Mainz in Rheinhessen

0.Stapel und Umschlagrecht in Mainz

Warenverladung am Mainzer Rheinufer, dargestellt in der Schedelschen Weltchronik 1493.[Bild: Stadtarchiv Mainz]

Unter Stapel [Anm. 1] und Niederlage versteht man Vorschriften, die Kaufleute zur Unterbrechung der Reise an einem bestimmten Ort, zum Anlaufen des dortigen Hafens und zur Niederlage ihrer Waren zwangen. [Anm. 2]

Sinn der Maßnahme war es, den ansonsten frei passierenden Warenverkehr der heimischen Wirtschaft dienstbar zu machen und den Ortsansässigen Gelegenheit zu geben, Waren zu erwerben. Auf diese Weise wurde das örtliche Marktangebot ncht nur gesichert sondern auch durch zusätzliche Waren bereichert. Gleichzeitig bestand die Möglichkeit, die angebotenen Waren zu besteuern.

Die ersten Versuche, durch entsprechende Vorschriften den Handel an die Stadt zu binden, machte Köln Mitte des 12. Jahrhunderts. [Anm. 3] Erzbischof Konrad von Hochstaden (1238-1261) erließ am 7. Mai 1259 die Anordnung, dass fremde Kaufleute, die zu Wasser oder zu Lande nach Köln kamen, dort halt machen und ihre Waren Kölner Kaufleuten anbieten mussten. [Anm. 4] Doch konnte sich der Stapel als ein allgemeingültiges Recht während des 13. Jahrhunderts in Köln nicht durchsetzen. [Anm. 5]

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0.1.Das Mainzer Stapelrecht

Urkunde Ludwigs des Bayern von 1317[Bild: Stadtarchiv Mainz]

Seit wann man in Mainz versuchte, den Schiffsverkehr in ähnlicher Weise zu unterbrechen, ist nicht gesichert. Im Zuge der königlichen »Landfriedenspolitik« Mitte des 13. Jahrhunderts wurden Schiffe verpflichtet, in Mainz anzuhalten, um den fälligen Rheinzoll zu bezahlen. Erzbischof Werner von Mainz (1259-1284) erließ in Zeiten einer Teuerung eine Notverordnung, die Getreideschiffe auf dem Rhein zwang, in Mainz anzuhalten und den Mainzern Gelegenheit zu geben, sich mit Getreide einzudecken. Doch diese Bestimmung wurden 1269 wieder aufgehoben. [Anm. 6]

Als man von einem Mainzer Stapelzwang erfährt, galt dieser zunächst nur für Holz und Kohle, beides lebenswichtige Brennstoffe, auf die man in Mainzer Wohnungen und Werkstätten nicht verzichten konnte. Kaiser Ludwig der Bayer (1314-1347) bestätigte  am 15. Mai 1336, es sei schon seit mehr als 100 Jahren üblich, dass Brennholz oder Kohlen ohne Zustimmung der Stadt nicht an Mainz vorbei geführt werden durften. Diese Bestimmung wurde am 25. Juli 1355 durch Kaiser Karl IV. (1346-1378) bestätigt und um Zimmerholzflöße erweitert. [Anm. 7] Versuchte jemand, diesen Stapelzwang zu umgehen, lief er Gefahr, seine Ware zu verlieren. [Anm. 8]

Zu einem allgemeinen Zwang, in Mainz anzuhalten, und seine Waren zum Kauf anzubieten, kam es wohl erst nach dem Verlust der Stadtfreiheit im Jahr 1462. Doch hört man zunächst nur von einem so genannten Umschlagszwang. Sämtliche Durchgangswaren in Mainz mussten in ein anderes Schiff umgeladen werden. Damit sorgte man für die Auslastung der städtischen Kräne, der zahlreichen Weinschröter, Sackträger und Schiffer. Das Umschlagsrecht war für Mainz exklusiv. An keiner anderen Stelle zwischen Köln und Straßburg durften Waren umgeschlagen werden. Begründet wurde diese Maßnahme mit der Behauptung, die auf dem Oberrhein üblichen Schiffe wären für die Fahrt durch das enge Mittelrheintal nicht geeignet, [Anm. 9] bzw. die fremden Schiffer für die gefährliche Durchfahrt nicht ausreichend geschult.

