolute Kontrolle, nicht nur über das Militär und die Hilfstruppen, sondern auch über Zivilpersonen. Da bei den Römern Bestattungen in den Städten nicht erlaubt waren, fangen die Gräber und Grabanlagen erst außerhalb des militärischen Bezirkes an. Da der Drususstein sich auch noch innerhalb des Kreises befindet, kann das Monument also auch nur ein Kenotaph [Anm. 7] sein.

Nachweise

Verfasser: Udo Mosbach

Literatur:

  • Landesamt Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 2.3: Stadt Mainz. Bearb. v. Dieter Krienke. Worms 1997.
  • Witteyer; Fasold: Des Lichtes beraubt -Totenehrung in der römischen Gräberstraße von Mainz-Weisenau. Wiesbaden 1995.

Aktualisiert am: 05.12.2014

Anmerkungen:

  1. Der erste ältere Friedhof liegt innerhalb des heutigen Ortes Radweg) und wurde um 1911 von Ernst Neeb ausgegraben und dokumentiert. Zurück
  2. Die folgenden Details sind weitgehend entnommen aus: M. Witteyer / P. Fasold - Des Lichtes beraubt - Totenehrung in der römischen Gräberstraße von Mainz-Weisenau, Wiesbaden 1995. Zurück
  3. An der ehemaligen "Friedhofstraße" hinter dem alten Friedhof (heute Im Leimen) wurden mehrere Grabsteine gefunden, so z.B. der Stein der Rodine oder der des Genialis Zurück
  4. Der aufwendige Katalog "Des Lichtes beraubt" von M. Witteyer und P. Fasold ist beim GBV Weisenau noch erhältlich! Zurück
  5. Bedingt durch den Fall des Limes um 259 und den Bau der röm. Stadtmauer zu diesem Zeitpunkt. Selbst die Töpfereien verschwanden um 268 aus Weisenau und tauchten in Mainz (Ministeriengelände) - trotz der großen Brandgefahr - wieder auf um 270. Zurück
  6. Gallisches Längenmaß von 2,225 km, entspricht 1,5 röm. Meilen. Zurück
  7. Gedenkstein Zurück