Mainz in Rheinhessen

Die ehemalige Synagoge in Mainz-Weisenau - von Udo Mosbach

Die alte Synagoge 1978.[Bild: Udo Mosbach]
Zwei Ausschnitte aus älteren Vermessungsplänen.[Bild: Udo Mosbach]
Die alte Synagoge in Weisenau.[Bild: Udo Mosbach]
Innenraum der Synagoge.[Bild: Udo Mosbach]
Funde vom Speicher der Synagoge.[Bild: Udo Mosbach]
Inschrift über dem Eingang.[Bild: Udo Mosbach]
Innenraum der Synagoge.[Bild: Udo Mosbach]
Ehemalige Mikwe.[Bild: Udo Mosbach]
Das Frauenbad -die Migwe.[Bild: Udo Mosbach]

In der alten Weisenauer Synagoge wurde das Ewige Licht 1996 wieder entzündet, nachdem das kleine, historische Bauwerk nach einer langen und komplizierten Restaurierung vor dem Verfall gerettet werden konnte. Das Datum der Wiedereröffnung war mit großem Bedacht gewählt worden: Am Pfingstmontag 1996 jährte sich zum 900. Mal der Tag an dem die blühende jüdische Gemeinde «Magenza» ausgelöscht worden war.

Papst Urban II. hatte im November 1095 zum Kreuzzug aufgerufen. Nachdem sich die erregten, im Aufbruch befindlichen Kreuzfahrer zu blutigen Verfolgungen der Juden in Worms und Speyer hatten hinreißen lassen - es galt die Parole, daß jedem die Sündenstrafen erlassen würden, der einen Juden töte - drangen am 27. Mai 1096 die Kreuzfahrerhorden unter der Führung des als besonders blutrünstig bekannten Grafen Emicho von Leiningen auch in die Stadt Mainz ein. Die verängstigten Juden flüchteten in den Hof des Erzbischofs und des Burggrafen und suchten dort den Schutz, der ihnen als «des Erzbischofs Schutzjuden» zugesichert war. Es wird geschätzt, dass über 1000 Juden entweder ermordet wurden oder von eigenen Hand starben, um der Schande zu entgehen. Die Möglichkeit, sich durch die Zwangstaufe der Ermordung zu entziehen, gab es erst wesentlich später.

Der Bau der Synagoge im Jahr 1737

So alt ist die Weisenauer Synagoge allerdings nicht, denn sie wurde erst 1737/38 auf den Grundmauern eines zuvor schon bestehenden Gebäudes errichtet, das mit Sicherheit kein sakraler Bau war und das Gelände befand sich damals auch nicht in jüdischer Hand, denn der Propst zu St. Victor und Mainzer Domherr Anselm Franz Freiherr von Ingelheim gewährte der Weisenauer Judenschaft ein Darlehen von 3400 Gulden zum Kauf des Grundstückes und zum Bau der Synagoge.

1793 bei der Belagerung von Mainz wurde die Synagoge im nicht befestigten Weisenau stark beschädigt, aber nicht komplett zerstört. Nach den ersten Untersuchungsergebnissen während der Renovierung war damals wahrscheinlich nur der komplette Dachstuhl zu erneuern. Während der französischen Besetzung war an eine Reparatur nicht zu denken und da der kleine Rest der jüdischen Gemeinde auch nach dem Abzug der Franzosen 1814 kein Geld hatte, dauerte es noch weitere vier Jahre, bis die Schäden behoben waren und die Synagoge 1818 neu geweiht werden konnte. Von da an bis in die 1930er Jahre diente der Sakralbau den Weisenauer Juden als Gotteshaus. Allerdings war die örtliche Gemeinde so stark reduziert worden, daß Juden aus Mainz mit den Fahrrad nach Weisenau fahren mußten, um die nötige Anzahl von Gläubigen zum Gebet zu ermöglichen. Eine der letzten "Amtshandlungen" war 1938 noch eine Trauung.

Plünderungen in der Pogromnacht 1938

In der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 wurde die Synagoge geplündert. Aber aus Furcht, ein Feuer könnte auf die umliegenden Häuser übergreifen, wurde sie nicht in Brand gesetzt. Vermutlich hat aber auch die verborgene Lage der Synagoge dazu beigetragen, dass sie nicht völlig zerstört wurde, wie die anderen Mainzer Synagogen. 1939 mußte die jüdische Gemeinde unter dem Zwang der damaligen Verhältnisse Grundstück und Synagoge zu einem vom Oberbürgermeister festgesetzten Preis von 350 Reichsmark verkaufen. Versteckt und vergessen überstand der Bau auch die Bomben des Krieges. Rumpelkammer, Hühnerstall, Lagerraum und Speicher waren dann die Stationen des Sakralbaus in den folgenden Jahren. Erst 1978 wurde sie wieder entdeckt - aber in welchem Zustand!