Gegen diesen Anspruch regte sich allenthalben Widerstand. Als Kurfürst Adolf um das Jahr 1470 die Neckarschiffer zwang, in Mainz anzuhalten und ihre Waren auf andere Schiffe umzuladen, legte Kurfürst Friedrich der Siegreiche von der Pfalz Protest ein. [Anm. 10] Ablehnende Stimmen kamen auch aus Köln und anderen Städten. [Anm. 11] Besonders mit der Stadt Frankfurt gab es immer wieder Streit, weil die Frankfurter Schiffer mit für Köln bestimmte Fracht nicht in Mainz anhalten wollten. [Anm. 12]

Ob mit dem Zwang zum Umschlag der Waren der Zwang verbunden war, die Handelsgüter eine gewisse Zeit lang feilzubieten, [Anm. 13] lässt sich für Mainz den Quellen nicht entnehmen.

1486 anerkannte Kaiser Maximilian gegenüber Erzbischof Berthold von Henneberg Staffel und Niederlag für die Stadt Mainz. [Anm. 14] In einer Notiz der Mainzer Kaufhausordnung (fol. 25v) kündigte der Erzbischof am 22. März 1487 an, er wolle mit den Hausmeistern des Kaufhauses über den Pfundzoll und den Stapel reden. Um was es im Einzelnen ging, wird nicht mitgeteilt.

König Maximilian bestätigte am 14. Juli 1495 in einem feierlichen Privileg das Mainzer Stapelrecht samt Niederlage und Umschlag. [Anm. 15] Auf welche Güter sich die Verordnung bezog, ob sie sich auf weitere Waren als Holz und Kohle bezog, bleibt unerwähnt. [Anm. 16]

Nicht überliefert ist auch, ob die Waren im Rahmen des Stapels die am Rhein üblichen drei Tage zum allgemeinen Kauf angeboten werden mussten. Klar geht dagegen aus den Bestimmungen der Kaufhausordnung hervor, dass Waren, die unverkauft geblieben waren, (nach Entrichtung einer Gebühr) wieder ausgeführt werden durften.

In einer Urkunde vom 20. September 1656 spricht Kurfürst Johann Philipp von unserer und unsers Ertzstiffts von undencklichen jahren in unserer Stadt Mainz wohl herbrachter staffel-, Niederlag- und Umschlagsgerechtsamen. [Anm. 17]

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0.2.Ungeliebter Stapelzwang

Dass es an Versuchen nicht fehlte, den Mainzer Stapelzwang zu umgehen, zeigt folgender Vorfall. Nach der Mainzer Kaufhausordnung von 1663 mussten alle rheinaufwärts über Köln herangeführten Güter in Mainz oder Bingen aus- und umgeladen werden. 1682 kam die Hofkammer einer Verletzung dieser Pflicht auf die Spur. Die Nachforschungen ergaben, dass zumindest während der letzten drei Jahre in verschiedenen Ufergemeinden des Rheingaus, darunter auch Johannisberg und Hallgarten, direkter Handel mit Kölner Schiffen getrieben worden war. Gegen heimliche Weinzuwendungen hatten einzelne Krämer und besonders der als Weinhändler tätige Schultheiß Anton Kirn von Niederwalluf von kölnischen Schiffen Heringe und Stockfisch, Salz, Käse, Tran, Baumöl, Pfeffer und Seide in erheblichen Mengen, ja auch ein Fass mit Strümpfen, Bändern, Handschuhen und Hüten bezogen. [Anm. 18]

Auch der Regierung in Mainz war bewusst, dass die vielen Zollstätten und Stapelregeln den Rheinhandel hemmten. So war man Mitte des 17. Jahrhunderts zwar bereit, auf die Rheinzölle unter der Voraussetzung zu verzichten, dass alle Zollherren dem zustimmen und nachkommen würden. Auf das Stapelrecht wollte man aber nicht verzichten. Es sei für Mainz von existenzieller Bedeutung, da nur der Stapel gewährleiste, dass genügend Lebensmittel in die Domstadt kämen und die Bewohner des wirtschaftlichen Hinterlandes, besonders die Pfälzer, die auf Mainz als Ausgangspunkt ihres Weinhandels angewiesen seien, ihren Wein in Mainz feilhielten. Den Erlös pflegten die Pfälzer in der Stadt gegen allerhand Waren einzutauschen und brächten so Nahrung und Verdienst nach Mainz. Mit der Aufhebung des Stapels würde der Stadt ihre Nahrungsgrundlage entzogen.

So blieben sowohl der Mainzer wie auch der Kölner Stapel bis zum Zustandekommen des Zollvereins 1831 bestehen. [Anm. 19]

Ein ausgesprochenes mainzisches Stapelrecht konnte – abgesehen von Holz und Kohle – in Mainz offensichtlich nie durchgesetzt werden. Der dagegen fest etablierte Umschlagszwang sicherte dem Transportgewerbe in der Stadt Verdienst und Arbeitsplätze. Der erzbischöflichen Verwaltung flossen aus den Gebühren für die städtische Waage, die Kräne und andere Institutionen entsprechende Einnahmen zu.

Der häufige Streit mit den Städten Köln und Frankfurt, denen es ein Dorn im Auge war, dass Schiffe im reinen Transitverkehr in Mainz anlegen, Gebühren bezahlen und eventuell sogar umgeladen werden mussten, nahm man dabei in Kauf.

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Nachweise

Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Grathoff

Aktualisiert am: 9.12.2014

Anmerkungen:

  1. Grundlegend: Gönnenwein, Stapelrecht; Jacobi, Stapelrecht; Kesselstadt/Hadamar, Staffel-Recht; Daniels, Stapelrecht für die Zeit um 1800. Zurück
  2. Gönnenwein, Stapelrecht S. 1. Zurück
  3. Gönnenwein, Stapelrecht S. 18. Zurück
  4. Gönnenwein, Stapelrecht S. 21. Auch Duisburg begann in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, den Verkehr auf dem Rhein an sich zu binden. Ähnliches geschah in Brügge und Dordrecht (Englandhandel) (Gönnenwein, Stapelrecht S. 33).  Zurück
  5. Gönnenwein, Stapelrecht S. 41. Zurück
  6. Gönnenwein, Stapelrecht S. 104. Zurück
  7. Falck, Mainz in seiner Blütezeit S. 102. Zurück
  8. Jacobi, Stapelrecht S. 5. Zurück
  9. Falck, Blütezeit 1973 S. 102. Zurück
  10. Gönnenwein, Stapelrecht S. 105. Zurück
  11. Im Jahr 1472 fanden Verhandlungen der kurfürstlichen Räte über den Mainzer Stapel statt. Auch andere Aufzeichnungen über den Stapel rheinischer Städte befassen sich eingehend mit Mainz und vor allem mit der Frage, ob Stapel und Umschlag wirklich altes Mainzer Recht gewesen sei. (Gönnenwein, Stapelrecht S. 99, 104f.).  Zurück
  12. Kläger, Rhein S. 36ff. Zurück
  13. Im Jahr 1482 soll ein Kölner Bürger, der Getreide in Schweinfurt gekauft hatte und den Main heruntergekommen war, in Mainz angehalten worden sein (Gönnenwein, Stapelrecht S. 105).  Zurück
  14. Gönnenwein, Stapelrecht S. 105. Zurück
  15. StA Würzburg, Mainzer Urkunden, Weltlicher Schrank 3/86. Zitiert nach: Dobras, Quelle S. 89; Gönnenwein, Stapelrecht S. 105. Zurück
  16. In Köln weitete sich der Stapelzwang später auch auf Baustoffe, Wein und andere Güter aus. Köln bemühte sich, alle Waren unter das Stapelrecht zu bringen. Im Rahmen des Stapels nahm die Stadt Köln dann das Recht in Anspruch, alle leicht verderblichen Waren, vor allem aus den Niederlanden, zu kontrollieren, in neue Gefäße umzupacken und mit einem stadtkölnischen Qualitätssiegel zu versehen. Zum Stapel gehörte auch in Köln die Bannmeilenbestimmungen, die den Verkauf bestimmter Waren im Umkreis der Stadt untersagten (Looz-Corswarem S. 27). Zurück
  17. Schrohe, Mainzer Geschlecht S. 15. Zurück
  18. Struck, Sozialgeschichte S. 134 Zurück
  19. Schrohe, Mainzer Geschlecht S. 15f. Zurück