Im August 1987 nahm die Stadt Mainz den Bau in ihre Obhut von denSchwestern der Vincentinerinnen, die durch Erbgang zuletzt Besitzer der ehemaligen Synagoge waren und 1989 begannen dann die Renovierungsarbeiten.
Gerettet und schön restauriert wurde dieSynagoge in Mainz-Weisenau. Ihre Wiederherrichtung ermöglichte ein Synagogen-Förderverein, dem vorwiegend Nichtjuden angehören. «Damit haben sie eine generationsübergreifende Verantwortung wahrgenommen», betonte der damalige Bischof Lehmann bei der Eröffnung. Nun soll nach Worten christlicher Geistlicher die Weisenauer Synagoge zum Ort der Begegnung und des Dialogs zwischen Juden und Nichtjuden werden, zum Haus, in dem jüdische Geschichte und jüdische Kultur vermittelt werde. Und ganz nebenbei, so hofft der Förderverein, könne auch die Jüdische Gemeinde Mainz den Bau nutzen. Zwar sei dies «grundsätzlich möglich», meinte Joel Berger, Sprecher der Rabbinerkonferenz, «wenn man dienotwendigen Kultgegenstände» einbringt, doch die Mainzer blicken skeptisch. «Viel zu klein», klagt Esther Epstein, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, «mit der Weisenauer Synagoge sind wir kein Stückchen weiter.» Gegenwärtig verhandeln die Stadt, das Land Rheinland-Pfalz und die Mainzer Jüdische Gemeinde über einen neuen Standort für eine wirklich nutzbare Synagoge, deren Bau dann jedoch von der Jüdischen Gemeinde gelenkt wird.

Die Wiederauffindung des Mikwe

Ehemalige Mikwe.[Bild: Udo Mosbach]

Mittlerweile wurde auch die Stelle gefunden, wo sich damals das rituelle Frauenbad, die Migwe, befand. Zum Erstaunen der Archäologen wurden sogar zwei Anlagen gefunden: Unter dem Fußboden einer benachbarten, kleinen Baracke wurde dieses einfache Bad gefunden. Die Ränder sind offensichtlich verkürzt worden. Gespeist wurde das Bad von einer kleinen Quelle, die oberhalb der Synagoge im Hang entsprang. Die rituelle Vorschrift fordert, dass das Wasser nicht in Behältern zum Bad gebracht werden darf. Natürliche Quellen, Regen- oder Grundwasser sind nur zulässig.

Die ursprüngliche Mikwe wurde nur wenig entfernt von der nachträglich eingerichteten Anlage gefunden, weil im Boden ein saubergemauertes Kugelsegment auftauchte. Die überdeckte Treppe darunter führt über 6 m in die Tiefe und ganz unten sah man noch die Oberfläche des Wassers. Offensichtlich sank der Wasserspiegel nach der Rheinregulierung so tief ab, dass man das Bad nicht mehr nutzen konnte und eine neue,einfachere Anlage einrichtete. Die Ergebnisse der Grabung sind noch nicht publiziert, daher hiernur zwei private Fotos, die während der Ausgrabung gemacht wurden.

Die ehemalige Synagoge von Weisenau ist eine der wenigen erhalten gebliebenen Synagogen überhaupt. Sie ist auch das älteste, noch erhaltene Bauwerk von Weisenau (das älteste profane, noch erhaltene Gebäude steht nicht weit von der Synagoge entfernt direkt an der Wormser Straße - heute Haus Nr. 15). Sie verdankt ihr Überleben sicher der versteckten Lage. Von der heutigen Wormser Straße aus sieht man nur einen kleinen Teil des mit roten Ziegeln eingedeckten Daches. Ein hohes hölzernes Tor zwischen den beiden davor stehenden Häusern verdeckt das Gebäude komplett, obwohl es erhöht im Hof steht.

Zwei Ausschnitte aus älteren Vermessungsplänen - eigentlich für das
Anwesen Wormser Str. 15 angefertigt - zeigen die Lage der Synagoge
(Pfeil) und der Baracke, unter der die Migwen gefunden wurden
(punktierter Pfeil) und lassen auch den schmalen Zugang von der Straße
her erkennen (vgl.Zeichnungen 2 und 3 in der linken Leiste).

Nachweise

Verfasser: Udo Mosbach

Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Grathoff, Ann-Kathrin Zehender

Literatur:

  • Dumont, Franz; u.a. (Hrsg.): Mainz - Die Geschichte einer Stadt. Mainz 1999.
  • Landesamt Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 2.3: Stadt Mainz. Bearb. v. Dieter Krienke. Worms 1997.

Aktualisiert am: 05.12.2014